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„Die Supply Chain hat eine völlig neue Bedeutung bekommen“

Foto: © tippapatt_AdobeStock

Familienunternehmen stehen an der Schwelle zum Jahr 2023 vor vielerlei Herausforde­run­gen, die gefühlt gleichzeitig bewältigt werden müssen: Energiekostensteigerungen, unterbro­chene Lieferketten, unsichere Gasversorgung, zweistellige Inflationsraten, steigende Zinsen und Ukrainekrieg. In kürzester Zeit hat das Supply-Chain-Management eine völlig neue Bedeu­tung bekommen. Wir sprachen mit Alexander Hornikel, Senior Partner bei Kloepfel Consulting.

Unternehmeredition: Herr Hornikel, seit über zehn Jahren sind Sie einer der renommiertesten Experten im Markt, wenn es um die Identifikation von Einsparpotenzialen und die Optimierung der Supply Chain im Mittelstand geht. Wie erlebten Sie die vergangenen zwölf bis 24 Monate?

Alexander Hornikel: Das Thema Kostenoptimierung ist in der Tat in den Hintergrund gerückt. Durch die vielen weltweiten Krisen liegt der Schmerz der Unternehmen hauptsächlich bei den hohen Energiekosten, den Lieferengpässen und der Sorge vor Produk­tionsausfällen bei vollen Auftragsbüchern.

Was raten Sie den Unternehmen?

In Sachen Lieferengpässe empfehlen wir vier Sofortmaßnahmen: Risiken ana­lysieren, Bestandsmanagement optimie­ren, Rohstoffkosten transparent machen und alternative Bezugsquellen erschließen. Die Risikoanalyse sollte nach Warengruppen, Lieferanten und Ländern durchgeführt werden, um daraus Maßnahmen zur Risikobehandlung abzuleiten. Viele unserer Kunden haben zudem eine Task Force eingerichtet. In Teilen begleiten wir auch als „Sparrings­partner“ die Unternehmen als Task-Force-Mitglied.

Es empfiehlt sich außerdem, das Bestellvolumen zu erhöhen und, wenn mög­lich, das eigene Lager aufzustocken. Dazu gehört auch die Suche nach zusätzlichem Lagerraum, um die Lager­kapazitäten auszuweiten. Dabei muss gut überlegt werden, wie viel Geld man im Lager zugunsten der Versorgungs­sicherheit binden möchte.

Was verbirgt sich hinter Ihrem Tipp „Rohstoffkosten transparent machen“?

Leider kennen viele Unternehmen – insbesondere mittelständische – nicht direkt den Einfluss der Rohstoffkosten auf ihre Produktkosten. Erst mit einer transparenten Kostenstruktur lassen sich die richtigen und wichtigen nächsten Schritte definieren. Diese können von Nachverhandlungen, Benchmarking, Ausschreibungen, technischen Wert­ana­lysen bis zur Suche nach Substituten und Workshops mit Lieferanten gehen. Daher zerlegen immer mehr unserer Kunden ihre Kostenstruktur in die wichtigsten Kostenblöcke und fordern dies auch von den Lieferanten ein. Offe­ne Kalkulationen sind dabei die Grundlage für wirkliche Partnerschaften.

Was sind Ihre Tipps, um Alter­nativlieferanten zu finden?

Wer Alternativlieferanten erschließen möchte, muss über den Tellerrand beziehungsweise seine Branche hinausschauen, um versteckte Überkapazitäten am Markt zu sondieren. Dazu gehört auch, Netzwerke der Verbände, der Einkäufercommunity und Einkaufs­berater branchenübergreifend und weltweit anzufragen. Ein Beispiel: Zwar verfügen beispielsweise Automotive und Maschinenbau über unterschiedliche Ausprägungen, können aber teilweise dennoch dieselben Zulieferer für sich nutzen. Einige Hersteller beliefern nicht nur Automobilserienabnehmer, sondern auch den Sonderfahrzeugbau oder den allgemeinen Maschinenbau. Wenn es Unternehmen schwächelnder Branchen schlecht geht, kann es daher gut sein, dass deren Lieferanten eventuell unerkannte Überkapazitäten haben, von denen Mittelständler florierender Branchen profitieren können. Deswegen lohnt es sich auch, weltweit und branchenüberreifend anzufragen und zu netzwerken, um herauszufinden, wer für welche Materialgruppen welche Lieferanten und welchen Händler kennt. Gerade hier können wir auch als Teil der weltweit aufgestellten Epsa Group oft über unseren Marketplace unterstützen.

