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„Das Risiko, nichts zu tun, ist größer“

Andreas und Daniel Sennheiser: Die beiden Brüder-CEOs sprechen über Wachstum in China und neue Begehrlichkeiten in den USA.

Andreas und Daniel Sennheiser: Die beiden Brüder-CEOs sprechen über Wachstum in China und neue Begehrlichkeiten in den USA.

Die Marke Sennheiser will sich nach zwei schwächeren Ertragsjahren erneuern. Eine Restrukturierung sowie ein neues Technologieprogramm sollen die Grundlage dafür sein. Im Interview erklären die beiden geschäftsführenden Gesellschafter Andreas und Daniel Sennheiser, warum gerade die Auslandsmärkte dafür entscheidend sind.

Unternehmeredition: Herr Sennheiser, mit Ihrem Technologieprogramm Ambeo haben Sie sowohl die ersten Produkte als auch Softwarelösungen im Bereich 3D-Audio auf den Markt gebracht. Können Sie schon erste messbare Erfolge verzeichnen oder brauchen Sie einen längeren Atem?

Daniel Sennheiser: Generell braucht man bei innovativen Sachen einen langen Atem, weil man schrittweise die Proof Points auf den Markt bringt und den Kunden so an das neue Erlebnis heranführt. Aktuell machen wir das für Ambeo beispielsweise mit einer Pink Floyd-Ausstellung in Dortmund. Parallel dazu bieten wir kundenfreundliche Produkte an − sowohl auf der Wiedergabe- als auch auf der Aufnahme- und Produktionsseite. Im Ambeo-Ökosystem werden wir Jahr für Jahr neue Produkte auf den Markt bringen.

Haben Sie ein Umsatzziel definiert, absolut oder relativ zum Gesamtumsatz?

Andreas Sennheiser: Das haben wir bewusst nicht definiert, da wir heute noch nicht wissen, wie genau dieses Ambeo-Ökosystem in Zukunft aussehen wird − also welche Produkte ein immersives Audioerlebnis schaffen, das das visuelle Erlebnis ergänzt. Gerade testen wir dieses Feld noch aus. Sobald wir merken, dass Mixed Reality oder Augmented Reality richtig abhebt, treten wir voll aufs Gas.

Neue, sogenannte True Wireless-Kopfhörer von Sennheiser: “Wir haben in diesem Jahr eine Lücke geschlossen.”

Wie viel Risiko steckt denn in so einem neuen Geschäftsfeld?

Andreas Sennheiser: Natürlich ist ein gewisses Risiko dabei. Allerdings glauben wir, dass das Risiko, nichts zu tun, größer ist. Wir wurden schon öfter gefragt, warum Sennheiser so früh auf etwas setzt, obwohl der Markt noch so klein ist. Unsere Antwort ist: Lassen Sie uns in zehn Jahren noch mal darüber reden. Wahrscheinlich stellt sich die Frage dann nicht mehr. Wenn man früh bei etwas dabei ist, ist das Einstiegsrisiko geringer. Sobald ein Markt schon gesättigt ist, sprich signifikante Absatzzahlen da sind, muss man sehr viel mehr Geld investieren, um überhaupt wahrgenommen zu werden.

Das ist Ihnen bei der Bluetooth-Technologie nicht gelungen, dort gelten Sie sogar als Nachzügler. Nichtsdestotrotz werben Sie gerade in diesem Segment mit neuen Produkten. Warum?

Daniel Sennheiser: Im Bereich Bluetooth haben wir tatsächlich in diesem Jahr eine Lücke geschlossen. Wir haben unser Bluetooth-Produktportfolio prozentual signifikant erhöht, da sich der Markt rasant entwickelt hat. Nun wollen wir wieder mehr Punkte als Innovationsführer sammeln.

Inwieweit zwingt Sie dabei der Markt, Bluetooth-Produkte zu entwickeln, weil das gerade ein Trend ist?

