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Für die Zukunft gewappnet?

Ein Zuwachs an Insolvenzen ist derzeit nicht zu sehen. Allerdings befürchten Experten, dass die Zukunft für deutsche Mittelständler nicht mehr ganz so rosig aussehen könnte. Die Unternehmeredition fragte nach.

Die Unternehmensinsolvenzen befinden sich in Deutschland auf einem Rekordtief. Läuft es wirklich so gut oder trügt der Schein?

Arndt Geiwitz, Partner, Schneider, Geiwitz & Partner

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Die Unternehmensinsolvenzen befinden sich seit Jahren auf stetig sinkendem Niveau und in der Tat derzeit auf einem Rekordtief. Grund für diese Situation ist einerseits die allgemein positive Wirtschaftslage in Deutschland und der unseren Export fördernde niedrige Kurs des Euros. Ein weiterer Grund sind die vereinfachten Zugänge zu Fremdkapital und Mezzaninfinanzierungen, die aber teilweise zu doch sehr fragwürdigen Investitionsentscheidungen in den letzten Jahren geführt haben.


Wolfgang Schmidt-Gorbach, Managing Partner, optegra GmbH & Co. KG

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Auf der einen Seite läuft es für die meisten Unternehmen tatsächlich gut: Die stabile Binnenkonjunktur zusammen mit niedrigen Zinssätzen lassen die Gewinne sprudeln. Ein Rückgang der wirtschaftlichen Dynamik durch die nächste Krise oder steigende Zinsen werden zeigen, ob die jetzige Blüte nur ein Strohfeuer war. Nach einer Untersuchung von Creditreform vom Dezember 2015 hat beinahe jedes zehnte Unternehmen ein Negativmerkmal, erscheint also anfällig. Ich hoffe, dass wir nicht wieder die Rekordzahlen aus den frühen 2000er-Jahren erreichen.


Christian Nicolas Bächstädt, Managing Partner, ACXIT Capital Partners

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Die wichtigsten Gründe für dieses Rekordtief sind die stabile konjunkturelle Entwicklung, niedrige Rohstoffpreise und der einfachere und günstige Zugang zu Finanzierungen. Diese Bedingungen täuschen allerdings oft über Managementfehler und überkommene Geschäftsmodelle hinweg. Neben Risiken wie der schwächelnden Konjunktur in China, einem etwaigen Bexit sowie der Schuldenkrise wird insbesondere das billige Geld zu einem bösen Erwachen führen. Wir befürchten eine hohe Liquidationsquote bei zukünftigen Insolvenzen, weil nicht rechtzeitig restrukturiert wurde.Ein Zuwachs an Insolvenzen ist derzeit nicht zu sehen. Allerdings befürchten Experten, dass die Zukunft für deutsche Mittelständler nicht mehr ganz so rosig aussehen könnte. Die Unternehmeredition fragte nach.

Der technologische Fortschritt bedeutet für viele Unternehmen eine große Umstellung. Ist der Mittelstand dafür gewappnet?

Arndt Geiwitz, Partner, Schneider, Geiwitz & Partner

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Die Digitalisierung, Industrie 4.0 sowie ein verändertes Konsumentenverhalten werden Deutschland in den nächsten Jahren vor große Herausforderungen stellen. Deutsche Technologie, die sich durch ihren Perfektionismus weltweite Anerkennung verdient hat, wird sich zukünftig zunehmend einer aus dem Amerikanischen kommenden pragmatischen 80-Prozent-reichen-aus-Philosophie konfrontiert sehen. Immer kürzer werdende Produktlebenszyklen, E-Mobilität, autonomes Fahren, Big Data und komplett verändertes Statusempfinden jüngerer Konsumenten werden die deutsche Automobilindustrie und den Maschinenbau vor große Herausforderungen stellen. Ich glaube, dass der deutsche Mittelstand derzeit noch nicht ausreichend hierfür gewappnet ist.


