ESG-Kriterien gewinnen an Bedeutung in Verkaufsprozessen

Notwendiges Übel oder Chance zur Positionierung des eigenen Unternehmens?

ESG-Faktoren haben in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen, da sie Risiken mindern und die langfristige Wertschöpfung fördern.
Foto: © Deemerwha studio - AdobeStock

Verkaufsprozesse waren für alle Beteiligten auch bislang mit einem hohen Aufwand und Ressourceneinsatz verbunden. In den letzten Jahren kam in der Due Diligence zu den bereits bekannten Bereichen wie Finanzen, Steuern, Recht und Commercial auch noch die Überprüfung der sogenannten ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Governance) hinzu, die von vielen Unternehmern, aber auch Investoren anfangs eher als notwendiges Übel aufgefasst wurde. Mittlerweile hat sich jedoch ein signifikanter Paradigmenwechsel in der Welt der M&A-Transaktionen vollzogen, da ESG-Faktoren immer stärker an Bedeutung gewonnen haben.

ESG-Kriterien werden mittlerweile von einer zunehmenden Anzahl an Investoren nicht nur als lästiger Teil der Due Diligence, sondern auch als integraler und weitreichender Bestandteil ihrer Investitionsentscheidung gesehen. Dieser Trend spiegelt zum einen die wachsende gesellschaftliche und regulatorische Betonung der Nachhaltigkeit und sozialen Verantwortung wider, die sich nun auch in einer darauf ausgerichteten Investitionsstrategie vieler Investoren wiederfindet, zum anderen auch in einer höheren Rendite bei ESG-konformen Investments, wie sie ­beispielsweise aus der Performance des S&P 500 ESG deutlich wird.

Die Bedeutung von ESG in Verkaufsprozessen

ESG-Faktoren haben in den letzten Jahren in M&A-Transaktionen erheblich an Bedeutung gewonnen – und das aus guten Gründen:

  1. Risikominderung: ESG-Risiken, sei es durch Umweltauswirkungen, soziale Bedenken oder Governance-Probleme, können erhebliche finanzielle Auswirkungen haben. Berücksichtigen Unternehmen diese Risiken in M&A-Transaktionen nicht angemessen, laufen sie Gefahr, langfristige Schäden zu erleiden, die über die im Verkaufsprozess üblichen Garantien auch zu einem späteren Zeitpunkt noch auf die Verkäufer zurückfallen können.
  2. Zugang zu Kapital: Investoren sind zunehmend bestrebt, ihr Kapital in nachhaltige Unternehmen zu investieren. Dies betrifft nicht nur börsennotierte, sondern auch mittelständische Unternehmen, da auch für Private-Equity-Fonds ein Fundraising ohne Berücksichtigung von ESG-Kriterien deutlich erschwert ist. Durch die Integration der ESG-Faktoren in ihre M&A-Strategie können Unternehmer leichter auf Kapitalquellen zugreifen und von niedrigeren Finanzierungskosten profitieren.
  3. Reputation und Kundenbindung: Eine nachhaltige M&A-Transaktion kann die Reputation eines Unternehmens stärken und die Bindung von Kunden fördern, die selbst ESG-Werte schätzen. Dies kann langfristig auch die Kundenloyalität steigern. Demgegenüber kann der Erwerb eines nicht oder kaum ESG-konformen Unternehmens große Risiken für den Erwerber beinhalten, sollten dadurch negative „Spill- over-Effekte“ auf dessen sonstige Aktivitäten entstehen.

