Geschäftsanteile formlos übertragen − ja, bitte!

Ein Plädoyer für die Formfreiheit von Geschäftsanteilsübertragungen

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Um einen GmbH-Geschäftsanteil abzutreten, benötigt man einen Notar, nicht hingegen für die Abtretung von Aktien und Anteilen an Personengesellschaften oder der GmbH vergleichbaren ausländischen Rechtsformen, wie etwa der britischen Ltd. Es ist Zeit für eine Gleichbehandlung und eine Befreiung der GmbH vom Formzwang.

Anders als Aktien oder auch Beteiligungen an einer Personengesellschaft, sei es an einer GbR, einer OHG oder einer KG, deren Übertragung ­keinem gesetzlichen Formerfordernis untersteht, bedarf die Abtretung von GmbH-­Geschäftsanteilen ebenso wie eine auf eine solche Abtretung gerichtete Verpflichtung ­eines Gesellschafters der notariellen Form, § 15 Abs. 3, 4 GmbHG. Gleiches gilt für die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), die als Mini-GmbH den gleichen Regeln unterliegt. Die UG (haftungsbeschränkt), die als Alternative zur zuvor im Trend liegenden, da flexibleren Rechtsform der britischen ­Limited durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 eingeführt worden war, hat vor ­allem in Existenzgründerkreisen Zuspruch gefunden und damit die Limited verdrängt.

Widersprüchliche Beschränkung der Fungibilität

Für die Übertragung von Geschäftsanteilen an einer Limited gibt es nach englischem Recht keine Formvorschriften. Der MoMiG-Gesetzgeber hat sich jedoch nicht dazu durchringen können, die Bestimmungen des § 15 Abs. 3, 4 GmbHG abzuschaffen, auch wenn dies schon seinerzeit vielfach gefordert worden war. Gerade in der heutigen digitalen Zeit erscheint das Beurkundungserfordernis für Geschäftsanteils­abtretungen als Fremdkörper. Ausgerechnet die am häufigsten verwandte Rechtsform der GmbH wird hierdurch in ihrer Fungibilität beschränkt, obwohl die ebenfalls durch das MoMiG eingeführte Stückelung in 1-EUR-Geschäftsanteile und die ­Zulässigkeit der gleichzeitigen Übernahme mehrerer Geschäftsanteile deren Fungibilität erhöhen sollten.

Warum die Ungleichbehandlung?

Kann es einen Grund dafür geben, weshalb die GmbH formal strenger als die AG oder eine Personengesellschaft behandelt wird? Als Sinn und Zweck der Vorschrift wird die Erschwerung des auf Gewinn ausgerichteten spekulativen Handels mit GmbH-­Geschäftsanteilen genannt. Auch soll die Regelung der Beweissicherung der Anteilsinhaberschaft dienen sowie mögliche Unge­wissheiten bei einem Mitgliedschaftswechsel ausschließen. Auch nach der ­Gesetzesbegründung des MoMiG soll die notarielle Form des § 15 Abs. 3 GmbHG nur ein Hemmnis für die freie Übertragbarkeit der Geschäftsanteile schaffen, nicht jedoch (und dies ist einhellige Ansicht) verfolgt sie eine Warnfunktion oder den Schutz des Veräußerers.

Dem Zweck der Einschränkung der freien Übertragbarkeit dient aber, so wie für Namens­aktien § 68 Abs. 2 AktG, die Regelung vom § 15 Abs. 5 GmbHG, wonach durch den Gesellschaftsvertrag die Abtretung der Geschäftsanteile von der Genehmigung der Gesellschaft abhängig gemacht werden kann, ohne welche die Geschäftsanteilsabtretung dinglich unwirksam wäre. Dem weiteren Zweck der Beweissicherung wird ebenfalls bereits durch die Gesellschafterliste Rechnung getragen, die nach § 40 GmbHG (auch eine durch das MoMiG eingeführte Regelung) unverzüglich nach Wirksamwerden jeder Veränderung in der Person der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung von den Geschäftsführern bzw., soweit ein Notar hieran mitgewirkt hat, durch diesen beim Handels­register einzureichen ist. Verstoßen Geschäftsführer gegen diese Pflicht, haften sie nach § 40 Abs. 3 GmbHG denjenigen, deren Beteiligung sich geändert hat, und auch den Gläubigern der Gesellschaft für den daraus entstandenen Schaden als ­Gesamtschuldner. Nach § 16 GmbHG vermittelt die Gesellschafterliste überdies Gutglaubensschutz, da hiernach im Verhältnis zur Gesellschaft nur derjenige als Gesellschafter gilt, der in der Gesellschafterliste eingetragen ist; auch ermöglicht dies nach § 16 Abs. 3 GmbHG sogar den ­Erwerb vom Nichtberechtigten, sofern die Liste nicht weniger als drei Jahre unrichtig war und dies dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist. Mit anderen Worten: Die § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG zugerechneten Zwecke werden bereits ausreichend durch andere Regelungen des GmbH-Rechts erfüllt. Der Formzwang ist obsolet.

