Hochwasser unterspült Insolvenzrecht

Hochwasser
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Die Bundesregierung hat heute eine erneute – zeitweise – Aussetzung der Insolvenzantragspflicht beschlossen. Grund sind die Auswirkungen der Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Bayern vor zwei Wochen.

Eine solche Änderung des Insolvenzrechts gab es nicht erst anlässlich der Corona-Pandemie. Vorbild für diese Regelung ist die Hochwasserkatastrophe des Jahres 2002 an Elbe und Donau. Damals wurde von der Bundesregierung eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für rund vier Monate beschlossen, um den Unternehmen zu helfen. Darüber hinaus wurden auch steuerliche Erleichterungen verabschiedet, wie Stundungen und die Herabsetzung von Vorauszahlungen.

Bereits 2013 und 2016 wurde Antragspflicht ausgesetzt

Auch 2013 wiederholte sich dieses Maßnahmenpaket nach dem damaligen Hochwasser. Die Bundesregierung erließ ein „Aufbauhilfegesetz“, in dem unter anderem ein Sondervermögen Aufbauhilfe beschlossen wurde und die zeitweise Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für betroffene Unternehmen. Nur wenige Jahre später gab es dann 2016 eine entsprechende Regelung für drohende Insolvenzen. Die Aussetzung galt bei den bisherigen Fällen für vier bis sechs Monate. Die Hilfsprogramme der Bundesregierung zur Bewältigung der Corona-Pandemie haben also ihre Vorbilder in der Bewältigung früherer Hochwasserkatastrophen.

Bundestag müsste zustimmen

Die aktuellen Planungen sehen vor, dass für betroffene Firmen die Insolvenzantragspflicht rückwirkend zum 10. Juli bis zum 31. Oktober 2021 ausgesetzt werden soll. Eine Verlängerung bis zum Frühjahr 2022 wird ausdrücklich ermöglicht. Diese zeitweisen Änderungen im Insolvenzrecht bedürfen allerdings einer Zustimmung durch den Deutschen Bundestag. Dieser ist gerade aber in der Sommerpause. Es müsste also zu einer Sondersitzung kommen, denn der erste reguläre Sitzungstermin wäre Anfang September.

Hochwasser kommen immer häufiger

Tillman Peeters, FalkenSteg
Tillman Peeters, FalkenSteg

Der Rückblick auf das neue Jahrtausend hat gezeigt, dass Wetterkatastrophen immer häufiger geschehen und die Unternehmen damit vor große Herausforderungen stellen. Jedes Mal dafür das Insolvenzrecht anzupassen, ist nach Ansicht von Tillmann Peeters, Partner bei Falkensteg, nicht der richtige Ansatz. „Rechtsregeln können wir nicht immer wieder so einfach ändern oder aufweichen“, erklärt er. Grundsätzlich seien diese Hilfen sehr sinnvoll und in den meisten Fällen auch berechtigt – aber gerade die aktuelle Situation zeige, dass der Gesetzgeber nicht mit der ausreichenden Geschwindigkeit reagieren kann. Auf diese Weise gebe es eine längere Phase der Unsicherheit. Mit dem Stand von heute könne er einem Unternehmer nicht guten Gewissens dazu raten, keine Insolvenz anzumelden, um spätere rechtliche Konsequenzen oder Schadensersatzforderungen zu vermeiden.

Grundsätzliche Regelung wünschenswert

„Ich würde eine grundsätzliche Regelung begrüßen, die einen stabilen Rahmen schafft und dann auch eine schnelle Reaktion ermöglicht“, sagt Peeters. Möglich wäre das durch eine Verordnungsermächtigung des Bundes für die Öffnung der Regeln der Insolvenzantragspflicht. Dann wäre nicht jedes Mal ein Bundestagsbeschluss erforderlich – nach einem zeitraubenden Gesetzgebungsverfahren. Stattdessen würde eine Regelung eingeführt, wonach bei höherer Gewalt räumlich und zeitlich begrenzt eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht möglich ist und beispielsweise durch eine Landesregierung beschlossen werden kann. Auf diese Weise sei eine schnelle Reaktion auf Katastrophen möglich und eine Rechtsunsicherheit werde vermieden. Denn grundsätzlich gilt eine Drei-Wochen-Frist für die Stellung eines Insolvenzantrages bei Zahlungsunfähigkeit. Wenn diese Frist verstreicht, kann es für den Geschäftsführer teuer werden, denn es geht unter Umständen um große Summen für die er persönlich haftet.

Hilfe für Unternehmer

Um betroffenen Unternehmen eine schnelle Hilfestellung anzubieten, haben Falkensteg, Heuking Kühn Lüer Wojtek, die Creditreform und die sy.con GmbH eine Website (www.fluthilfe-unternehmen.de) erarbeitet, die eine Sammlung von wichtigen Informationen beinhaltet. Zudem bieten die Experten auch am Freitag, 6. August, ab 15 Uhr eine Online-Sprechstunde an.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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