Gemeinschaftsprognose sieht „schwarz“ für die Wirtschaft

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Die krisenhafte Zuspitzung auf den Gasmärkten belastet die deutsche Wirtschaft nach Angaben der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute schwer. Die stark gestiegenen Gaspreise würden die Energiekosten drastisch erhöhen. Dies führe zu einem massiven Kaufkraftentzug. In ihrer Gemeinschaftsprognose gehen die Institute nun davon aus, dass trotz eines Rückgangs in der zweiten Jahreshälfte das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 1,4% wachsen werde. Für das kommende Jahr erwarten die Institute für das Bruttoinlandsprodukt im Jahresdurchschnitt einen Rückgang um -0,4% und für das Jahr 2024 dann wieder einen Anstieg um 1,9%. Die sogenannte Gemeinschaftsdiagnose wird zweimal im Jahr im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz erstellt. Am Herbstgutachten 2022 haben das ifo Institut, Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel), Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung mitgewirkt.

Institute halbieren ihre Prognose

Die Institute halbieren damit annähernd ihre im Frühjahr aufgestellte Prognose für dieses Jahr. Für das kommende Jahr senken sie ihre Prognose von 3,1% auf –0,4%. In dieser Revision zeigt sich nach den Autoren des Gutachtens das große Ausmaß der Energiekrise. Die Experten rechnen damit, dass die Wirtschaftsleistung im laufenden und kommenden Jahr insgesamt um 160 Mrd. EUR niedriger ausfallen werde, als noch im Frühjahr zu erwarten war. Die Inflationsrate dürfte sich in den kommenden Monaten weiter erhöhen. Für das Jahr 2023 wird mit 8,8% Prozent Teuerungsrate gerechnet, die nochmals leicht über dem Wert des laufenden Jahres von 8,4% liegen dürfte. Erst im Jahr 2024 könne die eigentlich angestrebte 2-Prozent-Marke allmählich wieder erreicht werden.

Energiekrise als Auslöser

Der Grund für die Verschlechterung der konjunkturellen Aussichten durch die Wirtschaftsforschungsinstitute seien vor allem die reduzierten Gaslieferungen aus Russland. Mit ihnen sei ein erheblicher Teil des Gasangebots weggefallen und auch das Risiko gestiegen, dass die verbleibenden Liefer- und Speichermengen im Winter nicht ausreichen werden, um die Nachfrage zu decken. Die Unternehmen hätten bereits damit begonnen, ihren Gasverbrauch spürbar einzuschränken. Auch wenn die Institute für den kommenden Winter bei normalen Witterungsbedingungen mit keiner Gasmangellage rechnen, so bleibe die Versorgungslage äußerst angespannt. Mittelfristig dürfte sich die Lage zwar etwas entspannen, dennoch dürften die Gaspreise deutlich über Vorkrisenniveau liegen. Dies bedeute für Deutschland einen permanenten Wohlstandsverlust.

„Der russische Angriff auf die Ukraine und die daraus resultierende Krise auf den Energiemärkten führen zu einem spürbaren Einbruch der deutschen Wirtschaft. Die hohen Energie- und Lebensmittelpreise, die im kommenden Jahr weiter ansteigen dürften, sorgen für deutliche Kaufkraftverluste. Sowohl einkommensschwache Haushalte als auch Unternehmen sind deshalb auf weitere Unterstützung der Politik angewiesen. Bei den Unternehmen ist allerdings darauf zu achten, dass es nicht zu dauerhaften Subventionen kommt“, erklärt Torsten Schmidt, Konjunkturchef des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und Sprecher der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose.

60 Prozent schränken sich beim Einkauf ein

Angesichts der steigenden Energiepreise und der hohen Inflation verändert sich das Einkaufsverhalten derzeit massiv. So zeigt eine aktuelle, vom Handelsverband Deutschland (HDE) in Auftrag gegebene Umfrage, dass sich 60% bereits beim Einkaufen einschränken. Knapp über 70% kaufen aus Sorge vor künftigen Kosten weniger oder günstiger als sonst ein. Der HDE fordert die Berücksichtigung der Branche in den Hilfsprogrammen der Bundesregierung. „Die Konsumstimmung ist seit Monaten im Keller, die Kundinnen und Kunden sind mit Blick auf die großen Unsicherheiten bei Energie und Preisen sehr zurückhaltend“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Die im Auftrag des HDE unter Verbraucherinnen und Verbrauchern durchgeführte repräsentative Studie mache deutlich, wie groß die Verunsicherung ist. So machten sich zwei Drittel der Befragten angesichts der anstehenden Rechnungen für Strom und Wärme große Sorgen. 60% geben laut der Studie an, beim Lebensmittelkauf verstärkt Sonderangebote zu nutzen, 46% verzichten auf den Kauf bestimmter Produkte und knapp ein Drittel kauft insgesamt geringere Mengen.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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