Rechtsunsicherheit wegen Beurkundungspraxis

Das Festhalten an diesen Formvorschriften führt in der Praxis nicht zu größerer Rechtssicherheit, sondern im Gegenteil zu vermehrter Rechtsunsicherheit bzw. zu überzogenen Beurkundungen und damit zu unnötigen Notarkosten: Denn werden Options- und Mitnahmerechte bzw. Mitveräußerungspflichten, wie bei Investments üblich, in einem Beteiligungsvertrag erfasst, erstreckt sich das Beurkundungserfordernis allein schon wegen der Einheit der Vertragsgestaltung auf sämtliche vertragliche Regelungen. Dem kann zwar durch eine ­andere Vertragsstruktur, nämlich die Platzierung dieser Regelungen in der Satzung begegnet werden, wodurch der privatschriftliche Abschluss eines Beteiligungsvertrags möglich wird. Dies sieht so auch das GESSI-Vertragsmuster für eine Finanzierungsrunde vor. Gleichwohl werden in der Gestaltungspraxis diesbezüglich nach wie vor Bedenken mangelnder Rechts­sicherheit erhoben. Sie stützen sich meist auf den sogenannten Vollständigkeitsgrundsatz, wonach sich eine Form­vorschrift auch auf als solche formfreien ­Geschäfte erstrecken soll, wenn sie nach dem Willen der Parteien „miteinander stehen und fallen“ sollen. Dieser Grundsatz wurde aber vom BGH für eine ganz andere Fallkonstellation entwickelt, nämlich für die für Grundstücksgeschäfte geltende Formvorschrift des § 311b BGB, um deren Umgehung zu vermeiden. So ist auch der Bauträgervertrag beurkundungsbedürftig, wenn durch ihn bereits ein mittelbarer Zwang zur Veräußerung oder zum Erwerb eines Grundstücks herbeigeführt wird. Anders als § 311b BGB verfolgt aber § 15 Abs. 4 GmbHG keinen Beratungs- oder Warnzweck.

Formfreiheit als „Game Changer“

Die Bundesregierung hat mit dem geplanten Zukunftsfinanzierungsgesetz eine weitere Erleichterung vor allem des Start-up-Bereichs, darunter auch der Mitarbeiterbeteiligung im Auge – dies zu Recht. Insoweit wäre die Abschaffung von § 15 Abs. 3, 4 GmbHG ein wirklicher „Game Changer“, da damit die GmbH von den entsprechenden Formerschwernissen befreit und eine Gleichbehandlung mit Aktien und Anteilen an Personengesellschaften erreicht würde. Sachwidrige Ungleichbehandlungen würden damit vermieden und die Attrak­tivität der GmbH gesteigert.

FAZIT

Insbesondere bei der Mitarbeiterbeteiligung in „echter“ Form ist nicht einsichtig, weshalb eine indirekte Beteiligung über eine UG (haftungsbeschränkt)/GmbH & Co. KG oder auch eine GbR keiner notariellen Form ­bedarf, hingegen die ­direkte Beteiligung an der GmbH sehr wohl. Hinzu kommt, dass nach herrschender, allerdings streitiger Ansicht das Formerfordernis sogar für die Verpflichtung zur Übertragung von Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft gelten soll, wenn diese eine gleiche Struktur wie eine GmbH aufweist. Der Zweck, den Handel mit ­Geschäftsanteilen zu ­verhindern, darf ­jedoch ausländischen Rechtsordnungen nicht aufgezwungen werden und dürfte im Übrigen auch im grenzüberschreitenden Verkehr gegen die Kapitalverkehrsfreiheit aus Artt. 63, 64 AEUV verstoßen. Im Gegenteil sollte der Vergleich zu entsprechenden ausländischen Rechtsformen, die eine formfreie Übertragung einer Beteiligung gestatten, dazu motivieren, die sachlich nicht begründbare Beurkundungspflicht abzuschaffen und die damit verursachten Kosten zu vermeiden.

Dieser Beitrag erscheint im aktuellen Jahresspecial Corporate Finance Recht Anfang April.

Autorenprofil
Dr. Wolfgang Weitnauer

Dr. Wolfgang Weitnauer ist Partner der Kanzlei Weitnauer Partnerschaft mbB. Er berät schwerpunktmäßig Beteiligungsgesell­schaften und junge Technologieunter­neh­men in allen rechtlichen Themen von Finan­zie­rungsrunden und bei Verkaufstrans­ak­tionen.

 

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