„Es gibt Verwerfungen am Private Equity-Markt“

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Die aktuelle Corona-Krise trifft nicht nur Tourismus, Messen, Einzelhandelsgeschäfte und andere Unternehmen – auch der Private Equity Markt spürt die Auswirkungen. Es liegt nahe, dass in unsicheren Zeiten die Verhandlungsparteien bei Unternehmensverkäufen ihre Claims neu abstecken. Sinken die Preise? Platzen viele Deals? Wie ist die Stimmung in der Branche? Unternehmeredition-Redakteur Alexander Görbing sprach darüber mit Mathias Weidner, Senior Partner Business Development bei der DPE Deutsche Private Equity.

Es gibt eine Entwicklung zu einem Käufermarkt

„Ich sehe gerade die Entwicklung zu einem Käufermarkt. Die Stimmung hat sich gedreht“, erklärt Weidner zur Situation zwei Wochen nach dem Inkrafttreten der bundesweiten Ausgangsbeschränkungen. In seinen Gesprächen mit Beratern und Intermediären hört er von vielen Unternehmen, die fast alle Projekte auf „on hold“ gestellt haben. Durch die neue Situation stimmen die wirtschaftlichen Annahmen nicht mehr. Es sei aktuell auch sehr schwer, die Auswirkungen der Krise zu prognostizieren. Daher sei in vielen Fällen erst einmal abwarten angesagt. Dies führe auch dazu, dass weniger Deals im Markt sind.

Bewertungsniveau könnte um bis zu 20% sinken

Die Krise sorgt auch für Preisabschläge bei den Unternehmensverkäufen. „Ich habe teilweise schon von Discount-Forderungen im Bereich zwischen 40 und 50% gehört – aber das sind wohl Extremfälle“, sagt Weidner. Mittel- bis langfristig sieht er aber ein Absinken der Bewertungen in einem Bereich von bis zu 20 Prozent. Aufgrund der hohen Liquidität im Markt sei das Bewertungsniveau zuletzt zu hoch gewesen, die Auswirkungen des Corona-Virus bringen nach Weidners Ansicht eine gewisse Beruhigung.

Mehr Distressed Fälle am Markt

Die wirtschaftliche Krise bringt es gleichzeitig mit sich, dass immer mehr Unternehmen in Schwierigkeiten geraten. „Es werden deutlich mehr Distressed Fälle am Markt erwartet. Wir bekommen aktuell einige derartige Angebote“, so Weidner weiter. Unternehmen, die schon vor der Krise mit Problemen zu kämpfe hatten, sehen sich jetzt natürlich noch größeren Schwierigkeiten ausgesetzt.

Liquidität muss gesichert werden

Für viele Firmen komme es nun erst einmal darauf an, die Liquidität zu sichern. „Auch Private Equity-Fonds müssen sich aktuell darum kümmern, die Lage in ihren Portfolio-Unternehmen zu sichten und unter Umständen Sanierungsmaßnahmen einzuleiten“, erklärt Weidner. Das bindet nach seiner Meinung aktuell die Kräfte bei vielen Finanzinvestoren für einen Zeitraum von voraussichtlich vier bis acht Wochen. In dieser Phase hätte man wenig Kapazitäten, um sich mit neuen Deals zu beschäftigen.

DPE hat frühzeitig eine offene Kommunikation gesucht

Als sich die Anzeichen für eine schwere Krise mehrten, hat die DPE bewusst eine offene Kommunikation gesucht. „Wir haben mit Mailings sowie Off- und Online-Maßnahmen im Markt unsere Partner und unser Netzwerk darüber informiert, dass wir als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und dass wir auch noch Kapazitäten für Investments haben“, sagt Weidner. Diese Botschaft sei im Markt sehr gut angekommen. Man habe mit dieser antizyklischen Kommunikationsstrategie auch die Lehren gezogen aus der Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009. Eine weit verbreitete Unsicherheit habe hier einen unnötig großen Schaden verursacht.

Corona-Krise umfassender als die Finanzkrise 2008

Weidner sieht die aktuellen Verwerfungen durch die Corona-Krise teilweise als umfassender an als bei der Finanzkrise vor gut zehn Jahren. Aktuell seien praktisch alle Länder betroffen – niemand werde verschont. Daher sei es auch praktisch unmöglich für Unternehmen, alternative Kunden oder Märkte zu finden. Auch die klassischen konsumorientierten Konjunkturprogramme würden jetzt erst einmal nicht greifen, da sie aufgrund der Ausgangsbeschränkungen gar nicht genutzt werden können.

 


ZUR PERSON

Mathias Weidner ist Senior Partner Business Development bei Deutsche Private Equity. Davor war er acht Jahre in leitenden Managementpositionen bei Mittelständlern tätig und langjähriger Partner bei einem international führenden Beratungsunternehmen für Mergers & Acquisitions. www.dpe.de

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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