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„Wir setzten stark auf den eigenen Cashflow“

Die Hirschvogel Automotive Group hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Milliardenkonzern entwickelt. Der CFO der Gruppe Dr. Alfons Hätscher erklärt, welche Faktoren dafür ausschlaggebend waren und warum sich Wachstum konsolidieren wird. 

Herr Dr. Hätscher, die Hirschvogel-Gruppe hat in den vergangenen Jahren viel investiert und konnte hohe Wachstumszahlen erreichen. Nutzen Sie dabei vor allem das Niedrigzinsumfeld aus?

An der Zinspolitik haben wir das nicht ausgerichtet, das kann ich definitiv verneinen. Unsere Investitionen und unser Wachstum sind in erster Linie projektbezogen, weil wir neue Projekte und Kunden gewinnen. Andererseits haben unsere Investitionen, gerade solche in neue Standorte, einen sehr langfristigen Charakter. Generell möchte ich aber betonen, dass Wachstum für uns per se keinen Selbstzweck hat. Es ist nur sinnvoll, wenn es zielgerichtet und profitabel erfolgt. Voraussetzung ist, dass wir mit den Projekten Geld verdienen, deshalb nehmen wir auch nicht jeden Auftrag an oder erhalten auch nicht jedes Projekt. Nur eine profitable Geschäftsentwicklung ermöglicht es uns, unser Wachstum in erster Linie aus dem eigenen Cashflow zu finanzieren.

In diesem Jahr planen Sie mit weiteren Investitionen von 150 Mio. Euro. Inwieweit hängt dieser Betrag von den eben beschriebenen Faktoren ab?

Die hohe Investitionssumme ergibt sich aus den gewonnenen Aufträgen der vergangenen Monate und Jahre, bei denen der SOP (Start of Production/Start der Serienproduktion; Anmerkung der Redaktion) erst in einigen Jahren erfolgt. Zudem haben wir in der Massivumformung, das ist ein Charakteristikum unseres Geschäfts, bei Investitionen in neue Pressenaggregate Vorlaufzeiten von circa eineinhalb Jahren. Wir müssen also heute investieren, um mit der Produktion 2020 starten zu können.

Stammwerk in Denklingen: In dem 2.500-Einwohner Dorf befindet sich die größte Produktionsstätte von Hirschvogel. © Hirschvogel Automotive Group

Der Umsatz von Hirschvogel hat sich in den vergangenen 15 Jahren mehr als vervierfacht. Wie viel Strategie steckt dahinter, wie viel ist konjunkturgetrieben?

Eine wichtige strategische Entscheidung war es, in allen wichtigen Automobilmärkten präsent zu sein. Dazu zählen neben unserem Stammmarkt Europa vor allem China, die USA, Indien und Mexiko. Gerade China ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Außerdem haben wir frühzeitig auf die richtigen Produkte gesetzt, wie beispielsweise Ausgleichswellen für kleinere Motoren, die den Trend des Downsizing bedienen. Natürlich haben wir auch vom Wachstum unserer Kunden profitiert. Wir sind traditionell stark mit den deutschen Automobilherstellern verbunden und sozusagen in deren Kielwasser gewachsen.

Wollen Sie dieses Tempo auch in den nächsten Jahren halten?

Wir gehen davon aus, dass sich das konsolidieren wird. Im vergangenen Jahr haben wir mit 15 Prozent Wachstum nochmals einen gewaltigen Sprung gemacht. Auch in diesem Jahr rechnen wir mit einem zweistelligen prozentualen Wachstum. Aber danach sollte sich das etwas abschwächen. Wir kalkulieren mit einer Bandbreite zwischen fünf und zehn Prozent.

Die Hirschvogel Automotive Group hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Milliardenkonzern entwickelt. Der CFO der Gruppe Dr. Alfons Hätscher erklärt, welche Faktoren dafür ausschlaggebend waren und warum sich Wachstum konsolidieren wird. 