Daniel Sennheiser: Wie gesagt – das Entscheidende ist, dass man es richtig macht. Daneben zählt die Convenience für den Kunden. Und da ist kabellos der Formfaktor für die Zukunft. Wenn Sie einmal ohne Kabel unterwegs waren, dann wollen Sie auch in Zukunft keins mehr.

Die Marke Sennheiser will sich nach zwei schwächeren Ertragsjahren erneuern. Eine Restrukturierung sowie ein neues Technologieprogramm sollen die Grundlage dafür sein. Im Interview erklären die beiden geschäftsführenden Gesellschafter Andreas und Daniel Sennheiser, warum gerade die Auslandsmärkte dafür entscheidend sind.

Sie betonen bei den Ambeo-Entwicklungen die neuen Kooperationen oder Beteiligungen mit kleinen Spezialisten, wollen auch den Kunden stärker einbinden und insgesamt mehr im Netzwerk arbeiten. Steckt dahinter eine langfristige Strategie?

Andreas Sennheiser: Es ist mal so, mal so. Uns ist klar, dass Entwicklung in Zukunft nicht nur stand-alone funktioniert. Augmented Reality ist ein schönes Beispiel: Die Beteiligung an der Firma Dear Reality etwa ist ganz klar Teil der Ambeo-Strategie. Unser Start-up Sennheiser Streaming Technologies aus Hamburg hingegen war ursprünglich eine partnerschaftliche Technologieentwicklung, die wir dann übernommen haben. Mittlerweile ist das ein Team von 30 Leuten.

Welche M&A-Strategie steckt dahinter?

Daniel Sennheiser: Unsere M&A-Strategie zielt hauptsächlich darauf ab, Kompetenzen zu erweitern. Wir haben nicht das Ziel, Wettbewerber zu übernehmen, da Größe in diesem Bereich nicht entscheidend ist. Wenn wir einmal eine Firma übernehmen, wie zuletzt unseren Distributor in Österreich, dann geht es dabei eher um eine Nachfolgeregelung.

Kommen wir zurück auf Ambeo. Die Produkte sind durchschnittlich teurer als Ihr sonstiges Sortiment. Wollen Sie damit auch die Marge wieder anheben?

Andreas Sennheiser: Ambeo ist ganz klar premium. Ob dadurch automatisch der Margendruck geringer wird, können wir heute noch nicht sagen. Aber bei der Ambeo Soundbar sehen wir insbesondere auch Interesse von Produktionsgesellschaften beziehungsweise Filmstudios, die selbst Content produzieren und die optimale Situation für ihre Kunden abbilden wollen. Die Soundbar wünschen sie sich als Referenz für ihre Hörräume.

Aktuell ist die Marge recht dünn geworden – auch deshalb, weil sie 20 Mio. Euro in eine Restrukturierung gesteckt haben. Was wollten Sie damit bezwecken?

Daniel Sennheiser: Wir sind zwei Jahre im Wachstum unter unseren Erwartungen geblieben und haben deshalb eine Korrektur vorgenommen. Dafür haben wir übergreifende Funktionen wie Vertrieb, Marketing und Produktmanagement in den Organisationseinheiten zusammengeführt. Das war eine notwendige Fokussierung. Dieses Jahr sind wir wieder auf einem guten Wachstumskurs, deshalb hat sich für uns diese Investition ausgezahlt.

Könnten Sie generell damit leben, bei einem rückläufigen Umsatz einen höheren Ertrag zu erzielen?

Andreas Sennheiser: Wir verfolgen eine langfristige Wachstumsstrategie. Solange wir damit gutes Geld verdienen, sehe ich keinen Grund, davon abzuweichen.

Sie haben im Consumer-Bereich auch das Sortiment neu strukturiert beziehungsweise verkleinert. Was steckt da dahinter?

Andreas Sennheiser: Wir wollen unser Profil im Premium- und im High End-Bereich schärfen. 39 Euro für einen Kopfhörer möchten wir als Preispunkt langfristig nicht mehr bedienen. Vielmehr wollen wir in allen Kategorien bei der Qualität am oberen Ende sein. Wir definieren das als Mass Premium: Es geht uns neben dem Angebot für den audiophilen Connaisseur auch darum, ein Produkt hunderttausendfach zu verkaufen.

