Die Zahl der beantragen Unternehmensinsolvenzen ist im April laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) im Vergleich zum Vorjahresmonat um 14,4% gestiegen. Für den zurückliegenden Monat Juni weist die vorläufige Prognose von Destatis ebenfalls einen Anstieg um 13,9% zum Vorjahr aus. „Der Anstieg der Unternehmensinsolvenzen im Juni ist nicht ungewöhnlich. Er gehört zu den normalen unterjährigen Schwankungsbewegungen des Insolvenzaufkommens. Zum Ende eines Quartals stehen Erklärungsfristen und Zahlungen an öffentliche Gläubiger wie Fiskus oder Sozialversicherungsträger an. Können diese Zahlungen nicht geleistet werden, dann häufen sich die Insolvenzanträge“, erklärt Dr. Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID). „Selbst wenn sich die Steigerung der Unternehmensinsolvenzen auf dem Niveau der letzten Monate fortsetzen sollte, werden bei weitem nicht die Spitzenwerte der Unternehmensinsolvenzen wie zu Zeiten der Finanzkrise erreicht werden. 2009 mussten rund 33.000 Unternehmen Insolvenzantrag stellen.“, fährt Niering fort.
Viele Insolvenzen in der Pflege und beim Bau
Eine besondere Häufung der Insolvenzanträge ist weiterhin im Krankenhaus- und Pflegebe- reich, in der Bau- und Immobilienbranche sowie im Einzelhandel zu beobachten. Das von Bund und Ländern verabschiedete Eckpunktepapier zur Krankenhausreform werde die Lage bei Kliniken kurzfristig nicht entschärfen: „Selbst bei einer schnellen gesetzlichen Um- setzung der Krankenhausreform werden die erst für 2024/2025 angekündigten Maßnahmen für viele Krankenhäuser zu spät kommen.“, erklärt Niering weiter. Die Bau- und Immobilienbranche habe nach wie vor mit einer Baupreisinflation von acht Prozent zu kämpfen. Viele Bauprojekte liegen auf Eis, da die Baunachfrage auch aufgrund der stark gestiegenen Bauzinsen deutlich zurückgegangen ist.
Handelsverband pessimistischer
Angesichts der nach wie vor hohen Inflation passt der Handelsverband Deutschland (HDE) seine Umsatzprognose für den Einzelhandel an. Die neue Prognose geht im Vorjahresvergleich von einem nominalen Plus von 3% für 2023 aus. Das entspreche angesicht der aktuellen Preissteigerung einem realen Minus von 4%. Bisher prognostizierte der HDE ein nominales Plus von 2% und ein reales Minus von 3%. „Deutlich höhere Kosten für Energie und Wareneinkauf sowie ein schwacher privater Konsum haben den Einzelhandel im ersten Halbjahr unter Druck gesetzt. Die Rahmenbedingungen bleiben insgesamt schwierig. Über die gesamte Branche hinweg ist das kein schöner Zwischenstand. Insbesondere die nach wie vor hohe Inflation sorgt dafür, dass die Branche nicht richtig ins Laufen kommt“, so HDE-Präsident Alexander von Preen. Die insgesamt schwierige Lage zeige sich auch in den Ergebnissen einer aktuellen HDE-Umfrage unter rund 900 Handelsunternehmen. Demnach rechnen 35% der Händlerinnen und Händler für das zweite Halbjahr mit Umsatzrückgängen. Für das Gesamtjahr geht nur gut jeder dritte Händler von im Vergleich zum Vorjahr steigenden Erlösen aus.
Rezessionswahrscheinlichkeit steigt
Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in den kommenden drei Monaten eine Rezession durchläuft, ist auf knapp 80% gestiegen. Damit sei es sehr wahrscheinlich, dass die Konjunktur auch im Sommerquartal nicht aus der akuten Schwächephase herausfindet. Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, der Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Kenngrößen bündelt. Für den Zeitraum von Juli bis Ende September weist der Indikator eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 78,5% und ist damit im Vergleich zum vorherigen Quartal um 30% gestiegen. Der nach dem IMK-Ampelsystem arbeitende Indikator zeige „rot“, was eine akute Rezessionsgefahr markiert. Dass das Rezessionsrisiko für die kommenden Monate kurzfristig so deutlich gestiegen ist, ginge vor allem auf die Eintrübung von Finanzmarktindikatoren sowie die Leitzinserhöhungen zurück. Auch Stimmungsindikatoren wie der ifo-Geschäftsklimaindex würden nach unten zeigen.
Aussichten werden nicht besser
Aus der Realwirtschaft kämen zwar nicht nur negative Signale, erklärt IMK-Konjunkturexperte Dr. Thomas Theobald, aber dies werde überlagert von negativen Trends wie der zuletzt sehr schwachen Entwicklung der Produktion im Bausektor und bei energieintensiven Branchen wie der Chemieindustrie. Die Aussichten für die deutsche Exportwirtschaft seien angesichts einer lahmenden Weltkonjunktur verhalten. Hinzu kommt die Konsumzurückhaltung vieler Haushalte. Ursache dafür: Die Inflation sinkt zwar, abgesehen von Sondereffekten, aktuell ist sie aber weiter hoch. Schließlich beobachtet IMK-Experte Theobald „erste Anzeichen der konjunkturellen Schwäche am Arbeitsmarkt“. Das betrifft etwa den Rückgang bei den Stellenangeboten: Zwar sind bei der Bundesagentur für Arbeit weiterhin viele unbesetzte Stellen gemeldet, die Zahl ist aber in den vergangenen Monaten spürbar gesunken.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.