Eigenverwaltet durch die Krise

Insolvenz in Eigenverwaltung als Option zur Neuausrichtung verschuldeter Unternehmen

Foto: ©kwarner_AdobeStock

Der Begriff „Insolvenz in Eigenverwaltung“ geistert wiederkehrend durch die Medien, meist in Zusammenhang mit Insolvenzverfahren bekannter Unternehmen. Ein jüngeres Beispiel ist die Insolvenz des Warenhauskonzerns Galeria. Verschuldete Unternehmen stellen sich daher häufig die Frage, ob ein solches Verfahren auch für sie eine Option darstellen könnte.

Die Insolvenz in Eigenverwaltung stellt eine Variante zum herkömmlichen (Regel-)Insolvenzverfahren dar. Sie bietet der Geschäftsleitung die Möglichkeit, das operative Geschäft in der Krise in Eigenregie aufrechtzuerhalten. Durch das Eigenverwaltungsverfahren soll die Geschäftsführung die Gelegenheit erhalten, das Unternehmen zu sanieren und neu auszurichten.

Wesentlicher Unterschied zum herkömmlichen (Regel-)Insolvenzverfahren

Im Eigenverwaltungsverfahren behält die Geschäftsführung des Schuldners laut den §§ 270 ff. der Insolvenzordnung (InsO) das Heft des Handelns in der Hand und bleibt somit der Entscheidungsträger. Im Gegensatz zum herkömmlichen Insolvenzverfahren, bei dem die Kontrolle über die Unternehmensführung gemäß § 80 InsO an den Insolvenzverwalter abgegeben wird, behält die Geschäftsführung die Verfügungsgewalt und die Finanzhoheit. Hierbei wird dem Schuldner lediglich ein Sachwalter an die Seite gestellt, dessen Aufgaben hauptsächlich auf die Überwachung des Geschäftsbetriebs beschränkt sind.

Voraussetzungen des Eigenverwaltungsverfahrens

Vor dem Hintergrund der weitgehenden Handlungsbefugnisse des Schuldners im Eigenverwaltungsverfahren müssen besondere (Verfahrens-)Voraussetzungen vorliegen.

Damit das Insolvenzgericht die Anordnung der Eigenverwaltung treffen kann, muss der Schuldner zunächst einen entsprechenden Antrag stellen. Zudem darf unter Berücksichtigung der individuellen Umstände nicht zu erwarten sein, dass die Anordnung der Eigenverwaltung zu Verzögerungen des Verfahrens oder anderen Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Wenn das Insolvenzverfahren durch einen Gläubigerantrag eingeleitet wurde, ist zudem die Zustimmung des Gläubigers zum Antrag auf Eigenverwaltung erforderlich.

Die Entscheidung über die Anordnung der Eigenverwaltung erfolgt durch das Gericht im Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die formellen Anforderungen an den Antrag auf Eigenverwaltung sind gemäß § 270a InsO umfangreich und bedürfen der rechtzeitigen Vorbereitung.

So muss bei Antragstellung Folgendes vorgelegt werden:

  • Ein Finanzplan für sechs Monate, der eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen enthält, durch welche die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs und die Deckung der Kosten des Verfahrens in diesem Zeitraum sichergestellt werden sollen.
  • Ein Sanierungskonzept, das das Ziel der Eigenverwaltung und die Maßnahmen beschreibt, welche zur Erreichung des Ziels in Aussicht genommen werden.
  • Eine Darstellung über den Stand der Verhandlungen mit den Stakeholdern.
  • Eine Darstellung der Vorkehrungen zur Sicherstellung der Erfüllung insolvenzrechtlicher Pflichten.
  • Ein Vergleich der Kosten der Eigenverwaltung gegenüber einem Regelverfahren.

Aufgrund der umfangreichen formellen Anforderungen sollte die Vorbereitung der Antragstellung rechtzeitig in Angriff genommen und dabei auch ein in Insolvenzangelegenheiten erfahrener Berater hinzugezogen werden.

Zum Beleg der Erfüllung insolvenzrechtlicher Pflichten wird regelmäßig ein Restrukturierungsexperte als zusätzlicher, allen Haftungsrisiken ausgesetzter Geschäftsleiter (Vorstand, Geschäftsführer) bestellt. Ebenso kann der Restrukturierungsexperte aber auch eine Generalbevollmächtigung erhalten.

Vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren

Sofern das Insolvenzgericht dem Antrag stattgibt, erfolgt durch einen Beschluss die Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Gleichzeitig wird ein (zunächst) vorläufiger Sachwalter bestellt, der seiner Kontrollfunktion nachkommt.

Das eigenverwaltende Unternehmen übernimmt sodann unter der Regie der Insolvenzordnung die Führung des Verfahrens. Der Sachwalter hat lediglich Überwachungs- und Prüfungsfunktionen.

Ein wesentlicher Vorteil besteht darin, dass während des vorläufigen Verfahrens keine Löhne und Gehälter zu zahlen sind, sondern vielmehr die Bundesagentur für Arbeit Insolvenzgeld an die Mitarbeiter leistet. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass diese Zahlungen in der Regel vorab über eine Bank vorfinanziert werden, da die Zahlungen seitens der Agentur für Arbeit aus rechtlichen Gründen erst rückwirkend mit Eröffnung des Verfahrens erfolgen können.

Parallel hierzu erstellen das Unternehmen und üblicherweise ein externer Berater ein umfassendes Sanierungskonzept. Durch das Sanierungskonzept muss insbesondere geklärt werden, ob das Unternehmen zukünftig am Markt bestehen kann und welche Maßnahmen hierfür notwendig sind.

Eröffnetes Eigenverwaltungsverfahren

Wenn der vorläufige Sachwalter im Rahmen seines zu erstellenden Eröffnungsgutachtens zu dem Schluss kommt, dass ein Eröffnungsgrund vorliegt, die Verfahrenskosten gedeckt sind und durch die Anordnung der Eigenverwaltung keine Nachteile für die Gläubiger zu befürchten sind, ordnet das Gericht in aller Regel die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung an und bestellt den vorläufigen Sachwalter zum Sachwalter. Möglichst kurzfristig nach Eröffnung des Verfahrens sollte die Sanierungsplanung umgesetzt werden. Üblicherweise mündet diese Planung in einen Insolvenzplan mit dem Ziel der Sanierung des Betriebs und des Rechtsträgers. Alternativ können auch Unternehmensverkäufe aus der Insolvenzmasse im Rahmen einer „übertragenden Sanierung“ oder Mischformen zwischen Verkauf und Insolvenzplan in Betracht gezogen werden.

Die Eigenverwaltung endet im Fall eines Insolvenzplans mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach rechtskräftiger Annahme des Plans, ansonsten nach Verwertung des Vermögens oder auf entsprechenden Antrag, sofern die Sanierung aussichtslos geworden ist oder vom Sachwalter angezeigt wurde, dass die Fortführung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führt.

Vor- und Nachteile des Eigenverwaltungsverfahrens
Vorteile

  • Die Geschäftsführung bleibt im Amt und behält ihre Verfügungsberechtigung sowie Handlungsfähigkeit.
  • Dass die Geschäftsführung als handelnder Akteur sichtbar bleibt, wirkt sich positiv auf das Image gegenüber externen Parteien aus (Kunden und Lieferanten).
  • Der Sachwalter schafft aufgrund seiner Kontrollfunktion Vertrauen gegenüber den Gläubigern.

Nachteile

  • Es ist ein ausführliches Sanierungskonzept vorzulegen.
  • Die Eigenverwaltung kann vom Insolvenzgericht aufgehoben werden, was im Verfahren für Verunsicherung sorgen kann.
  • Die Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens erfordert detaillierte Kenntnisse des Insolvenzrechts.

FAZIT

Eine Insolvenz in Eigenverwaltung kommt regelmäßig in Betracht, wenn ein Unternehmen dauerhaft fortgeführt werden kann und konkrete Sanierungsperspektiven bestehen, die auch bereits im Antragszeitraum in Form einer Planung aufgezeigt werden können. Beim Eigenverwaltungsverfahren behält der Geschäftsführer die Kontrolle über das Unternehmen, wodurch das Vertrauen der Geschäftspartner gewahrt bleiben kann. Eine langfristige Sanierung des Unternehmens kann häufig im Wege eines Verkaufs oder durch einen Insolvenzplan erreicht werden.

 

Der Beitrag ist in der Unternehmeredition-Magazinausgabe 2/2023 erschienen.

Autorenprofil
Dr. Holger Leichtle

Dr. Holger Leichtle ist Partner bei der Görg Partnerschaft von Rechtsanwälten mbH.

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Lucas Bendel

Lucas Bendel ist Rechtsanwalt bei der Görg Partnerschaft von Rechtsanwälten mbH.

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