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Notärzte für Unternehmen

Existenzbedrohende Krise: Was bleibt an Möglichkeiten, um den Konkurs zu vermeiden? Immer noch zu wenige Unternehmer kennen das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung.

Die Insolvenz ist nicht das Ende eines Unternehmens, sondern eine von mehreren Optionen bei der Sanierung. Eigenverwaltung und Schutzschirm bieten große Vorteile. Allerdings will diese Managementvariante gekonnt sein, ein Spezialist sollte das Unternehmen begleiten.

Beispiel Maria Soell GmbH: Mit hochtechnologischen Spezialfolien, etwa für den Transport von teurem Lammfleisch aus Neuseeland nach Europa, wollte sich das Familienunternehmen mit 120 Mitarbeitern einen neuen Geschäftszweig aufbauen. Doch die eigens gegründete Schwestergesellschaft litt unter hohen Anlaufkosten, der Markt entwickelte sich zu langsam, Maria Soell war der Zeit voraus.

Schließlich belasteten die Verluste die Liquidität des gesamten Unternehmens so stark, dass die Insolvenz drohte. Nach einem entsprechenden Hinweis und unter fachmännischer Begleitung entschied die Geschäftsführung sich frühzeitig dazu, den Schritt in ein Eigenverwaltungsverfahren zu gehen. Nach nur acht Monaten war das Verfahren beendet, das Unternehmen entschuldet, 120 Arbeitsplätze gerettet.

Die Medizin ist das Insolvenzrecht: Eigenverwaltung

Ein solches Sanierungsverfahren braucht Spezialisten, eben einen „Notarzt“ für Unternehmen. In Großbritannien nennt sich das Berufsfeld nicht umsonst: Company Doctor.

Die Eigenverwaltung ist eine Sonderform des Insolvenzverfahrens. Ihr großer Vorteil ist, dass die Geschäftsleitung im Amt bleibt, voll handlungsfähig ist und den Geschäftsbetrieb fortführt. Es gibt keinen Insolvenzverwalter. Das zuständige Insolvenzgericht bestellt lediglich einen Sachwalter, quasi einen amtlichen „Aufsichtsrat“, der das Verfahren und die Organe des Schuldners beaufsichtigt und die Interessen der Gläubiger vertritt. Dieses Zusammenspiel leitet ein in diesem Verfahren geübter Sanierer in der Rolle eines Chief Restructuring Officers (CRO) – eben der Notarzt.

Seine Aufgabe ist es, die Geschäftsführer durch die Krise und an Haftungsfallen vorbeizulotsen. Dies gelingt umso besser, je früher die Geschäftsleitung den Antrag stellt. Auch das ist wie beim Arzt: Je früher man bei Beschwerden zum ihm geht, desto größer sind die Heilungschancen.Existenzbedrohende Krise: Was bleibt an Möglichkeiten, um den Konkurs zu vermeiden? Immer noch zu wenige Unternehmer kennen das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung.

Das lange Zögern von Gesellschaftern und Geschäftsführern, ein Insolvenzverfahren als Sanierungsoption zu erwägen, liegt noch immer am Stigma der Insolvenz als Scheitern. Stattdessen suchen angeschlagene Unternehmen häufig ihr Heil in Sanierungsversuchen außerhalb der Insolvenz. Die Krux daran: Diese sind meist deutlich teurer als ein Eigenverwaltungsverfahren und bieten nicht die gleichen Möglichkeiten. Und wichtig, aber wenig bekannt: Anders als im klassischen Insolvenzverfahren bietet die Eigenverwaltung Instrumente, mit denen den Gesellschaftern ihre Anteile verbleiben.

Das Beispiel Entner

So war das auch bei der regionalen Bäckereikette Entner mit mehr als 30 Filialen im Großraum Nürnberg und 250 Mitarbeitern. Auch hier blieb am Ende des nur wenige Monate langen Verfahrens die Gesellschaft in den Händen der Familie – ohne Altschulden, mit neuem Konzept und den ersten runderneuerten Filialen. Noch während des Verfahrens eröffnete die Bäckerei an zentraler Stelle in Nürnberg eine neue Filiale, trennte sich von unrentablen Standorten und ordnete den Einsatz des Personals neu. Mit Erfolg: Entlassungen gab es keine, durch die verbesserte Personalplanung konnten einige Filialen sogar länger öffnen.

Kommunikation ist entscheidend

Entscheidend war in beiden Fällen die Kommunikation mit Lieferanten, Kreditgebern und Kunden. Schon vor Beginn sollte sich die Geschäftsführung mit ihnen über die Eigenverwaltung abstimmen. Zugleich können die eigenen Mitarbeiter eng in das Verfahren eingebunden werden. Bei der Maria Soell GmbH erarbeiteten die Mitarbeiter zusammen mit dem CRO in Workshops konkrete Verbesserungsvorschläge, die in die Tat umgesetzt wurden. Das schuf Vertrauen – in die Berater, die Geschäftsführung und in die Ernsthaftigkeit der Sanierungsbemühungen.

Fazit

Das Eigenverwaltungsverfahren ist also eine Sanierungsoption, die bei richtiger Anwendung schneller Erfolge aufweisen kann als andere. Sie ist einem klassischen Insolvenzverfahren in vielen Punkten überlegen – insbesondere aus Sicht der Gesellschafter. Sie haben die Chance, ihr Unternehmen zu behalten.


Zu den Personen

(© privat)

Detlef Specovius und Andreas Elsäßer sind Partner und Experten für Sanierung und Restrukturierung bei Schultze & Braun. Als CRO übernehmen sie regelmäßig Verantwortung in der Krise mittelständischer Unternehmen. www.schubra.de/unternehmer

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