Distressed M&A – worauf es bei Übernahmen ankommt

Käufer und Verkäufer sollten stets eine umfassende Analyse durchführen

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Inflation, steigende Zinsen, hohe Kosten und unsichere weltpolitische Situationen: Die Umstände sind für viele Betriebe derzeit schwierig. Experten rechnen in einigen Branchen mit weiteren Marktbereinigungen. Steht ein M&A-Prozess an, muss dieser sehr gründlich vorbereitet sein – insbesondere bei Unternehmen in der Krise.

Im Jahr 2023 geht es bislang auf dem M&A-Markt so weiter, wie das Vorjahr geendet hat: durchwachsen. Die Zahl der Transaktionen sinkt. Beim M&A-Volumen war nach Angaben des Datenanbieters Refinitiv im ersten Quartal erneut ein Rückgang zu verzeichnen: -12% im Vergleich mit dem bereits schwachen Quartal des Vorjahres und der niedrigste Wert eines ersten Quartals seit 2016. Durch die derzeitigen vielfältigen Herausforderungen rechnen Experten damit, dass vor allem notleidende Akquisitionen die größte Triebkraft für die Aktivitäten der Verkäuferseite im laufenden Jahr sein werden.

Diese Herausforderungen machen M&A-Deals für einige Branchen unumgänglich. Die aktuelle Situation in der Beratung zeigt, dass Transaktionen vor allem in solchen Branchen weiterhin zu erwarten sind, die sich in Krisensituationen befinden. Dabei stellt sich für die Käufer aus strategischer Sicht die Frage, ob es die richtige Zeit ist, einen Wettbewerber zu übernehmen. Distressed M&A können für Investoren große Chancen bieten. Wie allerdings stellt man sicher, dass die Transaktion auch langfristig einen Wertbeitrag schafft und der notwendige Turnaround gelingt? Die Erfahrung zeigt, dass die Analyse und Vorbereitung von großer Bedeutung sind; das heißt, der gesamte Prozess muss inhaltlich gut vorbereitet werden, und zwar auf Käufer- und Verkäuferseite.

Käufer sollte Kennzahlen prüfen

Jede Transaktion eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils unterliegt individuellen Herausforderungen, die aus internen und auch externen Faktoren bestehen. Der M&A-Berater wird daher das Kaufobjekt zunächst umfassend prüfen. Im Rahmen dieser sogenannten Due Diligence werden die wirtschaftlichen, finanziellen, steuerlichen, technischen und rechtlichen Gegebenheiten des Unternehmens einer detaillierten Analyse unterzogen. Befindet sich das Unternehmen in der Krise, muss die sogenannte Distressed Due Diligence erfolgen, für die der Schwerpunkt der Prüfung im Einzelfall besonders zu bestimmen ist. Hier müssen vor allem auch die Krisenursachen und deren mögliche Beseitigung, Chancen des aktuell in Schwierigkeiten befindlichen Kaufobjekts bewertet werden und in die Analyse einfließen, damit die Investition richtig bewertet werden kann. Aber: Die Zielunternehmen in der Krise bieten lukrative Möglichkeiten für spezialisierte Investoren, die über ausreichend Erfahrung im Umgang mit Krisenunternehmen − und der nötigen Liquidität − verfügen.

Bei einem Kauf oder Verkauf werden im besten Fall immer erfahrene M&A-Experten hinzugezogen. Sie prüfen rechtliche und finanzielle Voraussetzungen gleichermaßen. Bei der Financial Due Diligence beispielsweise müssen konkret die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens analysiert werden. In der Regel liegt der Fokus dabei auf den Finanzkennzahlen wie Umsatz, EBITDA und EBIT. Insbesondere das um Sondereinflüsse bereinigte EBITDA wird häufig als Maßstab für die Unternehmensbewertung herangezogen.

Zudem ist ein Blick auf das Working Capital wichtig. Diese Kennzahl gibt an, in welchem Umfang das Umlaufvermögen eines Betriebs die kurzfristigen Verbindlichkeiten abdeckt. Die Analyse einer wirtschaftlich tragbaren Zielstruktur ist dabei entscheidend. Die Bewertung des Vorratsvermögens birgt hier Risiken. Darüber hinaus ist bei reinen Asset Deals zu beachten, dass Forderungen in der Regel nicht mit übergehen und entsprechend eine Kapitalausstattung nach der Übernahme notwendig ist, um nach dem Transaktionsstichtag in den ersten Wochen die fehlenden Einzahlungen aus Forderungen auszugleichen. Das bedeutet konkret: Selbst ein vermeintlich niedriger Kaufpreis kann sich langfristig als ein teures Investment erweisen – vor allem dann, wenn nach dem Kauf ein erheblicher Liquiditätsbedarf auf den Käufer wartet.

