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Juniorunternehmer in der Nachfolge: Vom Wollen, Können und Dürfen

Verbundenheit hin oder her – immer weniger Familiensprösslinge spüren eine moralische Verpflichtung, das Unternehmenserbe fortzuführen und es über die eigenen beruflichen Ziele zu stellen. Es geht vielmehr darum: Will ich es? Kann ich es? Und darf ich es auf meine Art?

Töchter, Söhne oder andere Verwandte als Nachfolger in Familienunternehmen treten in der Nachfolge häufig ein janusartiges Erbe an: Der abtretende Kapitän ist vom brennenden Wunsch getrieben, das eigene Lebenswerk in die Hände eines kompetenten Nachfolgers zu legen, um es auch in den kommenden Generationen gesichert zu wissen. Gleichzeitig schwingt eine große Portion Skepsis mit, ob der Nachfolger diese Aufgabe auch wirklich erfüllen kann. Die Fragen, ob dieser es auch will und dann mit seinem Placet auch darf, stellen sich dabei die wenigsten.

Vom Können – mit Argusaugen im Rücken

Habe ich genug Wissen und Erfahrung, um die Firmenleitung zu übernehmen? Habe ich einen genauen Plan, wie ich das Unternehmen weiterführen werde? Verstehe und respektiere ich die Art, wie mein Vorgänger das Unternehmen führt? Bin ich bereit, Ratschläge und Stellungnahmen meines Vorgängers zu meiner Leistung einzuholen und auf sie zu hören? Habe ich den Mut, Kritik zu riskieren und diese zu akzeptieren und zu beurteilen?

Außer Frage steht: Juniornachfolger sind im Vergleich zu den vorangegangenen Generationen in der Regel bestens qualifiziert. Sie konnten sich zu Teilen mit Unterstützung der Familie national wie international beweisen und verfügen oftmals über branchenrelevante Erfahrungen. Trends wie IT, Digitalisierung, Vernetzung? Als Digital Natives verfügen sie über alle nötigen Qualifikationen.

Trotz alledem prallen sie gegen Hindernisse: die Skepsis der übergebenden Generation, „ob er/sie es wirklich kann“. Langjährige, kompetente und erfahrene Führungskräfte mit Ambitionen auf die Führungsnachfolge. Mitarbeiter, die Veränderungen kritisch gegenüberstehen. Sie alle müssen eingebunden beziehungsweise durch Kompetenz und Dialog überzeugt werden.

Erfolgreiche Familienunternehmen verpflichten sich zur kompromisslosen Besetzung der Unternehmensleitung. Nach dem Prinzip der Gleichen Chance werden potentielle Familiennachfolger mit den Besten am Markt verglichen. Bei ausgewiesener Qualifikation und passender Motivation werden Gesellschafter bevorzugt in die Position des Vorsitzenden der Geschäftsführung berufen. Fremdmanager werden nach objektiven Kriterien ausgewählt.

Verbundenheit hin oder her – immer weniger Familiensprösslinge spüren eine moralische Verpflichtung, das Unternehmenserbe fortzuführen und es über die eigenen beruflichen Ziele zu stellen. Es geht vielmehr darum: Will ich es? Kann ich es? Und darf ich es auf meine Art?

Vom Dürfen – über die Zwänge von Fußspuren

Wird meinen Zukunftsplänen für das Unternehmen aufgeschlossen begegnet? Spüre ich das Vertrauen in meine Führungsqualitäten? Habe ich freie Hand für selbständiges Handeln oder spüre ich die fortwährende Überprüfung vom Vorgänger? Wurde mir alles notwendige Wissen über die Geschäftsführung gegeben? Sind die Eigentumsverhältnisse und Finanzen so geplant, dass ich meiner neuen Rolle auch wirklich nachgehen kann?

Nachfolge bedeutet immer Kulturwandel. Es kommt darauf an – für den Übergebenden ebenso wie für den Junior –, keinen Verfall von alten Werten zuzulassen, sondern neue zu gestalten. Schließlich gehen mit dem Generationswechsel in Familienunternehmen oft grundlegende Weichenstellungen und Wertewandel einher: vom Ich zum Wir. Vom Macher zum Manager. Vom Zentrum zum Netzwerk. Vom Patriarchen zum Performer. Von der Erfahrung zum Unbekannten. Nur wer diese Kulturtransformation gezielt und behutsam ins Rollen bringt, macht den Prozess auch für die Mitarbeiter nachvollziehbar.