Die Marke Sennheiser will sich nach zwei schwächeren Ertragsjahren erneuern. Eine Restrukturierung sowie ein neues Technologieprogramm sollen die Grundlage dafür sein. Im Interview erklären die beiden geschäftsführenden Gesellschafter Andreas und Daniel Sennheiser, warum gerade die Auslandsmärkte dafür entscheidend sind.

Sie haben im vergangenen Jahr 180 Stellen gestrichen, gleichzeitig stellen Sie viele neue Leute ein. Suchen Sie heute andere Qualifikationen für das Unternehmen?

Andreas Sennheiser: Das kann man sagen, ja. Insbesondere im Bereich Forschung und Entwicklung ändert sich der Fokus von der Hardware hin zur Software. Von den derzeit 30 Stellenausschreibungen sind 26 im Kompetenzbereich Software.

Suchen Sie unabhängig vom Know-how auch andere Persönlichkeiten?

Daniel Sennheiser: Persönlichkeit spielt für uns eine große Rolle. Für uns zählt Haltung daher mehr als die Qualifikationen allein. Wir sehen, dass beispielsweise Millennials, die jetzt in den Beruf einsteigen, schon anders sind als die, die vor zehn Jahren ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Sie wollen auch flexibler arbeiten, und das passt zu dem, was wir wollen.

Produktion von Kopfhörern am Stammsitz in Wennebostel nahe Hannover: Rund die Hälfte der rund 2.800 Mitarbeiter arbeitet in Deutschland.

In diesem Jahr haben Sie einen Produktionsstandort von China nach Rumänien verlegt. Warum haben Sie diese Entscheidung gefällt, obwohl Sie in China stark wachsen?

Daniel Sennheiser: Wir versuchen generell, so nah wie möglich am Markt zu sein. Die Region EMEA ist seit Jahren unsere umsatzstärkste. Mit dem neuen Werk in Rumänien schaffen wir einen dritten europäischen Produktionsstandort und erweitern gleichzeitig unser Zulieferernetzwerk in Europa. Die Nähe zu den Absatzmärken verfolgen wir seit 30 Jahren mit unseren Vertriebs-, aber auch Produktionsstandorten. Deshalb haben wir jetzt wieder beides stärker zusammengebracht – den europäischen Markt und die Produktion. Unser Standbein in China bleibt aber weiter stark.

Auffällig ist, dass Sie die Marke international und fast schon amerikanisch präsentieren. Zieht die deutsche Produktzentriertheit heute nicht mehr?

Andreas Sennheiser: In der Vergangenheit haben wir faktenbasierter und mit unseren Erfindungen gepunktet. Heute ist die Kommunikation insgesamt aber sehr viel schneller, komprimierter und auch emotionaler. Es sind diese berühmten sieben Sekunden, die darüber entscheiden, ob jemand weiter zuschaut oder nicht. Die Aufmerksamkeitsspanne hat sich drastisch reduziert, dem muss man auch in der Kommunikation gerecht werden. Das hat aber weniger etwas mit amerikanisch versus europäisch oder asiatisch zu tun.

Wie wird Ihre Marke denn speziell in China wahrgenommen, wo deutsche Produkte traditionell sehr beliebt sind?

Daniel Sennheiser: China ist unser stärkster Wachstumsmarkt mit hohen zweistelligen Raten. Vermutlich wird China im Consumer-Markt in diesem Jahr die USA überholen und damit unser größter Markt sein. Die Zukunft einer deutschen Qualitätsmarke ist in China eine sehr sichere.

Die Marke Sennheiser will sich nach zwei schwächeren Ertragsjahren erneuern. Eine Restrukturierung sowie ein neues Technologieprogramm sollen die Grundlage dafür sein. Im Interview erklären die beiden geschäftsführenden Gesellschafter Andreas und Daniel Sennheiser, warum gerade die Auslandsmärkte dafür entscheidend sind.