Wolfgang Schmidt-Gorbach, Managing Partner, optegra GmbH & Co. KG

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Die Digitalisierung ist bei vielen kleinen und mittleren Unternehmen noch nicht in allen Bereichen angekommen. Anders als in den Produktionsabläufen ist in der Verwaltung noch viel Handarbeit und Papier zu finden. Ich denke, dass die Unternehmen gut beraten sind, wenn sie auch die Verwaltungsabläufe auf den „digitalen Prüfstand“ stellen. Die Konzerne machen es vor: Rechnungen sind digital vorzulegen, auf Papierrechnungen gibt es kein Geld mehr.


Christian Nicolas Bächstädt, Managing Partner, ACXIT Capital Partners

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Leider nur teilweise. Viele Unternehmen haben noch nicht realisiert, dass die Digitalisierung ihre komplette Wertschöpfungskette verändert und ihre Produkte und Dienstleistungen durch neue digitale Geschäftsmodelle substituiert werden. Andere haben ihre „Online“-Strategie noch nicht gefunden oder ihnen fehlt die Finanzkraft. Anderseits sehen wir viele M&A-Transaktionen, über welche sich klassische Mittelständler anorganisch digitale Kompetenz aneignen. So wurden die zehn größten deutschen Start-ups 2015 mit 3,6 Mrd. US-Dollar an Risiko- und Wachstumskapital ausgestattet.Ein Zuwachs an Insolvenzen ist derzeit nicht zu sehen. Allerdings befürchten Experten, dass die Zukunft für deutsche Mittelständler nicht mehr ganz so rosig aussehen könnte. Die Unternehmeredition fragte nach.

Begegnen Unternehmer Krisen heute offensiver als noch vor Jahren?

Arndt Geiwitz, Partner, Schneider, Geiwitz & Partner

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Krise ist seit den Staats- und Großbankenpleiten definitiv salonfähiger geworden, wenngleich ich mir einen deutlich konstruktiveren und weniger klischeebehafteten Umgang mit den Krisen und Insolvenzen von Unternehmen wünschen würde. Wir brauchen aber Mut zu einer Fresh-Start-Philosophie, weil wir ansonsten den zunehmenden Geschwindigkeiten und neuen Technologien nicht gerecht werden. Wir brauchen also in Deutschland ein grundsätzlich anderes kulturelles Verständnis von Scheitern im beruflichen Leben und einen professionelleren Umgang aller Beteiligten mit Krisen- und Insolvenzszenarien. Andererseits möchte ich auf keinen Fall damit sagen, dass wir deshalb deutsche Kaufmannseigenschaften und seriöses Handeln infrage stellen dürfen.
Arndt Geiwitz


Wolfgang Schmidt-Gorbach, Managing Partner, optegra GmbH & Co. KG

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Nein, das Thema „Krise“ ist nach meiner Wahrnehmung für viele Unternehmer immer noch ein Tabu. Dabei ist der Boom eigentlich nur der positive Gegenpunkt zwischen zwei Krisen. Sich mit schwierigen Unternehmenssituationen zu befassen, sollte eigentlich ein ganz normaler Zustand sein. Es ist zutiefst menschlich, zuerst zu versuchen, die Alarmzeichen zu verdrängen und darauf zu hoffen, dass es wieder besser wird. Leider geschehen Wunder selten, und ich wünsche mir, dass mehr Unternehmer die guten Zeiten nutzen, um Veränderungen vorzunehmen und damit ihr Unternehmen krisenfester zu machen.


Christian Nicolas Bächstädt, Managing Partner, ACXIT Capital Partners

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Grundsätzlich hat eine – durch das ESUG begünstigte – weitere Professionalisierung der Krisenbewältigung stattgefunden. Im Rahmen der Sanierungen werden durchschnittlich bessere Ergebnisse erzielt, und die Insolvenzanträge werden – wie vom Gesetzgeber gewollt – frühzeitiger gestellt. Allerdings verkaufen einige Berater die Eigenverwaltung als Allheilmittel, um „lästige Gläubiger“ loszuwerden, was nicht immer funktioniert.

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