Es befindet sich seit einiger Zeit eine Entwicklung auf dem Vormarsch – und noch lange ist kein Ende in Sicht. Bei künstlicher Intelligenz lassen sich fast schon im Minutentakt Leistungssprünge ausmachen, die noch vor einigen Jahren so nicht denkbar gewesen wären.
Anders als etwa Computer, das Internet oder die Automatisierung der Produktion, ist KI nicht an Maschinen zur Übernahme bestimmter Tätigkeiten gekoppelt, sondern an Denkprozesse. Damit betrifft sie den Kern der Führung. Für den Mittelstand bedeutet das einen riesigen Einschnitt. Bei Entscheidern herrscht daher zum einen Neugier beziehungsweise Staunen über die Möglichkeiten, zum anderen aber auch Skepsis. Denn KI verändert, wie Entscheidungen entstehen, wie Verantwortung verteilt wird und wie Organisationen gesteuert werden. Daher lautet die Frage längst nicht mehr, ob künstliche Intelligenz den Führungsalltag beeinflusst, sondern wie radikal. Inzwischen agiert KI sogar proaktiv, analysiert und entwirft schneller und präziser als ein Team von Menschen.
Erkennbarer Wandel auf mehreren Ebenen
Im Zuge der skizzierten Entwicklungen verändert sich die Rolle von Führung grundlegend. Alleinige Entscheider gehören der Vergangenheit an. Führung umfasst im Wesentlichen drei zentrale Rollen. Aus dem Entscheider geht der Kurator hervor – er muss lernen, aus einer Flut an Ideen, Prognosen und Strategien die richtigen auszuwählen. Der Controller wird zum Gestalter. Er setzt Leitplanken, um Risiken zu erkennen und bewusst Entscheidungen zu gestalten. Letztlich gibt es noch die Veränderung vom Ideenlieferanten zum Sinnstifter.
Das bedeutet, dass Kreativität zwar nicht mehr exklusiv menschlich ist, aber der Mensch weiterhin Richtung, Haltung und Werte vorgibt. Alle drei Rollen machen deutlich, dass Führungskräfte KI führen müssen – oder es läuft andersherum. Auch Entscheidungsprozesse erfahren durch künstliche Intelligenz elementare Veränderungen. Statt Bauchgefühl liefern Datenanalysen eine objektive Basis, Investitionen lassen sich auf Wahrscheinlichkeiten stützen. Somit werden Entscheidungen schneller, präziser und belastbarer.
Potenziale schier grenzenlos
Viele Führungskräfte haben die Chancen der neuen Entwicklungen längst erkannt – allerdings fühlen sich die wenigsten wirklich vorbereitet.1 Ebenso betreffen diese Veränderungen den Bereich HR. Systeme machen Potenziale aus, konstruieren individuelle Lernpfade und passen Weiterbildungsangebote an die Stärken und Bedürfnisse der Mitarbeitenden an. Für Führung bedeutet gerade letzteres, dass sich Verantwortliche mit den neuen Gegebenheiten auseinandersetzen müssen.
KI schafft neue Kapazitäten für Führungskräfte, die diese in Strategie und Mitarbeiterführung investieren können. Weitere Freiräume entstehen dadurch, dass viele Routineaufgaben verschwinden wie E-Mail-Management oder Meeting-Koordination. Gerade für mittelständische Unternehmen, die mit knappen Ressourcen arbeiten, ist das ein Segen. Das heißt also, dass es vor allem darum geht, auf die Veränderungen vorbereitet zu sein und Mehrwerte zu verstehen. Verhältnismäßig geringer Aufwand sorgt so für mehr Effizienz und höhere Attraktivität als Arbeitgeber.
Risiken und Nebenwirkungen
Zu dieser Reihe an großen Vorteilen gibt es allerdings auch eine Kehrseite: Mit künstlicher Intelligenz gehen leicht zu unterschätzende Risiken einher. Ein Stichwort ist Kontrollverlust. Entstehen Entscheidungen automatisiert, besteht die Gefahr, dass sich Führung schnell auf reines ‚Abnicken‘ reduziert. Formal behält der Mensch die Verantwortung, die Gestaltungsmacht wandert aber faktisch zur Maschine. Problematisch wird es auch, wenn ein Mangel an Richtlinien und rechtliche Unklarheiten vorherrschen. In der Realität existiert zudem Diskriminierung durch Algorithmen.
Wer keine Governance-Strukturen etabliert, riskiert Skandale und Vertrauensverlust. Zudem erleben Mitarbeitende den Einsatz von KI oft als Bedrohung, sie fragen sich ‚Werde ich ersetzt?‘. Nicht selten sorgt dieser Umstand für eine Art innere Kündigung. Der Schlüssel ist hier ehrliche Kommunikation. Für den Mittelstand hat es jetzt Priorität, vorbereitet zu sein, um nicht abgehängt zu werden. Am Ende geht es nicht nur um Wettbewerbsnachteile, Innovationslücken und Talentabwanderung, sondern auch darum, seine Rolle als Führungskraft nicht zu verspielen.





