M&A in (jetzigen) Krisenzeiten

Was den Markt beeinflusst und wie wichtig Eigenkapital zur Risikovorsorge ist

Foto: © m.mphoto - stock.adobe.com

Nach Regen kommt Sonnenschein – dieses Sprichwort scheint auf die derzeitige Weltlage ganz und gar nicht zuzutreffen. Erst Corona, dann der Krieg in der Ukraine, begleitet von erheblichen wirtschaftlichen Herausforderungen: Inflation, Rezessionsängste, Lieferketten­eng­pässe, Energiekrise. Das sieht eher nach einer dunklen Gewitterfront aus. Ist die Lage an den Märkten tatsächlich so düster, wie es auf den ersten Blick scheint? 

Das erste Halbjahr ist wie im Flug vergangen und der Kontrast im zweiten könnte nicht größer sein: Der erwartete Corona-Rebound ist Rezessionsängsten gewichen, die Zinsen sind sprunghaft angestiegen und das Thema Inflation hat Einzug in die tägliche Kommunikation gehalten. Dazu kommen durch den Krieg in der Ukraine geopolitische Risiken und Energieversorgungsunsicherheit, die speziell Deutschland trifft. Dies führt uns vor Augen, wie fragil unsere Welt ist. Wohl jedes Unternehmen fragt sich, was die Konsequenzen daraus sein werden: kalte Büros im Winter, auf Sparflamme laufende Maschinen oder kompletter Produktionsstopp, weil notwendiges Gas fehlt?

M&A-Deals – die Pipeline ist gut gefüllt

Der Blick des Mittelstandfinanciers auf die Ist-Situation scheint zunächst zu beruhi­gen. Die Unsicherheiten zeigen sich vor allem an den Börsen, der M&A-Markt ist weiterhin sehr aktiv und bei Betrachtung des Bestandsportfolios zeigt sich eine unverändert gute Entwicklung, allen Verwerfungen zum Trotz. Die Pipeline ist gut gefüllt! Allerdings besteht eine starke Branchen­differenzierung. Bei von der aktuellen Situation betroffenen Branchen sind Transaktionen teilweise nicht mehr umsetzbar beziehungsweise steht die Preisfrage im Vordergrund. Häufig sind sich in diesen Fällen die jeweiligen Parteien (aktuell: Consumer) nicht einig, da die Unternehmensbewertungen gefallen sind und keine Klarheit herrscht, wann sie sich wieder erholen. Der „Bid-Ask Spread“ – die Spanne zwischen Gebot und Angebot – ist sehr schnell sehr groß geworden. Noch vor wenigen Monaten zeigte sich hier ein komplett konträres Bild: Nicht nur Strategen waren auf Käu­ferseite aktiv, auch Finanzinvestoren nutzten ihre prall gefüllten Taschen für Zukäufe. 2021 hat das globale M&A-­Geschäft einen Rekordwert erzielt. So verwundert es nicht, dass es nun aufgrund der äußeren Umstände rund ein Fünftel unter den Rekordzahlen aus dem Vorjahr liegt.

Doch vielleicht täuscht der oberflächliche Eindruck. Die aktuelle Konsumentenzurückhaltung wirkt sich in einem B2B-Portfolio wie unserem erst nachgelagert aus, die Energiepreise und zu erwartenden Personalkostensteigerungen werden überwiegend erst ab 2023 zum Tragen kommen und die steigenden Inputpreise lassen sich aktuell häufig überwälzen. Zudem bauen Einkäufer aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Monate derzeit eher Bestände auf, was in der ersten Jahreshälfte für zusätzliche Nachfrage gesorgt hat. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass sich die ­Bewertungsabschläge an den Finanzmärkten mittelfristig auch im PE-Umfeld widerspiegeln.