Integration von ESG in den Verkaufsprozess

Um ESG erfolgreich in Verkaufsprozesse zu integrieren, sollten Unternehmen daher einen umfassenden, aktiven Ansatz verfolgen, der ESG-Aspekte über die verschiedenen Phasen des Verkaufsprozesses berücksichtigt:

  1. Vorbereitung/Ansprache: ESG-Aspekte wie Umweltauswirkungen, soziale Verantwortung und Governance sollten hier gründlich analysiert und aktiv kommuniziert werden. Nach einer bewussten Auseinandersetzung mit dem Thema wird oft festgestellt, dass deutlich mehr ESG-Kriterien bereits erfüllt werden als ursprünglich angenommen, da viele der Kriterien nicht neu sind, sondern schon immer integraler Bestandteil guten Unternehmertums waren. Wichtig ist ebenfalls, den Status quo der ESG-Bemühungen branchenspezifisch in den Kontext zu setzen, da ein hoher ESG-Score für Industrieunternehmen deutlich schwerer zu erreichen ist als für eine Softwarefirma, sowie mögliche Mitigationsstrategien und Verbesserungspotenziale ausgehend vom Status quo aufzuzeigen.
  2. Due-Diligence-Phase: In dieser Phase der M&A-Transaktion werden weitere Informationen zu ESG-Kriterien zur Verfügung gestellt. Wie in den anderen Due-Diligence-Strängen auch ist hier eine saubere Überprüfbarkeit der in Phase eins kommunizierten ESG-Kriterien zur Sicherstellung eines optimalen Verkaufsprozesses nötig.
  3. Bewertung: ESG-Faktoren können die langfristige finanzielle Performance eines Unternehmens beeinflussen und sollten daher in den Bewertungsprozess einbezogen werden. Verkäufer und Käufer können ESG-bezogene Abschläge oder Aufschläge in ihre Preisgestaltung integrieren, um Risiken und Chancen angemessen zu berücksichtigen. Durch die Erfüllung verschiedener Stufen an ESG-Kriterien (Ausschluss bestimmter Branchen/Unternehmen, ESG-Konformität, Impact Investing) werden neue Investorengruppen erschlossen und somit die Wettbewerbsintensität im Verkaufsprozess erhöht.
  4. Integrationsstrategie: Die erfolgreiche Integration des erworbenen Unternehmens erfordert die Anpassung von Kulturen und Geschäftspraktiken. Die Berücksichtigung von ESG-Werten in dieser Phase kann die Integration reibungsloser gestalten und das langfristige Wachstum fördern. Dies kann die Einbindung von ESG-Kennzahlen in die Performancemessung und die Definition von nachhaltigen Zielen umfassen.
  5. Kommunikation und Berichterstattung: Nach der Transaktion ist es entscheidend, ESG-Verbesserungen zu kommunizieren und in den Berichterstattungsprozess zu integrieren. Dies trägt zur Schaffung von Vertrauen bei Investoren und Stakeholdern bei und hilft, langfristige Verpflichtungen in Hinblick auf Nachhaltigkeit zu kommunizieren.

FAZIT

ESG-Faktoren spielen in M&A-Transaktionen eine immer wichtigere Rolle und werden voraussichtlich auch weiter an Bedeutung gewinnen. Durch die erfolgreiche Integration dieser Faktoren in den M&A-Prozess können Verkäufer langfristigen Erfolg erzielen, die Bewertung des Unternehmens steigern und die Transaktionssicherheit erhöhen. Dies erfordert eine ganzheitliche Strategie, die von der Analyse über die Marktansprache und Due Diligence bis zur Integration und Berichterstattung reicht. Nur so können Unternehmen die Chancen nutzen und die Risiken minimieren, die mit ESG in Verkaufsprozessen verbunden sind.

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 3/2023 mit Schwerpunkt “Unternehmensverkauf” erschienen.

Autorenprofil
Sebastian Bauch
Sebastian Bauch

Sebastian Bauch ist Managing Director bei Argonas Corporate Finance und berät Mandanten insbesondere bei M&A-Projekten. Vor Argonas war er unter anderem für KPMG und IEG tätig.

Vorheriger Artikel„Das Lebenswerk bleibt erhalten“
Nächster ArtikelDUAL M&A: Thomas Voss neuer Head of Tax Europe