Wirtschaftsprognosen: Die Zeichen stehen auf Krise

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Während die Stimmung unter den Großunternehmen deutlich sinkt, meldet der Mittelstand im Juni nach dem KfW-ifo-Mittelstandsbarometer der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) insgesamt ein stabiles Geschäftsklima. Mit diesen gemischten Nachrichten beginnen wir die Übersicht über aktuelle Wirtschaftsprognosen.

Die KfW sieht in ihrer Untersuchung gegenläufige Bewegungen bei der Beurteilung der aktuellen Geschäftslage und bei den Zukunftserwartungen. Auch zwischen den Branchen gibt es deutliche Unterschiede. Während die Lagebeurteilung zum dritten Mal in Folge steigt, so werden die Geschäftserwartungen immer pessimistischer. Insbesondere die im Winter drohende Energiekrise aufgrund von ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland würden vielen Unternehmen Sorgen bereiten. Zwischen den einzelnen Hauptwirtschaftsbereichen sei die Entwicklung im Mittelstand sehr unterschiedlich. Am besten ist nach KfW-Zahlen die Stimmung unter den Dienstleistern, die weiterhin vom Corona bedingten Nachholbedarf in Bereichen wie beispielsweise dem Gastgewerbe profitieren. Das deutlichste Plus verzeichnen die KfW-Experten beim Baugewerbe. Hier hatte es noch im März und April einen erheblichen Stimmungseinbruch gegeben. Einen regelrechten Absturz verzeichnet aktuell dagegen nach den Zahlen des Mittelstandsbarometers der Einzelhandel. Hier haben sich die Erwartungen eingetrübt und der Handel meldet auch schon eine erhebliche Verschlechterung der Geschäftslage.

Es droht eine Rezession

Trotz aller Widrigkeiten habe die deutsche Wirtschaft und insbesondere der Mittelstand ein recht zufriedenstellendes Frühjahr erlebt. Den insgesamt soliden Urteilen zur aktuellen Geschäftslage stünden seit dem russischen Überfall auf die Ukraine sehr düstere Geschäftserwartungen gegenüber. Vor allem der drohende Lieferstopp von russischem Gas sei ein handfester Grund für Rezessionssorgen. Inflationsbedingte Kaufkraftverluste und die rapide Straffung der Finanzierungsbedingungen durch die globale Zinswende der Notenbanken könnten im zweiten Halbjahr zu einer Rezession oder mehreren stagflationären Quartalen führen.

Erwartungen der Maschinenbauer schlechter

Die Erwartungen der deutschen Maschinenbauer für ihr Geschäft in den kommenden sechs Monaten sind nach einer Umfrage des Münchener ifo Instituts gesunken. „Der Einbruch der Erwartungen dürfte zurückzuführen sein auf die andauernden Materialengpässe und die Unsicherheit über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine“, sagt Nicolas Bunde, Branchenexperte am ifo Institut. Über 90% der Maschinenbauer würden einen Mangel an Vorprodukten melden. Auch der Fachkräftemangel sei wieder ein zunehmendes Problem. Der Auftragsbestand hat laut ifo eine Reichweite von 6,5 Monaten und die Auftragsbücher sind damit so voll wie nie: „Grund hierfür sind die Störungen in den Lieferketten, die eine zügige Abarbeitung von Aufträgen verhindern“, fährt  Bunde fort.

IWH sieht keine steigenden Insolvenzen

Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften liegt nach einer Analyse des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) im Juni leicht unter dem Niveau der Vormonate. Die Frühindikatoren würden für die kommenden beiden Monate keine starken Veränderungen bei den Insolvenzzahlen erwarten lassen. Der rasante Anstieg der Energiepreise und die unterbrochenen Lieferketten sorgten aber immer noch für Probleme. Zudem würden einige der Corona-Hilfen schrittweise auslaufen: Arbeitgeber erhalten beim Kurzarbeitergeld seit April keine Sozialversicherungsbeiträge mehr erstattet und seit Mitte Juni können keine Anträge mehr auf Überbrückungshilfe IV gestellt werden. Dennoch: „Das Insolvenzgeschehen zeigt sich trotz Energiekrise, Lieferkettenproblemen und dem schrittweisen Auslaufen der Corona-Hilfen noch immer erfreulich robust. Doch die Zumutungen für die Unternehmen werden in den nächsten Monaten nochmals deutlich steigen. Wie stark diese Belastungen auf das Insolvenzgeschehen durchschlagen, hängt auch davon ab, wie stark die Unternehmen selbst die Preise erhöhen können“, sagt Steffen Müller, Leiter der IWH-Abteilung Strukturwandel und Produktivität.

Auftragseingang bleibt stabil

Der Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe ist nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Mai 2022 nahezu unverändert geblieben. Im Vergleich zum Vorjahresmonat Mai 2021 lag der Auftragseingang kalenderbereinigt 3,1% niedriger. Bei den Herstellern von Investitionsgütern stieg der Auftragseingang im Mai, bei den Herstellern von Vorleistungsgütern fiel er hingegen ebenso wie bei Konsumgütern. Der reale Umsatz im Verarbeitenden Gewerbe war 3,2% höher als im Vormonat und 1% über dem Vorjahreswert. Trotz stagnierender Auftragseingänge und einem deutlichen Anstieg der Umsätze sei wie auch in den Vormonaten das Auftragseingangsvolumen höher als das Umsatzvolumen. Der Nachfrageüberhang dürfte nach Ansicht der Experten von Destatis auf die anhaltend hohe Knappheit an Vorprodukten zurückzuführen sein. Gestörte Lieferketten infolge des Kriegs in der Ukraine und anhaltender Verwerfungen durch die Coronakrise wie Schließungen von Häfen in China führen nach wie vor zu Problemen beim Abarbeiten der Aufträge.

Einzelhändler befürchten Lieferprobleme bis Mitte 2023

Der Einzelhandel befürchtet nach Angaben des Münchener ifo-Instituts noch für ein ganzes Jahr Lieferprobleme. Gleichzeitig klagten mehr als 75% der Einzelhändler im Juni, dass nicht alle bestellten Waren geliefert werden können.  „Auch in diesem Jahr wird es zu Weihnachten wieder Lücken in den Regalen geben. Die Lieferprobleme sind zu einem Dauerproblem für den Einzelhandel geworden“, sagt der Leiter der ifo Umfragen, Klaus Wohlrabe. Die längste Dauer der Lieferprobleme mit 18 Monaten erwarten die Fahrradhändler. Auch die Autohändler gehen laut ifo-Institut davon aus, dass die Engpässe noch mehr als ein Jahr andauern werden.  Bei den Lebensmittelhändlern habe sich die Lage ein wenig entspannt.

Verbraucherstimmung bleibt auf niedrigem Niveau

Das aktuelle HDE-Konsumbarometer macht deutlich, dass es für die Verbraucherstimmung für die kommenden drei Monate nur wenig Hoffnung auf Verbesserung gibt. Zu groß seien die Unsicherheiten über den weiteren Verlauf der Coronapandemie und die Auswirkungen des russischen Krieges in der Ukraine. Das Barometer, das vom Handelsverband Deutschland (HDE) monatlich ermittelt wird, verharrt auf einem äußerst niedrigen Niveau. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sei die Stimmung damit erheblich schlechter. Grund dafür seien die große Verunsicherung angesichts der geopolitischen sowie der gesamtwirtschaftlichen Lage. Auf einem niedrigen Level bleiben laut HDE auch die Erwartungen der Verbraucher hinsichtlich der weiteren gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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