„Viele haben mich für verrückt erklärt“

Jutta Kleinschmidt ist Deutschlands bekannteste Rallyefahrerin. Die Physikerin gewann das wichtigste Rennen der Welt. Immer noch ist sie im Motorsport aktiv, hält Motivationsseminare für Führungskräfte und testet Autos.

Frau Kleinschmidt, Sie waren die erste und sind bislang die einzige Frau, die die Rallye Paris-Dakar gewonnen hat. Zu Beginn fuhren Sie sogar mit dem Motorrad durch die Wüste. Wie kommt man denn als Frau zum Rallye-Sport?

Mein Weg war kein gewöhnlicher. Für mich war Motorradfahren ein Hobby, mich reizte das Abenteuer. Ich fuhr gerne im Gelände, schaute als Urlauberin bei der Rallye zu und war total fasziniert. Mein Motorrad baute ich dann in der Wohnung um, nahm meine Ersparnisse und meldete mich für die Rallye an.

Rallyefahren ist doch was für Männer…

Wieso denn das? Ich habe es nicht eingesehen, warum ich wegen des Geschlechts schlechter sein sollte. Leider fahren immer noch wenige Frauen. Vor allem in der Spitze ist der Sport von Männern dominiert. Deswegen gibt es nur wenige Frauen weltweit, die ein bedeutendes Rennen gewonnen haben.

Aber die Aufmerksamkeit für Frauen ist doch deutlich höher. Das müsste auch Sponsoren locken.

Für die Sponsoren mag das stimmen. Im Team selbst sieht es allerdings anders aus. Das beste Material zu bekommen ist extrem schwierig. Unter den Fahrern im Team gibt es immer einen Fahrer Nummer eins, meistens ist das der Mann. Das liegt vor allem am fehlenden Glauben, dass auch Frauen siegen können. Eine ganze Weile wird das auch noch so bleiben. Als ich gewann, war ich noch nicht mal Werks-, sondern Kundenfahrerin.

Sie halten viele Motivationsvorträge, was können Unternehmer von einer Rallyefahrerin lernen?

Ganz wichtig ist der Mut, etwas Neues zu machen. Das ist wird heute unterdrückt. Vor allem in Konzernen, in denen hierarchische Systeme noch sehr ausgeprägt sind, haben die Mitarbeiter Angst, Fehler zu machen. Man muss ihnen sagen und zeigen, dass Fehler nicht schlimm sind. Auch ich bin oft auf die Nase gefallen. Nur so kommt man voran. Macht man weiter, wird man dafür belohnt. Man muss lernen, Entscheidungen zu treffen, auch wenn man nicht ganz sicher ist.

Auch Sie begaben sich in Unsicherheit. Sie sind Physikern, hatten einen guten Job als Ingenieurin bei BMW und haben gekündigt – für eine ungewisse Zukunft. War das klug?

Das weiß man immer erst hinterher. Klar haben mich viele für verrückt erklärt. Finanziell war ich nicht gerade auf Watte gebettet. Ich habe meine Wohnung in München gekündigt, bin aufs Land gezogen. Nebenbei habe ich Geld mit Fahrertrainings und Vorträgen verdient. Meine Komfortzone habe ich sicherlich verlassen.

Sind Spitzensportler die besseren Manager?

Das würde ich nicht sagen. Ein Plus für Sportler ist die Motivation für die Sache. Sie müssen nicht mit vielen Extras zusätzlich motiviert werden. Jeder will einfach der Beste sein. Das obere Management muss man auch nicht motivieren. Sonst wären die Leute dort nicht hingekommen. Im mittleren Management sieht das schon anders aus.

Was war denn Ihr größtes Abenteuer neben der Rallye Paris-Dakar?

Das Race Across America, ein Nonstop-Fahrradrennen mit Joey Kelly. 5000 Kilometer von der Ost- bis zur Westküste. Einer saß immer auf dem Rad. In 8,5 Tagen sind wir quer durch die USA geradelt. Das ist jetzt zehn Jahre her.

Kurzprofil Jutta Kleinschmidt

Geboren: 1962

Beruf: Rallyefahrerin, Physikerin, Buchautorin, Keynote Speakerin

Hobbys: Helikopterfliegen, Technik, Abenteuer

Größter Erfolg: Siegerin Rallye Paris-Dakar 2001

Autorenprofil

Tobias Schorr war von März 2013 bis Januar 2018 Chefredakteur der "Unternehmeredition". Davor war er für die Gruner + Jahr Wirtschaftsmedien im Ressort Geld als Redakteur tätig. Von 2003 bis 2007 arbeitete er zunächst als Redakteur, dann als Ressortleiter beim Mittelstandsmagazin "Markt und Mittelstand". Sein Handwerk lernte er an der Axel Springer Journalistenschule.

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