Seit 2013 sind Sie für die Finanzierung am Kapitalmarkt aktiv und haben über Schuldscheine 100 Mio. Euro eingesammelt. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Der Schuldschein hat sich für uns als Finanzierungsinstrument bewährt. Wir haben seitdem weitere Tranchen aufgelegt und planen, Schuldscheine auch in Zukunft einzusetzen. Einen großen Vorteil sehen wir in den vergleichsweise langen Laufzeiten, bei uns sind es sieben bis zehn Jahre. Außerdem sind uns die Investoren bekannt. Auch die deutsche Dokumentation und deutsches Recht kommen uns entgegen, weil es das Handling vereinfacht. Den anonymen Kapitalmarkt wollen wir nicht angehen.

Ist der Aktienmarkt als Quelle für Eigenkapital eine Option?

Nein, das schließen wir beziehungsweise die Gesellschafterfamilien kategorisch aus. Unsere Eigenkapitalquote wollen wir stabil halten, deshalb setzen wir bei unserem Wachstum und unseren Investitionen stark auf den eigenen Free Cashflow.

In Ihrer Branche heißt Investieren oft, Maschinen anzuschaffen. Im Umkehrschluss brauchen Sie nicht ein einzelnes Projekt, sondern mehrere, damit sich der finanzielle Aufwand lohnt.

Richtig. Hintergrund ist, dass wir für neue Projekte, die unsere Fertigungskapazitäten übersteigen, quasi gezwungen sind, zu investieren. Wenn wir also neue Maschinen anschaffen, gehen wir natürlich auch das Risiko ein, die neuen Kapazitäten langfristig zu füllen. Normalerweise lastet man mit einem einzelnen Projekt die Jahreskapazität eines Umformaggregats nur zu einem geringen Prozentsatz aus.

Könnten Sie das Risiko nicht minimieren, indem Sie die Maschinen erst mal leasen?

Nein, Leasing spielt bei Investitionen in Maschinenkapazitäten keine Rolle. Ein Kauf rechnet sich einfach besser. Bei der Entscheidung für einen Auftrag ist ja das Kriterium, dass wir die neuen Maschinen sehr lange benutzen werden.

Wie verteilt sich generell bei Ihnen das Investitionsbudget zwischen Maschinen, Immobilien, neuen Technologien und Forschung & Entwicklung?

Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel investiert, um neue Standorte zu gründen und vorhandene auszubauen. Für die Immobilien, also Werksgebäude und Produktionshallen, fielen hier um die 30 Prozent unserer Investitionen an. Den überwiegenden Teil, rund 70 Prozent, investieren wir in maschinelle Anlagen und den Ausbau unserer IT-Infrastruktur. Dazu zählen auch Themen wie Digitalisierung und Industrie 4.0.

Die Hirschvogel Automotive Group hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Milliardenkonzern entwickelt. Der CFO der Gruppe Dr. Alfons Hätscher erklärt, welche Faktoren dafür ausschlaggebend waren und warum sich Wachstum konsolidieren wird. 

Wenn es bei den Maschinen vor allem um neue Aufträge geht, inwieweit müssen diese dann erst gebaut werden?

Im Bereich Zerspanen versuchen wir weitgehend, Standardmaschinen zu kaufen. In der Umformtechnik ist es etwas anders gelagert. Die Pressenaggregate dafür sind zu einem gewissen Grad maßgeschneidert. Da gibt es teilweise Vorlaufzeiten von bis zu eineinhalb Jahren, bis die Maschine vom Lieferanten konzipiert, gebaut, bei uns aufgebaut und für die Produktion eingefahren wurde.

Geschmiedete Radnaben auf einem Förderband: “Wir sind im Kielwasser der deutschen Automobilhersteller gewachsen.” © Hirschvogel Automotive Group

Bei den langen Vorlaufzeiten ist es naheliegend, das inhouse zu machen.

