Website-Icon Unternehmeredition.de

„Die Zinspolitik kommt uns schon sehr entgegen“

Der Auftragshersteller Vetter Pharma verfolgt seit Jahren eine offensive Investitionsstrategie. Der Standort Ravensburg wird genauso ausgebaut wie die Präsenz im größten Pharmamarkt USA. Im Interview erklärt Geschäftsführer Oliver Albrecht den Spagat zwischen einer fixen Eigenkapitalquote und einem limitierten Verschuldungsgrad.

Unternehmeredition: Herr Albrecht, Vetter investiert seit Jahren dreistellige Millionenbeträge in den Ausbau der Produktion. Wann und wieso haben Sie sich für dieses große Investitionsprogramm entschieden?

Oliver Albrecht: Die Entscheidung für die massiven Investitionen ist bereits 2012 gefallen und umfasst einen Planungszyklus von mehr als zehn Jahren. Um unsere Strategie zu verstehen, muss man wissen, dass unsere Branche ein sehr kapitalintensives Geschäftsmodell erfordert. Wir sind ein Auftragshersteller für die Pharmaindustrie, wir füllen Wirkstoffe in Spritzen, Vials und Karpulen ab und verpacken diese. Daneben helfen wir den Pharmaunternehmen auch bei der Entwicklung der Wirkstoffe sowie bei der Marktzulassung. Für diese Leistungen brauchen wir unter anderem eine ganze Reihe sogenannter Reinräume und damit eine große Infrastruktur.

Sie betätigen mit dem Investitionsprogramm einen ziemlich großen Hebel und hoffen auf ein starkes Wachstum. Was macht Sie da so optimistisch?

Wir sehen, dass der Bedarf für unsere Dienstleistungen stärker wächst als der globale Pharmamarkt. Wir bedienen eine bestimmte Nische, nämlich die Abfüllung vorwiegend biologischer Medikamente in Injektionsmittel. Diese werden weltweit vor allem in der Onkologie, bei Stoffwechselerkrankungen und bei Diabetes gebraucht. In dieser Teilbranche sind in den vergangenen Jahren immer mehr Unternehmen mit ihren Wirkstoffen in die Entwicklung und auf den Markt gekommen. Dadurch ist ein Engpass in der Abfüllung entstanden. Deshalb haben wir entschieden, auch unsere eigenen Kapazitäten auszubauen.

Für große Investitionen ist der Kapitalmarkt das Mittel der Wahl. Sie gehen als Familienunternehmen mit der Familie Vetter als Alleingesellschafter einen anderen Weg. Wie sieht Ihr Mix aus Eigen- und Fremdkapital aus?

Wichtig ist uns, dass wir unsere Eigenkapitalquote von rund 40 Prozent nicht unterschreiten, um unsere Bonität stabil zu halten. Auf der anderen Seite geht es darum, dass wir bei den hohen Investitionen einen gewissen Verschuldungsgrad nicht überschreiten.

Inwieweit kommt Ihnen die Zinspolitik entgegen?

Die Zinspolitik kommt uns generell bei unseren aktuellen und geplanten Investitionsvorhaben schon sehr entgegen. Darum haben wir beispielsweise entschieden, unser neues Verwaltungsgebäude in Ravensburg (Baubeginn: September 2017, Anmerkung der Redaktion) selbst zu bauen, statt Räume anzumieten. Das haben wir auch deshalb gemacht, weil wir es relativ günstig mit Fremdkapital finanzieren können.

Der Auftragshersteller Vetter Pharma verfolgt seit Jahren eine offensive Investitionsstrategie. Der Standort Ravensburg wird genauso ausgebaut wie die Präsens im größten Pharmamarkt USA. Im Interview erklärt Geschäftsführer Oliver Albrecht den Spagat zwischen einer fixen Eigenkapitalquote und einem limitierten Verschuldungsgrad.

Bei der Finanzierung setzten Sie verstärkt auf Schuldscheindarlehen sowie auf sogenannte syndizierte Kreditlinien. Wieso haben Sie sich für diese beiden Instrumente entschieden?

Mit unserer guten Bonität haben wir Zugang zu verschiedenen Finanzierungsquellen. Der syndizierte Kredit bietet sich bei einem größeren Kreditvolumen beziehungsweise einer längeren Kreditlinie an. Es gibt einen Kreditvertrag für alle Syndikatsbanken mit den gleichen Konditionen. Das sorgt für Transparenz zwischen den Banken und verringert für uns als Kreditnehmer den Aufwand. Die Schuldscheindarlehen sind ein sehr interessantes Instrument, um sich bankenunabhängig am Kapitalmarkt zu finanzieren. Auch hier ist der Aufwand überschaubar mit einer schlanken Kreditdokumentation. Daneben nutzen wir auch Förderdarlehen, zum Beispiel für Investitionen zugunsten der Energieeffizienz. Allerdings fallen wir mit unserer Größe bei den Fördertöpfen langsam durchs Raster.

Kürzlich haben Sie in einem Interview ein Umsatzziel von 1 Mrd. Euro angepeilt. Wann ist das realistisch?

Derzeit befinden wir uns ja im Kapazitätsausbau. Wenn das alles abgeschlossen ist und sich eingeschwungen hat, ist eine Milliarde erreichbar. Die Perspektive ist für uns rund um das Jahr 2025. Das basiert auf Marktanalysen und Kundenanfragen. Die Pharmabranche ist mit ihren langen Zulassungsverfahren und dem Patentschutz eher konservativ aufgestellt. Aufträge und Partnerschaften sind oft längerfristig ausgelegt, was die Planungssicherheit für alle Parteien erhöht.