Es wird Gewinner und Verlierer geben

Es ist viel zu tun. Neben der Sicher­stellung der Energieversorgung im nächsten Winter geht es grundsätzlich darum, die Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland zu erhalten und die bestehenden Abhängigkeiten zu redu­zieren. Dazu gehört die Verfüg­bar­keit bezahlbarer Energie und vor ­allem qualifizierter Mitarbeiter. Es wird Gewinner und Verlierer geben. ­Anbieter von energieeffizienten Lösungen oder Automatisierung beziehungsweise Digi­ta­li­sierung werden zu den Gewinnern zählen. Der Rückenwind der vergangenen Jahre ist verflogen. Jetzt heißt es, unterschiedliche Szenarien zu rechnen: hohe Unsicherheiten, eine Angebotskrise, Rezession bis hin zur kurzfristigen Entspannung. Der Markt ist derzeit schwer einzuschätzen und hält ständig Überraschungen parat. Umso wichtiger ist es, umgehend darauf reagieren zu kön­nen. Daher ist es unumgänglich, für ­eine stabile Eigenkapitalbasis zu sorgen, um Risiken zu reduzieren. Die Eigen­kapitalsituation vieler Unternehmen ist aufgrund der positiven Entwicklung in den vergangenen Jahren derzeit (noch) gut. Allerdings gibt es auch die Unternehmen, die sich trotz schwacher opera­tiver Entwicklung dank der guten Finan­zierungsbedingungen über die letzten Jahre gerettet haben und deren wirtschaftliche Lage jetzt zu eskalieren droht. Insbesondere diejenigen, die nicht von Coronasondereffekten profitieren konn­ten – wie Gastronomie, Retail Innen­stadtlagen, Touristik – stehen weiterhin massiv unter Druck.

Private Equity als Stütze – Eigenkapital zur Risikovorsorge

Um in Krisen oder bei anhaltenden Unsicher­heiten nicht unter Druck zu kommen und vor allem handlungsfähig zu bleiben, sollte jedes Unternehmen für eine solide Eigenkapitalausstattung sorgen. Diese eröffnet zugleich neue Optionen für Zukäufe, wenn sich Oppor­tunitäten bieten. Aufgrund der steigenden Zinsen rückt eine Bankenfinanzierung hierfür in weite Ferne. Stattdessen erweist sich Private Equity als stabile Stütze. Nicht nur durch das hervorragende Netzwerk der ­Beteiligungshäuser und des M&A-Know-hows bei Platt­form­strategien, sondern auch zur Stär­kung der Eigenkapitalausstattung mittels Fremd­finanzierung kann das Unternehmen seine Wachstumspläne ­realisieren. Durch den gestiegenen Eigenkapital­anteil wird häufig auch der Zugang zu zusätzlichen Fremdmitteln möglich, die den finanziellen Spielraum erweitern. Der große Vorteil: Der Finanzinves­tor kann neue Impulse ins Unterneh­men geben. Tatsächlich suchen immer mehr Mittelständler ganz gezielt einen Finanz­­investor als Partner, weil sie den nächsten notwendigen Entwicklungsschritt für ihr Unternehmen zwar erkannt haben, aber ihnen dazu das notwendige Know-how fehlt. 64% der vom Marktforschungsinstitut NHI2 befragten ­Mittelstandsentscheider sagen laut einer aktuellen VR-Equitypartner-Um­frage, dass Private Equity einen positiven Einfluss auf ihr Unternehmen hatte. Finanzinvestoren können wegen ihrer zahlreichen Erfahrungen mit anderen Portfoliounternehmen vor allem bei so strategischen Schritten wie Zukäufen, einer Optimierung von Geschäftsmodell und Produktportfolio, der digitalen Transformation und auch dem Schritt Richtung Nachhaltigkeit helfen. Denn viele Unternehmen stehen vor diesen Heraus­forderungen – und Er­fahrung aus erster Hand hilft hier, Fehler zu vermeiden.

FAZIT

Gerade jetzt muss man mit unterschiedlichsten Szenarien rechnen. Unternehmen müssen sich für den Aufschwung wappnen und die strategische Ausrichtung überdenken, wofür eine gesunde Eigenkapitalausstattung unverzichtbar ist; sei es zur Risikovorsorge, zur Bewahrung der Handlungsfähigkeit oder um Opportunitäten zu nutzen. Denn eins ist sicher: Nach dem Gewitter kommt definitiv auch wieder der Sonnenschein.

Autorenprofil
Christian Futterlieb

Christian Futterlieb ist Managing Partner und Geschäftsführer bei der Frank­furter Beteiligungsgesellschaft VR Equitypartner. In dieser Rolle verantwortet er die Akquisition und Wertsteigerung von Direkt­beteiligungen sowie Mezzanin­finanzierungen. Zudem begleitete er zahlreiche Investments und Zukäufe und betreut die Weiterentwicklung diverser Portfoliounternehmen.

Vorheriger ArtikelGestiegene Energiepreise belasten angeschlagene KMU zusätzlich
Nächster ArtikelAkuter Margenschwund?