Nein, das macht für uns keinen Sinn. Wir können die Anlagen sicherlich betreiben, allerdings fehlen uns das nötige Wissen sowie die Fertigungstechnologien, um diese Anlagen auch entwickeln oder bauen zu können. Weltweit gibt es nur einige wenige Lieferanten, die das können. Wenn wir versuchen würden, das selbst zu machen, würden wir uns wohl überschätzen. Eine Rückwärtsintegration ist weder technisch noch wirtschaftlich sinnvoll und damit für uns keine Option.

Denken Sie in anderen Bereichen über Zukäufe nach?

Wir sind in den vergangenen Jahren ausschließlich organisch gewachsen. Zukünftig wollen wir externes Wachstum nicht mehr ausschließen, um unser Portfolio abzurunden beziehungsweise zu ergänzen. Für Hirschvogel ist es ein großer Schritt, M&A überhaupt als Wachstumsoption zu sehen.

Die Hirschvogel Automotive Group hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Milliardenkonzern entwickelt. Der CFO der Gruppe Dr. Alfons Hätscher erklärt, welche Faktoren dafür ausschlaggebend waren und warum sich Wachstum konsolidieren wird. 

Die Automobilbranche scheint sich gerade in einem Wandel zu befinden, begleitet vom Dieselskandal und der Forderung nach mehr Elektrofahrzeugen. Sehen Sie auch Hirschvogel in einem Prozess der Umstrukturierung?

Nein, eine Umstrukturierung im eigentlichen Sinne sehe ich nicht. Wir rechnen mit weiterem Wachstum in unserem angestammten Geschäft, auch beim Verbrennungsmotor und speziell beim Dieselmotor. Man kann eher sagen, dass wir uns im Vergleich zu früher breiter aufstellen und mehrgleisig fahren werden, um auch die Chancen des E-Antriebs zu nutzen. Daneben sehen wir im sogenannten Off-Highway-Bereich neue Geschäftsmöglichkeiten, etwa bei Landmaschinen oder Baufahrzeugen.

Sie haben seit Kurzem eine eigene Beteiligungsgesellschaft mit dem Namen Ceravis. Welches Ziel verfolgen Sie damit?

Ceravis ist der Investmentarm der Gesellschafter der Hirschvogel Automotive Group. Ceravis wurde gegründet, um stärker mit Start-ups zusammenzuarbeiten. Dabei geht es einerseits um den Erwerb von Beteiligungen, andererseits aber auch um gemeinsame Projekte mit der Automotive Group bei innovativen Technologien, wie zum Beispiel Augmented Reality, neue Materialien, Sensorik oder additive Fertigung.

Unter fogendem Link finden Sie einen Bericht über die Industrie 4.0-Strategie von Hirschvogel.


Zur Person

Dr. Alfons Hätscher ist seit 2012 CFO bei der Hirschvogel Automotive Group aus dem bayerischen Denklingen nahe Landsberg am Lech. Vorher war er bereits bei mehreren Unternehmen aus der verarbeitenden Industrie als Finanzfachmann beziehungsweise Leiter Finanzen aktiv. Der Automobilzulieferer Hirschvogel wurde 1938 gegründet und hat sich auf massivumgeformte und weiterveredelte Komponenten aus Stahl und Aluminium spezialisiert. Heute vereinen sich unter dem Konzerndach neun Werke in den wichtigsten automobilen Märkten. Die Gesellschafteranteile liegen zu 62 Prozent bei den Familien Hirschvogel/Britzger, die beide im fünfköpfigen Beirat vertreten sind, sowie zu 38 Prozent bei der Frank Hirschvogel Stiftung (gegründet 2007). Hirschvogel hat in den vergangenen Jahren ein jährliches Wachstum jenseits von zehn Prozent erzielt und erwirtschaftete 1,17 Mrd. Euro im Jahr 2017. Im Konzern arbeiten weltweit 5.300 Mitarbeiter.

www.hirschvogel.com

 

 

 

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