„Fleiß, preußische Tugenden und ein Quäntchen Glück“

Das konnte sich Jörg Woltmann nicht vorstellen: 2005 drohte die Königliche Porzellan-Manufaktur, kurz KPM, in die Hand von ausländischen Investoren zu gehen. Da blutete dem gelernten Banker und waschechten Berliner das Herz. Eine Woche lang dachte er nach und besprach sich mit seiner Familie. Dann kaufte er eine der besten Porzellanmanufakturen der Welt. Im Interview spricht der unkonventionelle  Geschäftsmann über sein Alltagsgeschäft und Zukunftspläne.

Dann ist Ihnen das Unternehmen viel wert?

Es ist mir sehr viel Wert. Es geht mir nicht darum, schnell Profit zu machen. Wenn ich rein wirtschaftlich denken würde, würde das Unternehmen wirtschaftlich sehr viel besser dastehen. Aber ich habe sehr viel investiert, zum Beispiel in die KPM-Welt in Berlin am Tiergarten. Dort habe ich alles auf den neuesten Stand gebracht. Das kostet sehr, sehr viel Geld. Ich arbeite hin auf Nachhaltigkeit und Langfristigkeit.

Von so einem Liebhaber-Investor im Hintergrund können andere nur träumen: Gerade WMF hat etwa eine wechselhafte Investorengeschichte hinter sich.

Ja, aber das erfüllt mich auch mit einem gewissen Stolz. Ich sage immer scherzhaft: ich habe das einzige Unternehmen der

Woltmann im Büro seiner Manufaktur (© Königliche Porzellan-Manufaktur GmbH)
Woltmann im Büro seiner Manufaktur: Unter ihm hat sich das Unternehmen wieder auf seine Ursprungswerte besonnen. (© Königliche Porzellan-Manufaktur GmbH)

Welt, das vorher sieben Könige und Kaiser besessen haben (lacht).  

Bekommen Sie viele Übernahmeangebote?

Die gibt es, Anfragen kommen von Investoren von überall auf der Welt. Das Unternehmen zu Verkaufen kommt für mich aber auf keinen Fall in Frage.

Sie haben die Manufaktur entgegen den Ratschlägen Ihrer Berater übernommen. Ist das ein Beispiel dafür, dass mit der richtigen Einstellung jeder Turnaround gelingen kann?

Ja, wobei die KPM kein richtiger Sanierungsfall war. Ich musste nur mehr verkaufen. Durch die vielen Management-Wechsel fehlte eine klare Linie im Marketing und Vertrieb. Die Produkte waren noch nie ein Problem, die Manufakturisten haben immer hervorragend gearbeitet. Aber dadurch, dass die KPM ein Staatsbetrieb war, war der Druck zum Verkaufen auch nicht so stark gegeben. Themen wie Export wurden einfach nicht angegangen. Man braucht Fleiß, preußische Tugenden und ein Quäntchen Glück: Man muss die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt treffen.

Als Nachfolgemodell wollen Sie einen Kreis von Unternehmerfamilien finden, die  die KPM gemeinsam fortführen. Warum?

Ja, das ist eine Option. Vielleicht geht das Unternehmen auch in eine Familienstiftung über. Auf jeden Fall hat es große Strahlkraft. Dass es von nur einer Familie getragen wird, halte ich für sehr unwahrscheinlich. Es müssen viele Menschen hinter ihm stehen, die das Geschäftsmodell von KPM verstehen und auch bewahren wollen.

Sie beschäftigen auch mehrere Historiker, die Dekors und Geschichte der KPM erforschen. Allein das kostet mehrere hunderttausend Euro im Jahr…

Stimmt, da übernehme ich Aufgaben, die eigentlich dem Staat zufallen.

Wird Ihnen dieser Dienst an der Allgemeinheit gedankt?  

Von den Menschen schon, von der Politik eher weniger – von einem Bundesverdienstkreuz einmal abgesehen. Finanzielle Unterstützung erhalte ich überhaupt nicht. Dabei sind alle froh, dass ich durch den Kauf für die Kunden die Nachkaufgarantie gesichert habe: Denn in Berlin ist KPM sehr stark vertreten (lacht).


Zur Person

Jörg Woltmann (© Königliche Porzellan-Manufaktur GmbH)
(© Königliche Porzellan-Manufaktur GmbH)

Jörg Woltmann übernahm 2005 die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin GmbH von einem Investorenkonsortium um den Prinz von Preußen. Einzige Bedingung: Vom Land Berlin wollte er die ehemaligen Immobilien der Manufaktur zurückkaufen. So konnte sie sich nach und nach von ihren Schulden erholen. Woltmann führte die Manufaktur zurück zu ihren eigentlichen Stärken: Die Qualität und Einzigartigkeit ihrer Produkte. Mittlerweile wird die hochpreisige KPM-Ware in 16 Ländern vertrieben, darunter Aserbaidschan, Taiwan und die Vereinigten Arabischen Emirate. www.kpm-berlin.com 

Autorenprofil

Verena Wenzelis war bis Juli 2016 Redakteurin bei der Unternehmeredition.

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