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„Wir wollen nicht der größte, sondern viel lieber der großartigste Anbieter sein”

Mehr als 100.000 Stunden Weiterbildung führte das Reinigungsunternehmen Bockholdt an seiner eigenen Akademie durch. Durch Qualität und Regionalität will das Unternehmen Kunden und Mitarbeiter binden.

Unternehmeredition: Frau Bockholdt, in Ihrem Reinigungsunternehmen setzen Sie auch Tatortreiniger ein. Was waren deren schlimmste Einsätze?

Mein Mann erzählte mir mal von einem brutalen Selbstmord mit Kopfschuss, der einige Zeit unbemerkt blieb. Der Job erfordert sicherlich eine gewisse Härte.

Hoch oben: Industriekletterer müssen schwindelfrei sein. (© Bockholdt KG)

Braucht es zum Tatortreiniger eine spezielle Ausbildung?

Ja, neben guten Chemiekenntnissen spielen psychologische Elemente hierbei eine Rolle. Auch Industriekletterer, die in der Höhe reinigen, brauchen besondere Talente. Jedes Jahr werden sie auf ihre Tauglichkeit überprüft.

Die Serie Tatortreiniger, in der Spuren des Ablebens von Menschen beseitigt werden, rückte auch das Jobprofil in den Vordergrund. Wie authentisch ist das Format?

Es wirkt schon real. Der Hauptdarsteller Bjarne Mädel hat eine gute Anleitung bekommen. Ob jedes Mal ein Angehöriger am Tatort dabei ist, kann ich nicht beurteilen. Aber es ist sicherlich häufiger der Fall.

Also Employer Branding für Reinigungsunternehmen?

So kann man das sehen. Momentan planen wir auch eine Fachkräftekampagne. Über die verschiedenen Berufsbilder wollen wir jungen und älteren Menschen die Branche näher bringen. Hier sind wir in vielen Institutionen unterwegs und fast schon missionarisch tätig.

Ihre Branche hat hohe Zuwachsraten an Beschäftigten. Warum?

Das liegt vor allem daran, dass die Hygieneanforderungen stetig steigen. In Kliniken, in der Gastronomie oder in der Lebensmittelproduktion. Zudem setzen Betriebe ihre Fachkräfte immer noch zu Reinigungszwecken mit ein. Etwa in der Produktion, zur Säuberung der Maschinen. Da Fachkräfte rar sind und woanders dringender benötigt werden, gliedern viele Unternehmen diese Aktivitäten mittlerweile aus.

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Mehr als 100.000 Stunden Weiterbildung führte das Reinigungsunternehmen Bockholdt an seiner eigenen Akademie durch. Durch Qualität und Regionalität will das Unternehmen Kunden und Mitarbeiter binden.

Dennoch ist das Image des Gebäudereinigers schlecht, warum?

Unter anderem liegt das daran, dass wir häufig dann beim Kunden sind, wenn dieser nicht vor Ort ist. Deshalb bieten wir verstärkt die Tagreinigung an. Die Reinigungskraft ist dann raus aus der Anonymität – ähnlich wie beim klassischen Handwerker.


“Wir konzentrieren uns ausschließlich auf Reinigungsdienstleistungen. Malerarbeiten oder Security-Angebote finden Sie bei uns nicht. Ich kaufe beim Friseur ja auch kein Fleisch.”

Gülten Bockholdt, Miteigentümerin der Bockholdt KG


Der Konkurrenzkampf in der Reinigungsbranche ist groß. Wie schaffen Sie es, sich zu differenzieren?

In erster Linie grenzen wir uns dadurch ab, dass wir uns ausschließlich auf Reinigungsdienstleistungen konzentrieren und keinen Bauchladen vor uns herschieben. Tätigkeiten wie Malarbeiten, Elektrodienstleistungen oder Security-Angebote finden Sie bei uns nicht. Es gibt ja nicht umsonst Malermeister und Elektromeister. Ich kaufe beim Friseur ja auch kein Fleisch.

Reicht das?

Ja, weil wir die Reinigung in allen Facetten anbieten. Wir bearbeiten Böden aller Art, wir gehen in die Luftkanäle, wir arbeiten mit Höchstdruckverfahren an Fassaden. Ein weiterer Vorteil ist, dass wir vor allem im norddeutschen Raum aktiv sind. Über die Regionalität und die damit verbundene Kundennähe können wir die Qualität sichern.

Bleibt trotz des kleinen Radius’ genügend Platz für Wachstum?

Absolut. Zudem wollen wir nicht der größte, sondern viel lieber der großartigste Anbieter sein. Wachsen auf Gedeih und Verderb ist nicht unser Bestreben. Als wir das Unternehmen 2008 von der zweiten Generation gekauft haben, war Bockholdt noch bundesweit tätig. Obwohl wir unser Einzugsgebiet verkleinerten, erhöhte sich der Umsatz seitdem von 65 Mio. auf heute 85 Mio. Euro. Der Kunde belohnt die Fokussierung auf die Region und das Produkt der Reinigung.

Sie beschäftigen mittlerweile mehr als 6.000 Mitarbeiter. Ist diese Größe von Vorteil?

