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Die Entschreckung von Private Equity

Im aktuellen Zinsumfeld hat sich Private Equity zu einer bedeutenden Anlageklasse für institutionelle Investoren und zu einem echten Faktor auf dem Transaktionsmarkt entwickelt. Die Branche hatte in Deutschland lange Zeit mit ihrem negativen Heuschrecken-Image zu kämpfen. Inzwischen gibt es dank empirischer Forschung gute Gründe, einige der gängigen Vorurteile zu überdenken.

Für diesen Imagewandel gibt es eine Reihe von guten Gründen. Der erste ist in der Private Equity-Industrie (PE) selbst zu finden: In den frühen 2000ern wusste kaum jemand etwas Genaueres über die Strategien, mit denen die entsprechenden Fonds ihre Renditen erzielten, oder wer hinter den entsprechenden Unternehmen stand und wie die Geschäftsmodelle der Branche genau aussahen. Inzwischen hat sich die Industrie über die Arbeit des Bundesverbandes der Kapitalanlagegesellschaften BvK als Interessenvertretung deutlich transparenter aufgestellt. Die Geheimniskrämerei der frühen Jahre ist vorbei. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich inzwischen ein differenzierteres Bild: Der Bereich des Venture Capital wird häufig mit Wachstum, neuen Technologien und der Schaffung neuer Arbeitsplätze verbunden und hat in der öffentlichen Meinung eine positive Wahrnehmung. Dagegen sieht sich das Modell Buyout mit Investitionen in reifere Unternehmen teilweise immer noch der Kritik ausgesetzt, den gekauften Unternehmen zu viel Fremdkapital aufzubürden und Arbeitsplätze abzubauen.

Besseres Wissen über ökonomische Effekte

Zum Zweiten herrscht durch den Aufbau von internationalen Datenbanken über Private Equity-Fonds und PE-geführten Unternehmen deutlich größere Klarheit über viele der ökonomischen Effekte, die von PE-Beteiligungen in den Portfolio-Unternehmen ausgelöst werden. Den Anfang machte eine große Studie zu den Effekten von PE im Rahmen des World Economic Forum 2008. Mittlerweile wird an vielen renommierten Forschungseinheiten und Universitäten zum Thema geforscht. Im Lichte dieser Forschungsergebnisse mussten einige Einschätzungen und Vorurteile über Effekte von Private Equity revidiert werden.


“Im Lichte dieser Forschungsergebnisse mussten einige Einschätzungen und Vorurteile über Effekte von Private Equity revidiert werden.”


Schauen wir uns einen zentralen Kritikpunkt genauer an: Ein Vorurteil lautet, dass im Rahmen von Leveraged Buyouts den erworbenen Unternehmen zu hohe Schulden aufgebürdet würden. Diese hohe Verschuldung führe anschließend dazu, dass die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens gegen Krisen deutlich geringer ist und diese bereits beim leisesten Windhauch Insolvenz anmelden müssten. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen hier allerdings ein differenziertes Bild: So stellte eine HHL-Studie zum Thema „Private Equity und Unternehmensverschuldung in Deutschland“ mit 236 Unternehmen zwar fest, dass statische Verschuldungsmaße dieser Unternehmen durchweg höher lagen als der entsprechende Branchendurchschnitt. Bezog man allerdings die Profitabilität der Unternehmen in die Analyse ein und ermittelte den dynamischen Verschuldungsgrad als Relation Fremdkapital/Ebitda, kehrte sich das Bild um: PE-geführte Unternehmen haben einen niedrigeren dynamischen Verschuldungsgrad als Vergleichsunternehmen aus der gleichen Branche. Sie weisen eine höhere Profitabilität auf und sind daher in der Lage, auch eine höhere Verschuldung zu tragen.

Im aktuellen Zinsumfeld hat sich Private Equity zu einer bedeutenden Anlageklasse für institutionelle Investoren und zu einem echten Faktor auf dem Transaktionsmarkt entwickelt. Die Branche hatte in Deutschland lange Zeit mit ihrem negativen Heuschrecken-Image zu kämpfen. Inzwischen gibt es dank empirischer Forschung gute Gründe, einige der gängigen Vorurteile zu überdenken.

