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Diversity hält jung

Nehmen Unternehmen Diversity ernst, sehen sie Talent nicht als Frage des Alters, des Geschlechts oder der Berufsausbildung. Beim Führungskräftenachwuchs sollten sie auch Quereinsteiger ins Auge fassen.

Bei der Identifizierung von Talenten hilft im Unternehmensalltag die Unterscheidung zwischen Kompetenz und Potenzial. Kompetenzen sind bereits ausgebildete Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die einen Mitarbeiter zur Ausübung einer beruflichen Aufgabe qualifizieren. Potenzial hingegen bedeutet, dass die Voraussetzung gegeben ist, bestimmte, noch nicht vorhandene Kenntnisse, Fertigkeiten oder Fähigkeiten für eine bestimmte berufliche Aufgabe auszubilden. Talente sind daher alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bei denen gute Potenziale für herausfordernde Aufgaben – meist Führungs- oder Managementaufgaben, aber nicht ausschließlich – gesehen werden, ohne dass alle Kompetenzen für die zukünftigen Aufgaben schon ausgebildet sind. Potenzial bedeutet dabei auch eine schnelle Lernfähigkeit. Bei der Zuordnung in die Gruppe „Talente“ und im Rahmen eines Diversity Managements ist das Potenzial also deutlich wichtiger als die bereits vorhandene Kompetenz.

Diversity sucht nach dem Menschen

Es gibt aber noch zwei weitere Gründe, Diversity ernstzunehmen und den Begriff des Talents weiter zu fassen als bisher üblich: Motivation und Emotion. Talente zeigen einen ausgeprägten Leistungs- und Erfolgswillen, gepaart mit einem hohen Maß an Disziplin und ausgeprägtem Spaß an der Ausübung ihrer Sache. Menschen, die neben einem Mindestmaß an Kompetenz alle drei Eigenschaften mitbringen – Potenzial, Motivation und Emotion –, sollten daher als Talente gefördert werden.

Dieser Ansatz vermeidet eine zu starke Einengung von Kandidaten und bereits vorhandenen Mitarbeitern – und damit einen Kardinalfehler im Talentmanagement. Denn sonst fallen viele Fachkräfte, die für die Weiterentwicklung eines Unternehmens wichtig sind, durchs Raster. Ein weiterer Vorteil ergibt sich mittelfristig von allein: Eine Führungsriege, die unter Diversity-Aspekten zusammengesetzt ist, bringt ein breites Spektrum an Kompetenzen und Erfahrungen mit. Ob Frauen, ältere Mitarbeiter, Quereinsteiger oder Menschen mit Migrationshintergrund – Talente im oben beschriebenen Sinne finden sich fast überall.Nehmen Unternehmen Diversity ernst, sehen sie Talent nicht als Frage des Alters, des Geschlechts oder der Berufsausbildung. Beim Führungskräftenachwuchs sollten sie auch Quereinsteiger ins Auge fassen.

In der Praxis spielen Vorurteile gegenüber bestimmten Mitarbeitergruppen allerdings sehr wohl eine Rolle für die Entfaltungsmöglichkeiten und Karrierechancen des Einzelnen. Diversity hat oft keine Chance. Das gilt beispielsweise für ältere Mitarbeiter – laut OECD gilt man bereits ab 45 als älter, weil man dann etwa die Hälfte des Erwerbslebens als qualifizierte Arbeitskraft absolviert hat. Obwohl unsere Gesellschaft immer älter wird, herrscht in der Wirtschaft nach wie vor der Jugendwahn: Möglichst jung, gut ausgebildet, sehr erfahren und günstig sollen Mitarbeiter sein. Doch die Mittdreißiger von heute kennen ihren Marktwert sehr genau und unterscheiden sich in ihren Gehaltsvorstellungen kaum von Bewerbern jenseits der 45.

Persönlichkeit wichtiger als Qualifikation

Trotzdem sind ältere Mitarbeiter oft nur schwer vermittelbar. Dabei gleichen diese in der Regel durch fachliche und soziale Expertise aus, was ihnen an körperlicher Frische fehlt. Darüber hinaus bringen sie meist profundes berufsspezifisches Wissen, Markt- und Kundenorientierung, Pflichtbewusstsein sowie Urteilsvermögen als weitere Vorteile mit. Hinzu kommt, dass die heute 50-Jährigen tatsächlich anders denken und handeln als in den Generationen zuvor. Unternehmen sind also gut beraten, sich ältere Kandidaten genau anzusehen, anstatt sie pauschal auszusortieren.

Ein unter Diversity-Aspekten zusammengesetztes Management erweitert das Kompetenzspektrum eines Unternehmens, sofern die Kommunikationswege stimmen. Dafür reicht es nicht, eine Ansammlung von unterschiedlichen Personen im Management zu haben – erst der Erfahrungsaustausch und ein gezieltes Wissensmanagement, mit dem Kenntnisse in allen Richtungen weitergegeben werden, macht aus unterschiedlichen Talenten ein schlagkräftiges Team. Auch junge Führungskräfte gehören dazu, denn sie sind meist offen für neue Techniken und Ideen. Das wird zunehmend wichtig – denn die rasch zunehmende Digitalisierung führt zu einem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel, der tradierte Geschäftsmodelle ins Wanken bringt.Nehmen Unternehmen Diversity ernst, sehen sie Talent nicht als Frage des Alters, des Geschlechts oder der Berufsausbildung. Beim Führungskräftenachwuchs sollten sie auch Quereinsteiger ins Auge fassen.

Für die Besetzung von Managementpositionen kommt es daher darauf an, mithilfe von Potenzialanalysen die richtigen Talente zu finden. Das bedeutet, den Horizont zu erweitern und nicht nur auf die Gegenwart, sondern in die Zukunft zu schauen. Fachspezifische Kenntnisse unterliegen heute gerade in technischen Funktionen immer kürzeren Zyklen und werden schneller durch neue Errungenschaften abgelöst. Das Potenzial und den Willen zur persönlichen Entwicklung zu haben ist wesentlich, um sich dem Wandel zu stellen und ihn als Chance zu begreifen.

Fazit

Wer solche Potenziale an sein Unternehmen bindet, kann die altersbedingt entstehenden Lücken im Management durch entsprechende Förderung leichter schließen. Potenzialanalysen machen aber auch bei den bereits im Unternehmen vorhandenen Mitarbeitern Sinn. Oft schlummert in den Unternehmen ein noch nicht freigelegtes Potenzial, das bei gezielter Entwicklung seine Karrierechancen im Unternehmen wahrnimmt, anstatt abzuwandern. Gezieltes Diversity Management will sie entdecken. Dadurch erreichen die Unternehmen in der Praxis regelmäßig eine Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit und eine längere Verweildauer von Fach- und Führungskräften.


Zur Person

(© Privat)

Michael Güttes (michael.guttes@mercuriurval.com) ist Vice President Board & Executive Services bei Mercuri Urval in Düsseldorf. Seine Schwerpunkte sind Board & Executive Search, Post Merger Integration, Cross­Border­Transaktionen (u.a. China Desk) sowie Nachfolgeplanung für Unternehmer. www.mercuriurval.com

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