Was raten Sie Ihren Kunden bezüglich der Energiekrise?

Kloepfel Consulting hat eine Checkliste gegen Gasengpässe erstellt. Diese beinhaltet Maßnahmen, die unsere Kunden bereits erfolgreich in den eigenen Werken und in der Lieferkette umgesetzt haben.

Eigentlich sind die volkswirtschaft­lichen Rahmenbedingungen alles ande­re als eine Steilvorlage für boomendes Geschäft mit Fusionen und Übernahmen. Trotzdem ist der M&A-Markt nach einer kleinen Delle am Jahresanfang wieder stark in Schwung gekommen und auch der Ausblick für 2023 scheint positiv. Wie ist Ihre Einschätzung?

Wir alle lernen aus der aktuellen Lage sehr viel dazu, und der Mittelstand hat auch schon aus vergangenen Krisen viel dazugelernt und sich weiterentwickelt. Es gibt viele an sich sehr gesunde Unternehmen, die durch M&A gestärkt werden können – darauf sollte man sich konzentrieren. Derzeit haben wir über 200.000 Unternehmen, die ihre Nachfolge lösen müssen. Befeuert wird der M&A-Markt durch viele neuartige Techno­logien und digitale Geschäftsmodelle. Auf der Verliererseite stehen die Unternehmen, die ihre Lieferkettenprobleme und die immer weiter fortschreitende Disruption nicht in den Griff bekommen.

Private-Equity-Fonds werden immer mehr zur dominierenden Käufergruppe im deutschen Mittelstand und treiben damit auch aktiv Digitalisierung, Globalisierung und generell die Transformation der Wirtschaft voran. Wie unterstützen Sie Private-Equity-Käufer auf ihrem Weg und welche Trends sehen Sie dabei?

Wir entwickeln Maßnahmen zur Steigerung des Unternehmenswerts, schon oft ab der ersten Stunde bei der Einbeziehung in die „DD“. Dazu zählen unter anderem Kosteneinsparungen, um die Wett­bewerbsfähigkeit zu verbessern. Dabei geht es längst nicht mehr darum, Einkaufspreise zu verhandeln, sondern auch um die technische Optimierung von Produkten. Weitere Themen sind Prozessoptimierungen, Personal, das Lieferkettengesetz und die Digitalisierung. Verstärkt im Fokus der Private-Equity-­Gesellschaften ist ganz klar das Risikomanagement, das die Unternehmen vor Lieferengpässen und anderen Krisen schützt.

Noch eine persönliche Frage: Welcher Unternehmer/welches Unternehmen hat Sie in den zurückliegenden Quartalen besonders beeindruckt?

Dazu könnte man ein eigenes Buch schreiben. Gerade durch mein über 20-jähriges Ehrenamt beim Verband der Familienunternehmer lerne ich viele Unternehmen kennen, die mich beeindrucken. Familienunternehmer lernen schnell dazu, sind anpassungsfähig und finden kreative sowie pragmatische neue Wege, etwa ihre Lieferengpässe abzumildern oder gar zu schließen und ihre Supply Chain zu stärken.

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

redaktion@unternehmeredition.de


ZUR PERSON

Alexander Hornikel ist Senior Partner bei der Kloepfel Consulting GmbH, wo er den Vertrieb verantwortet. Vor seinem Eintritt bei Kloepfel Consulting konnte er seine Beratungsexpertise zuletzt im Bereich Vertriebs- und Marketingstrategie erfolgreich einsetzen. Er ist zusätzlich ehrenamtlich als Bundesvorstand im Verband Die jungen Unternehmer – BJU von Die Familienunternehmer – ASU e.V. sowie im Europäischen Wirtschaftsforum e.V. – EwiF tätig.

a.hornikel@kloepfel-consulting.com

Das Interview ist in der Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2022 erschienen.

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