Absolut erfolgsentscheidend dabei ist: Der Übergebende lässt diesen Transformationsprozess zu. Nur wenn er offen mit dem Juniornachfolger kommuniziert und beide gründlich vorbereitet sind, können Barrieren produktiv überwunden werden. Erst wenn so gemeinsam die richtige Strategie definiert wurde, wird sich der Senior leichter tun, das Neue zu erlauben, mit auf den Weg zu bringen und sich schließlich zurückzuziehen.

Dabei muss der Junior seinen eigenen Stil haben und sein Führungsverständnis und seine eigenen Wertevorstellungen in dem Unternehmen verankern. Diese decken sich vielleicht nicht immer mit denen des Vorgängers, dienen aber dem gleichen Ziel: der Erhöhung des Unternehmenswertes und der Performance.

Vom Wollen – tausche Freiheit gegen Verantwortung und Verpflichtung

Sehe ich mich als Vollblutunternehmer und das Unternehmen als Gestaltungsfeld meiner Kreativität? Will ich meine bisherige Selbstbestimmtheit eintauschen gegen einen unternehmerischen und sozial-gesellschaftlichen Verantwortungskontext? Erkenne ich mit Blick auf meine privaten Wünsche und Träume in der Aufgabe eine erfüllende Herausforderung?

 Der Anteil der Nachfolgen aus Pflichtgefühl, ohne Leidenschaft für das Unternehmerische und mit mangelnder Identifikation mit dem Familienbetrieb ist immer noch vergleichsweise hoch. Dabei ist der „Beruf als Berufung“ eine dringend notwendige, weil nachhaltig erfolgreiche Vorrausetzung für den weiteren beruflichen Lebensweg.

Verbundenheit hin oder her – immer weniger Familiensprösslinge spüren eine moralische Verpflichtung, das Unternehmenserbe fortzuführen und es über die eigenen beruflichen Ziele zu stellen. Es geht vielmehr darum: Will ich es? Kann ich es? Und darf ich es auf meine Art?

Als Kinder der Multioptionsgesellschaft und Grenzlosigkeit, in materieller und akademischer Vielfalt aufgewachsen, streben die Junioren heute oftmals weniger nach Prestige und Status. Für sie steht vielmehr lebenslanges Lernen und eine selbstbestimmte Balance von Beruf und Freizeit mit einer sinnhaften Lebenserfüllung im Vordergrund. Diese Bedürfnisse müssen im Rahmen von Nachfolgen zwingend abgefragt werden.

Die zuweilen moralingesäuerte Verpflichtungsübernahme des Familienbetriebes als Singleoption und fest verankerter, häufig sogar lokal verpflichteter Unternehmer-Verantwortung kann zur Verleugnung persönlicher Erwartungen führen. Doch die Quittung dafür kommt über kurz oder lang bestimmt, und sie wird sich negativ auf den Erfolg als Unternehmer auswirken.

Fazit

Viele Familienunternehmen scheitern in der Nachfolge an der konfliktären Schnittstelle von Familie, Unternehmen und Führungskräften. Denn obwohl bereits im Vorfeld häufig klar ist, dass der Übergebende und der designierte Nachfolger, wenn auch verwandt, aus völlig unterschiedlichem Holz geschnitzt sind, wird ohne Rücksicht auf Verluste die Übergabe durchgezogen. Die Folge: böses Blut, Friktionen im Tagesgeschäft bis hin zu existenzbedrohenden Krisen. Betriebswirtschaftliche und gesellschaftsrechtliche Ansätze helfen hier wenig. Es gilt zunächst, die emotionalen und rationalen Entscheidungsinhalte des Seniors und des Juniors jenseits von Geschäftsmodell, GuV und Statuten aufzunehmen und klug zu berücksichtigen.


Zur Person

Gustl F. Thum ist Mitglied der Geschäftsleitung und seit 15 Jahren als Experte für Familienunternehmen bei der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH tätig. Der Diplom-Kaufmann (LMU München/HSG St. Gallen) ist Mitglied in diversen Wirtschaftsvereinigungen, Lehrbeauftragter für Entrepreneurship sowie Autor und Referent zahlreicher Publikationen zu den zentralen Gestaltungsfeldern von Familienunternehmen.

www.wieselhuber.de

 

 

 

 

 

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