Über die letzten Jahre haben sich energetische Aspekte wie der Carbon Footprint eines Unternehmens mehr und mehr zu wichtigen Kriterien bei M&A-Transaktionen entwickelt. Studien zeigen, dass der Wert von Unternehmen mit einem (vergleichsweise) niedrigen CO2-Fußabdruck höher eingestuft wird. Das steigert nicht nur ihre Attraktivität als Targets an sich, sondern resultiert auch in höheren Kaufpreisen. Dies ist nicht nur Folge geringerer Energiekosten. Ganz generell wirken sich Nachhaltigkeitskriterien als Preisfaktor aus: Können Unternehmen dokumentieren, dass sie sich ESG-Standards unterwerfen und darum bemühen, ihre CO2-Bilanz zu verbessern, haben sie größere Chancen, Investoren, Käufer und Kooperationspartner zu finden. Wo das Geschäftsmodell hingegen kaum noch Zukunftschancen verheißt, versiegen die Finanzquellen leicht.
ESG-Risiken erkennen und gegensteuern
Mit der Offenlegungsverordnung hat die EU im Finanzdienstleistungssektor den Rahmen vorgegeben: Sie verpflichtet Finanzmarktteilnehmer seit März 2021 dazu, transparent zu machen, inwieweit ihre Produkte nachhaltige Anlageziele verfolgen und sie bei ihren Investitionen nachhaltige Kriterien berücksichtigen. Entsprechend steigt die Zahl der Fonds, bei denen Nachhaltigkeit in den Fokus rückt (sogenannte Artikel-neun-Fonds). „Green Finance“ setzt sich insbesondere im Immobilienmarkt immer weiter durch. Gleichzeitig achten auch Private-Equity-Fonds verstärkt darauf, dass ihre Portfoliounternehmen sich dem Thema Nachhaltigkeit widmen beziehungsweise bestimmte Mindeststandards erfüllen. Vielerlei Fonds arbeiten bereits mit entsprechenden ESG-Selbstverpflichtungen.
Um all dies zu gewährleisten, werden potenzielle Zielunternehmen im Rahmen der Due Diligence bereits in einem recht frühen Stadium der Transaktion auf ESG-Risiken geprüft: Denn je früher die Käuferseite Nachhaltigkeitsrisiken erkennt, desto eher besteht die Möglichkeit, sie aktiv anzugehen, bevor die Übernahme vollzogen wird. Gelingt dies nicht, kann sich eine negative Klimabilanz auch auf den Kaufpreis auswirken. Schlimmstenfalls wird die Transaktion abgebrochen, wenn sich beispielsweise abzeichnet, dass der Käufer sich anderenfalls in Widerspruch zu seiner eigenen ESG-Selbstverpflichtung setzt oder für die Transaktion oder am Kapitalmarkt keine Investoren gewinnen kann.
Neubewertung infolge des Ukrainekriegs?
Der Atomausstieg und das Bekenntnis der Politik zum schrittweisen Ausstieg aus der Kohleförderung und -verstromung wiesen lange Zeit auf zwei (vermeintliche) Paradebeispiele überholter Industrien hin, von welchen sich Investoren zunehmend abwendeten. Mit dem Krieg in der Ukraine und den damit einhergehenden Ausfällen bei der Lieferung von russischem Gas scheint sich das Blatt – zumindest zeitweise – zu wenden. Die EU stufte jüngst Atom- und Gaskraftwerke unter bestimmten Auflagen als „klimafreundlich“ ein, sodass beide als Brückentechnologien nunmehr von der EU-Taxonomie umfasst werden, deren eigentliches Ziel ökologisch nachhaltiges Investieren und Anlegen ist. In Deutschland könnte sich der Kohleausstieg noch einige Zeit hinziehen, um den erhöhten Strombedarf zu decken. In Frankreich will sich die Regierung durch Verstaatlichung die Kontrolle über die Stromproduktion sichern und damit Investitionen in erneuerbare Energien, aber eben auch Atomkraftwerke garantieren.
Die notwendigen Anstrengungen von Staat und Industrie, sich von russischem Gas unabhängig zu machen, verschieben damit aktuell die Gewichte. Eine Auswertung von Nachhaltigkeitsberichten durch das Handelsblatt ergab, dass die 40 DAX-Konzerne im Jahr 2021 ihre CO2-Emissionen im Schnitt um 6% gesteigert haben. Für die kommenden Jahre gehen Klimaforscher von steigenden Emissionen aus, weil knapp werdendes Gas mit klimaschädlicheren Energieträgern ersetzt werde. Große Unternehmen versuchen, sich durch Zukäufe und Übernahmen im Energiesektor bei ihrer Energieversorgung unabhängiger zu machen. So investierte beispielsweise BASF in den weltweit größten Offshore-Windpark, Hollandse Kust Zuid, und sicherte sich damit Zugriff auf erhebliche Mengen Ökostrom. Autobauer wie Volkswagen, BMW und Mercedes investieren in eigene Batteriezellfabriken, um ihren Weg zur Elektromobilität zu beschleunigen. In dem Wissen, dass langfristig kein Weg an dem Umstieg auf nichtfossile Energieträger vorbeiführt, setzen damit die „First Mover“ beziehungsweise Unternehmen mit entsprechenden Finanzmitteln den nachhaltigen Umbau fort. Für Firmen mit geringeren Reserven wird die Luft noch dünner.
Handlungsoptionen für Unternehmenskäufer und -verkäufer
Für Unternehmen, die einen Verkauf erwägen, folgt aus der jüngeren Entwicklung: Sie müssen einerseits an ihren Bestrebungen zur Dekarbonisierung festhalten, um nicht entweder durch das Raster der Nachhaltigkeitskriterien bei der Finanzierung zu fallen oder schlimmstenfalls überhaupt keinen Käufer zu finden. Sie haben andererseits mit höheren Energiekosten zu kämpfen und verlieren damit an finanziellem Spielraum für die Umrüstung auf klimafreundlichere Produktionsanlagen und -prozesse.
FAZIT
Käufer können sich Abstriche bei der Beurteilung von Klimarisken deshalb nicht leisten, weil sie sich damit spätestens beim Exit Probleme einhandeln. Gelingt es bis dahin nicht, das Portfoliounternehmen „grüner“ zu machen, droht ein signifikanter Wertverlust. Zwar lässt sich der Carbon Footprint eines Zielunternehmens – verglichen mit anderen Nachhaltigkeitskriterien in den Bereichen Social und Governance – recht verlässlich erheben. Dennoch sind versteckte Emissionsrisiken nicht in jedem Fall auszuschließen. Zu erwägen ist daher neben der gründlichen ESG Due Diligence der Abschluss einer Gewährleistungsversicherung und im Einzelfall sogar einer Environmental Risk Insurance, die davor schützen können, von unliebsamen Umweltrisiken überrascht zu werden.
Dieser Beitrag ist in der aktuellen Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2022 erschienen.