Beim zu erwerbenden Krisenunternehmen können beispielsweise aber auch interne Schwächen wie suboptimale Reporting- und Risikomanagementsysteme und fehlende interne Kontrollen vorliegen. Nach einem Kauf und einer Integration müssen daher neben einer neuen strategischen Ausrichtung sowie einer Anpassung des Produktportfolios auch die internen Prozesse und Strukturen aktualisiert werden. Auch hier entsteht beim Käufer ein erheblicher Investitionsbedarf in den ersten Monaten nach der Transaktion.

Die Erfahrung aus jahrelanger Begleitung von Transaktionen – auch in Krisenzeiten – zeigt deutlich, dass diese Faktoren, die nach der Transaktion relevant werden, oft nicht genug beachtet und vom kaufenden Unternehmen teilweise auch unterschätzt werden. Nicht selten kommt es daher zu Folgeinsolvenzen, weil die entsprechende Liquidität nicht eingeplant wurde und fehlt. Im schlechtesten Fall kann es sogar passieren, dass solche Transaktionen die gesamte Unternehmensgruppe des Erwerbers in Gefahr bringen.

Auch der Verkäufer ist in der Pflicht

Beim Verkauf eines Unternehmens haben die Verantwortlichen in der Regel die Wahl zwischen zwei Kategorien von Unternehmenskäufern: strategische Investoren oder Finanzinvestoren. Zum Einstieg bestehen unterschiedliche Möglichkeiten, die je nach Wahl andere Vorbereitungen erfordern. Ein Share Deal bedarf einer anderen Vorbereitung und Umsetzung als ein Asset Deal, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Aus Verkäufersicht sind eine realistische Unternehmensbewertung und ein diskreter Verkaufsprozess wichtig. Vor allem Kunden oder Lieferanten könnten sonst verunsichert werden, wenn die Verkaufsabsicht bekannt wird. Dies kann den Prozess erschweren und eine mögliche Transaktion sogar verhindern.

Daneben sind vielerlei rechtliche Themen zu beachten. Vor allem bei Distressed-Transaktionen sollte der Verkäufer wichtige Punkte berücksichtigen. So müssen unbedingt die Prüfung der Zahlungsfähigkeit beziehungsweise mögliche Insolvenzantragsgründe vor der Transaktion geprüft werden. Denn es gilt: Stellt das verkaufte Unternehmen wenige Wochen später einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht, drohen dem Verkäufer mögliche Anfechtungsansprüche. Der Insolvenzverwalter kann Beträge zurückfordern. Es drohen zudem Haftungsansprüche und weitere rechtliche Risiken. Es ist daher zu empfehlen, erfahrene Experten hinzuzuziehen, die eine Analyse dieser Szenarien im Vorfeld der geplanten Transaktion vornehmen.

FAZIT

Ob Käufer oder Verkäufer: Auf beiden Seiten müssen bei einem Unternehmenskauf vielfältige Sachverhalte geprüft werden. Um hohe Ansprüche oder spätere rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, sollten bei Distressed Deals krisenerfahrene Spezialisten hinzugezogen werden, im besten Fall mit Kenntnissen in juristischen und wirtschaftlichen Fragestellungen.

 

Unternehmenskauf: Was es zu beachten gilt

  • Analyse: Sicherheit bei einem Kauf bietet eine umfassende Prüfung im Rahmen der Due Diligence.
  • Diskretion: Gerüchte über mögliche Verkäufe oder Käufe können Vertrauen gefährden und damit den Prozess nachhaltig beeinflussen.
  • Risiko: Das unternehmerische Risiko trägt der Käufer ab dem vereinbarten wirtschaftlichen Übergang.
  • Haftung: Auch dem Verkäufer drohen Haftungsrisiken. Mögliche Insolvenzantragsgründe müssen vor der Transaktion geprüft und der Zeitplan bestimmt werden.
  • Nach der Transaktion: Der Kaufpreis ist nicht allein entscheidend. Durch eine Übernahme und die folgende Integration entsteht oft ein zusätzlicher Liquiditätsbedarf beim Käufer, der nicht unterschätzt werden darf.

 

Der Beitrag ist in der Unternehmeredition-Magazinausgabe 2/2023 erschienen.

Autorenprofil
Dr. Maximilian Pluta
Dr. Maximilian Pluta

Dr. Maximilian Pluta ist Managing Partner der Pluta Rechtsanwalts GmbH und Geschäftsführer der Pluta Management GmbH. Er leitet den Geschäftsbereich Sanierung und Restrukturierung. Als Rechtsanwalt, Steuerberater und Diplom-Kaufmann hat er bereits zahlreiche größere Unternehmen bei der Sanierung und Restrukturierung oder der Vorbereitung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung begleitet.

www.pluta.net

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