Ja. Vor allem weil wir sehr viele Teilzeitbeschäftigte haben. Momentan sind 56 Prozent unserer Mitarbeiter sozialversicherungspflichtig. Sämtliche Teilzeitkräfte, die mehr arbeiten wollen, bilden für uns einen großen Schatz. Viele dieser Mitarbeiter haben Qualifizierungen, die wir für unser Unternehmen nutzen können. Ein Dachdecker etwa kann in schwindelerregenden Höhen auch zum Industriekletterer weiter entwickelt werden.

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Mehr als 100.000 Stunden Weiterbildung führte das Reinigungsunternehmen Bockholdt an seiner eigenen Akademie durch. Durch Qualität und Regionalität will das Unternehmen Kunden und Mitarbeiter binden.

Welche Reinigungsdienste werden denn besonders gefragt?

Fast jeder Kunde, der uns mit einer Standardreinigung beauftragt, hat auch immer ein Spezialproblem, das stark nachgefragt wird: Etwa die industrielle Reinigung im Hochdruckverfahren, die Reinigung im Operationssaal oder spezielle Verfahren in Produktionsbetrieben. Auch die Schädlingsbekämpfung ist ein großer Bestandteil der Gebäudereinigung.

Gut geschützt: Nicht immer sind Reinigungsarbeiten harmlos. (© Bockholdt KG)

Welche Rolle spielt der Mindestlohn bei Ihnen?

Für Gebäudereiniger gibt es diesen bereits seit 2007. In Westdeutschland beträgt er mittlerweile 9,80 Euro und nicht 8,50 Euro. Dadurch, dass der Meisterzwang weggefallen ist, haben sich mehr Angestellte selbstständig gemacht und die Preise gedrückt. Der Mindestlohn war ein gutes Regulativ und hat dafür gesorgt, dass die Löhne nicht ins Bodenlose abrutschten. Wir haben schon immer den allgemein verbindlichen Tarif bezahlt. Unseren Betriebsrat gibt es seit 40 Jahren.

Dennoch spielt Schwarzarbeit in der Branche eine große Rolle.

Das stimmt. Trotz Mindestlohn ist dieses Problem immer noch nicht ausgemerzt. Ein Preisgefälle von 30 bis 40 Prozent ist am Markt immer noch vorhanden. Qualität wird den Markt wie immer regulieren.

Sie haben einen Talentpool eingerichtet, um die Fähigkeiten Ihrer Mitarbeiter zu eruieren. In der Branche ist das eher ungewöhnlich.

Wir gehörten zu den ersten Reinigungsunternehmen in Deutschland, die eine Personalentwicklungsabteilung etabliert haben. Auch weil wir wissen wollten, wen wir beschäftigen. Uns interessierte, wie alt unsere Mitarbeiter sind, ob sie männlich oder weiblich sind und mit welcher Vorbildung sie zu uns kommen. Diese Daten haben wir zur Basis unseres Talentpools erklärt und darauf setzten wir Weiterbildungsprogramme auf.

Wie sehen diese aus?

Eines heißt etwa Beste Chancen@Bockholdt. Die Mitarbeiter können sich von der Reinigungskraft über den Vorarbeiter, den Kundenbetreuer, den technischen Bereichsleiter bis hin zum Niederlassungsleiter vorarbeiten. Das ist ein Prozess, der über sechs Jahre währt. Das Programm haben wir in diesem Jahr gestartet. 111 Reinigungskräfte haben sich angemeldet und lassen sich jetzt zum Vorarbeiter ausbilden.

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Mehr als 100.000 Stunden Weiterbildung führte das Reinigungsunternehmen Bockholdt an seiner eigenen Akademie durch. Durch Qualität und Regionalität will das Unternehmen Kunden und Mitarbeiter binden.

Wie viele Angestellte werden es dann tatsächlich in die nächste Stufe schaffen?

Wir gehen davon aus, dass wir 20 bis 30 Prozent zum Kundenbetreuer weiterqualifizieren können.

Wie viele Menschen haben Sie denn bislang an Ihrer Akademie weitergebildet?

Seit wir die Personalentwicklung einführten, haben wir mehr als 100.000 Stunden Weiterbildung an 5.000 Mitarbeitern mit mehr als 60 verschiedenen Modulen durchgeführt. Bevor die Angestellten zu den Kunden gehen, trainieren sie bei uns. In der Akademie haben wir verschiedenste Oberflächen an denen die Mitarbeiter üben. Sie reinigen verschiedene Materialien, experimentieren an glatten und unebenen Flächen. Externe Dozenten lehren zusätzlich Soft Skills.

Gelingt es Ihnen so besser, die Mitarbeiter zu binden? Letztlich ist die Fluktuation in Ihrer Branche sehr hoch.

Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit beträgt bei uns knapp 13 Jahre. In der Branche ist das eine stolze Zahl. Es ist in der Tat wichtig, dass die Mitarbeiter Möglichkeiten zur Weiterentwicklung haben.


Zur Person

Gülten Bockholdt. (© Bockholdt KG)

Zusammen mit ihrem Mann Jan kaufte Gülten Bockholdt das Familienunternehmen im Jahr 2008. Durch Regionalität, den klaren Fokus auf das Reinigungsgeschäft und die Weiterbildung der Mitarbeiter ist das Unternehmen erfolgreich. Mittlerweile beschäftigt es rund 6.500 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Umsatz von rund 85 Mio. Euro.

 

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