Typische Muster lassen sich nicht belegen

Auch das vermeintlich typische Muster des Verschuldungsverlaufes – Erhöhung der Verschuldung bei Einstieg und anschließender Rückgang der Verschuldung – ließ sich nicht empirisch feststellen. Die Untersuchung zeigte allerdings, dass die Entscheidung über die Höhe der Unternehmensverschuldung bei Private Equity-geführten Unternehmen von anderen Faktoren, in der Regel der Verfügbarkeit von Fremdkapital, gesteuert wird als bei anderen, nicht PE-geführten Unternehmen der gleichen Branche. Auch hinsichtlich der Insolvenzanfälligkeit lässt sich die oben angeführte Argumentation nicht empirisch stützen: Eine Studie des ZEW Mannheim mit mehr als 1.800 europäischen Buyouts konnte keine signifikant höhere Insolvenzanfälligkeit im Vergleich zu den anderen Unternehmen der gleichen Branche feststellen. Die Erklärung lautet hier, dass PE-geführte Unternehmen häufig straffer geführt werden und daher schneller und auch drastischer auf erste Krisensignale reagieren.


“In den vergangenen Jahren ist das Bewusstsein dafür gewachsen, dass die Private Equity-Branche ein gewichtiger Wirtschaftsfaktor geworden ist.”


Weitere Studien brachten vermeintliche Gewissheiten über Private Equity zumindest ins Wackeln: Eine Untersuchung der Harvard University mit amerikanischen Unternehmen konnte nach dem Erwerb durch Private Equity keine signifikante Kürzung von Ausgaben für Forschung und Entwicklung feststellen und somit den Eindruck widerlegen, PE-Fonds als Unternehmenseigentümer wären mehr an kurzfristigen Gewinnen als an einer langfristigen Wertsteigerung interessiert. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Natürlich gehen auch mit Private Equity geführte Unternehmen pleite, entlassen Mitarbeiter, streichen Forschung und Entwicklung, erhöhen die Verschuldung und verkaufen Teile des Unternehmens, um sie zu Geld zu machen. Der Punkt ist, dass sie das nicht systematisch häufiger und in größerem Stil machen als andere Unternehmen in der gleichen Branche.

Zunehmende wirtschaftliche Bedeutung

Schließlich ist in den vergangenen Jahren in der Öffentlichkeit auch das Bewusstsein dafür gewachsen, dass die Private Equity-Branche ein gewichtiger Wirtschaftsfaktor mit bedeutendem Einfluss geworden ist. Insgesamt schätzt man die Zahl von PE-geführten Unternehmen in Deutschland auf rund 5.000. Speziell dem Segment Venture Capital wird ein signifikanter volkswirtschaftlicher Einfluss zugeschrieben: Die damit verbundene Finanzierung von neuen Technologie- und Wachstumsunternehmen hat positiven Einfluss auf die Innovationsfähigkeit eines Standortes. Im internationalen Vergleich ist die wirtschaftliche Bedeutung von Private Equity in Deutschland allerdings immer noch relativ niedrig. Zum Vergleich: Weltweit wurden 2017 insgesamt 440 Mrd. US-Dollar durch Private Equity-Firmen investiert.

Im aktuellen Zinsumfeld hat sich Private Equity zu einer bedeutenden Anlageklasse für institutionelle Investoren und zu einem echten Faktor auf dem Transaktionsmarkt entwickelt. Die Branche hatte in Deutschland lange Zeit mit ihrem negativen Heuschrecken-Image zu kämpfen. Inzwischen gibt es dank empirischer Forschung gute Gründe, einige der gängigen Vorurteile zu überdenken.

Allerdings wird davon ausgegangen, dass die Bedeutung auch hierzulande weiter zunehmen wird. Eine Ursache ist auch das aktuelle Zinsumfeld: Beim derzeitig niedrigen Zinsniveau fällt es institutionellen Investoren wie Pensionsfonds, Versicherungen und Banken immer schwerer, für ihre Anleger eine zufriedenstellende Verzinsung durch Staatsanleihen oder andere quasi-sichere Anlagen zu erzielen. Als Konsequenz ist seit einigen Jahren eine deutliche Zunahme des Mittelzuflusses in alternative Investments – zu denen auch Private Equity zählt – zu verzeichnen.

Schlussendlich setzt man in Deutschland noch eine ganz spezielle Hoffnung in Private Equity: Vielleicht gelingt es, über die Kombination mit einem Management Buyout einen Beitrag zur Nachfolgeproblematik im deutschen Mittelstand zu leisten.


Zur Person

Prof. Dr. Bernhard Schwetzler ist Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Finanzmanagement an der HHL Leipzig Graduate School of Management. Er leitet das dortige Center for Corporate Transactions and Private Equity CCTPE. Seine Forschungsschwerpunkte sind Private Equity, M&A und Unternehmensbewertung.
www.hhl.de

 

 

 

 

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