Neuer Standort in Ravensburg: Vetter investiert jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag, um organisch zu wachsen.

Sie haben neben den Investitionen am Standort Ravensburg 2016 auch in den USA investiert und ein Grundstück im US-amerikanischen Des Plaines in der Nähe von Chicago gekauft. Wie stark hängt diese Entscheidung mit der Trump-Regierung zusammen?

Die Entscheidung, das Grundstück zu kaufen, haben wir schon vor der US-Wahl gefällt. Bislang können wir an einem anderen Standort nahe Chicago die klinische Abfüllung für Entwicklungsprojekte unserer Kunden durchführen. Auf dem neuen Grundstück wollen wir in absehbarer Zeit ein eigenes Produktionswerk errichten, um auch die industrielle Abfüllung direkt vor Ort anzubieten. Durch die US-Steuerreform wird das Ganze natürlich attraktiver. Die USA sind mit rund 60 Prozent Umsatzanteil schon heute der wichtigste Markt für uns.

Seit 2014 haben Sie auch in Asien sukzessive Vertriebsbüros aufgebaut. Wie hoch schätzen Sie hier das Potenzial für Vetter ein?

Wir haben mittlerweile drei Vertriebsbüros in Singapur, Japan und Südkorea bei einem Anteil von rund sechs Prozent unseres Gesamtumsatzes. Mit dem höheren Wohlstand in Asien gehen wir davon aus, dass auch dort die Nachfrage nach modernen, häufig biotechnologisch basierten Medikamenten deutlich zunimmt.

Der Auftragshersteller Vetter Pharma verfolgt seit Jahren eine offensive Investitionsstrategie. Der Standort Ravensburg wird genauso ausgebaut wie die Präsens im größten Pharmamarkt USA. Im Interview erklärt Geschäftsführer Oliver Albrecht den Spagat zwischen einer fixen Eigenkapitalquote und einem limitierten Verschuldungsgrad.

Inwieweit werden bei den neuen Produktionswerken Industrie 4.0-Anwendungen eingesetzt, um effizienter produzieren zu können?

Gerade in der Pharmaindustrie sind die Ansprüche sehr hoch, weil in die Wirkstoffe selbst und letztlich in die fertigen Medikamente absolut keine Keime gelangen dürfen. Deshalb ist in den Reinräumen der Mensch das größte Risiko. Wir investieren daher auch, um den Grad an Automatisierung und Robotik in der Produktion noch weiter zu erhöhen. Je maschineller so etwas abläuft, desto besser. Die Abfüllung ist der eine Teil der Wertschöpfung, der andere ist die Qualitätssicherung. Die Digitalisierung sorgt hier für noch effizientere Prozesse und zudem mehr Prozesssicherheit.

Hightech-Abfüllung von Medikamenten: In Zukunft werden vermehrt kleine Losgrößen nachgefragt.

Gibt es durch den technologischen Fortschritt auch kundenseitig neue Ansprüche, an die Sie Ihr Geschäftsmodell in Zukunft anpassen müssen?

Unsere größte Stärke ist unser Prozess-Know-how. Wir entwickeln gemeinsam mit unseren Kunden ganz unterschiedliche Wirkstoffe, die wir dann auch für sie abfüllen können. Diese Varianz haben die Pharmaunternehmen selbst oft nicht, deshalb kommen sie oftmals zu uns und machen es nicht selbst. In Zukunft müssen wir noch flexibler werden, weil weniger Blockbuster-Medikamente nachgefragt werden, sondern vermehrt kleine Losgrößen für individuelle Behandlungen. Da braucht es effiziente Prozesse und eine intelligente Logistik, um die Reinräume schnell umzubauen. Genau hier wollen wir auch weiter zu den Vorreitern gehören.

Die Pharmaindustrie ist für Investoren jeder Art interessant. Welche Rolle wollen Sie da spielen?

Gerade ist viel Bewegung im Markt, einige unserer Wettbewerber haben im vergangenen Jahr zugekauft. Auch Finanzinvestoren und Private Equity-Firmen sind ziemlich aktiv. Natürlich beobachten auch wir parallel den Wettbewerb und haben gute Kontakte zu Investmentbanken oder M&A-Beratern. Mit unseren Investitionen haben wir uns aber klar entschieden, weiter organisch zu wachsen.


Zur Person

Oliver Albrecht ist seit April 2015 Geschäftsführer der Vetter Pharma-Fertigung GmbH & Co. KG und unter anderem für den Bereich Finanzen verantwortlich. Er ist gelernter Bankkaufmann und absolvierte im Anschluss ein BWL-Studium. Vor seiner Zeit bei Vetter arbeitete Albrecht sowohl im Bankensektor als auch als Finanzvorstand bei verschiedenen Unternehmen aus der verarbeitenden Industrie.

In der Geschäftsführung sitzen neben Albrecht noch Thomas Otto und Peter Sölkner. Die Familie Vetter ist mit drei Mitgliedern im neunköpfigen Beirat vertreten, unter anderem mit Udo J. Vetter als Beiratsvorsitzendem, dessen Vater das Unternehmen 1950 gründete.
Heute erwirtschaftet Vetter mit seinen drei Geschäftsbereichen Development Service, Commercial Manufacturing und Packaging Solutions einen Jahresumsatz von rund 560 Mio. Euro. Das Familienunternehmen beschäftigt weltweit 4.300 Mitarbeiter, rund 3.500 davon an verschiedenen Standorten in Ravensburg. Das jährliche Wachstum liegt bei etwa zehn Prozent.

www.vetter-pharma.com

 

Die mobile Version verlassen