Sie erwirtschaften derzeit bereits 85 Prozent im Ausland. Wird sich dieser Anteil künftig noch erhöhen?

Andreas Sennheiser: Ja, der Anteil wird weiter steigen. Wir wachsen in Asien derzeit 18 bis 20 Prozent, in Deutschland sind es vier Prozent.

Die weltweite Aufstellung definieren Sie als ausgleichende Kraft. Wollen Sie die Marke weiter globalisieren?

Daniel Sennheiser: Im vergangenen Jahr haben wir eine Vertriebstochtergesellschaft in Korea eröffnet. Wichtig ist, dass wir in einem Markt eine kritische Masse erreichen, um einen eigenen Standort betreiben zu können. Generell sind wir international aber bereits gut aufgestellt. Relevant ist für uns die Marktdurchdringung, zum Beispiel in Indien oder China, um unser Potenzial ausschöpfen zu können. Allein in Indien wächst die Mittelschicht jedes Jahr um 50 Mio. Menschen.

Wo erhoffen Sie sich denn mit Ambeo die höchsten Absätze?

Andreas Sennheiser: Ambeo erhält besonders in den USA eine hohe Aufmerksamkeit, gerade auch wegen der großen Filmstudios dort, die nach Differenzierung in ihren Inhalten suchen.

Ist Ambeo eine evolutionäre Entwicklung oder würden Sie das als interne Disruption bezeichnen?

Andreas Sennheiser: Ich glaube, es ist eine Erneuerung. Als Revolution oder Disruption würde ich es nicht bezeichnen. Wir wollen das Gute behalten und uns verstärkt wieder neu erfinden.

Wenn Sie das auf sich selbst beziehen: Ist Ambeo der Ruck nach eher schwächeren Jahren, den Sie auch von sich selbst verlangen?

Daniel Sennheiser: Wir glauben, wir haben die Entwicklung der Zeit erkannt, und reagieren so, wie es der Markt von uns verlangt, damit wir als Familienunternehmen mit Tradition die Zukunft der Audiowelt weiter gestalten können.


Zum Unternehmen

Sennheiser wurde 1945 in der niedersächsischen Wedemark bei Hannover gegründet, hat sich seitdem zu einem globalen Audiospezialisten für Kopfhörer und Mikrofonsysteme entwickelt und besitzt Produktionsstandorte in Deutschland, Irland und den USA. Der Umsatz von rund 670 Mio. Euro gliedert sich ungefähr zur Hälfte in die beiden Divisionen Consumer und Professional. Im vergangenen Jahr schrieb die Gruppe trotz Umsatzwachstums Verluste im einstelligen Millionenbereich, was einer internen Restrukturierung geschuldet war. Daneben investierte Sennheiser fast 60 Mio. Euro in die Entwicklung neuer Produkte. Mehr als 400 der insgesamt rund 2.800 Mitarbeiter arbeiten an vier Entwicklungszentren in Europa, China und den USA. Vor allem das Technologieprogramm Ambeo soll künftig neue Marktsegmente besetzen. Dahinter steckt das strategische Ziel, die Marke wieder stärker als Innovationsführer zu positionieren.

www.sennheiser.com

Zu den Personen

Dr. Andreas Sennheiser und Daniel Sennheiser führen in dritter Generation gemeinsam mit vier weiteren Geschäftsführern die Sennheiser-Gruppe. Nach einem Studium an der ETH Zürich und ersten Berufserfahrungen stieg Andreas Sennheiser 2010 ins elterliche Unternehmen ein. Daniel Sennheiser kam nach einem Studium im Bereich Produktdesign am Art Center College of Design im schweizerischen La-Tour-de-Peilz und im kalifornischen Pasadena sowie nach verschiedenen Stationen in Kommunikationsagenturen und internationalen Unternehmen 2008 zu Sennheiser. Seit 2013 sind sie gemeinsam geschäftsführende Gesellschafter und Co-CEOs. Einen Tag im Monat klinken sich beide Brüder aus der Geschäftsführung aus, um unter vier Augen über das Familienunternehmen zu sprechen.

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