“Die Situation in unseren Unternehmen ist nach wie vor stabil”

Interview mit Christian Futterlieb, Geschäftsführer, VR Equitypartner

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Als Teil der Genossenschaftlichen FinanzGruppe setzt VR Equitypartner auf eine langfristige Zusammenarbeit mit seinen Beteiligungsunternehmen. Ein Erfolgsrezept des Small-Cap-Investors liegt auf soliden Geschäftsmodellen und einem insgesamt ausgewogenen Portfolio. Wir sprachen mit Christian Futterlieb, dem Geschäftsführer von VR Equitypartner, über seine Einschätzung der aktuellen Lage.

Unternehmeredition: Die wirtschaftliche Schwäche hält an. Auch für 2025 sind die Prognosen nicht gut. Wie entwickeln sich Ihre Portfoliounternehmen in dieser Gemengelage?

Christian Futterlieb: Angesichts der aktuellen Gemengelage schlagen sich unsere Unternehmen ganz gut. Allerdings lässt der Auftragseingang in vielen unserer Beteiligungen seit dem Sommer nach. Man spürt, dass es generell ruhiger geworden ist. Die deutsche Wirtschaft wächst im Moment nicht wesentlich, es zeigen sich aber auch keine wirtschaftlichen Verwerfungen. Dennoch stellen wir bei unseren Mittelstandsbeteiligungen eine Zurückhaltung bei größeren Investitionen wie in neue Werke oder Produktionsstandorte fest. Keiner möchte sich angesichts der spürbaren Unsicherheiten und mangelnden Planbarkeit festlegen. Die geringe Investitionsfreude gilt im Augenblick für den gesamten deutschen Mittelstand und ist kurzfristig nicht visibel, birgt aber hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie langfristige Risiken.

Woraus resultiert diese Unsicherheit?

Deutschland befindet sich derzeit in einer Sondersituation in Europa. Da sind zum einen die im internationalen Vergleich immer noch sehr hohen Energiekosten. Überdies sind viele Unternehmen im Mittelstand auf ihrer Absatzseite auf investive Ausgaben angewiesen; die fehlen häufig. Der internationale Absatz läuft zwar regionenabhängig besser – das sehen wir auch in unseren Portfoliounternehmen –, aber der heimische Markt gibt den Unternehmen häufig keinen Rückenwind. Die Lieferketten funktionieren zwar im Großen und Ganzen wieder, es gibt aber bisweilen den ein oder anderen Engpass. Ein weiterer Punkt: Durch die Pandemie gab es für einige Waren eine Übernachfrage, die sich jetzt langsam abbaut. Alles in allem kann man sagen: Deutschland verzeichnet keinen Konjunktureinbruch, aber man merkt, dass sich diese Unsicherheiten in der Breite auf die Nachfrage und die Stimmung in der Wirtschaft niederschlagen.

Forciert die aktuelle Situation die Nachfolgesuche der Unternehmen – und bietet dies für VR Equitypartner Einstiegschancen?

Ja, das Umfeld zum Investieren in Nachfolgelösungen ist gerade im Small-Cap-Bereich gut. Auch beim Preisniveau sehen wir attraktivere Bedingungen. Wir können deshalb auch einige spannende Neuzugänge im Portfolio verzeichnen und werden insgesamt im Jahr 2024 ein hervorragendes Neugeschäft haben, das über unseren Planungen liegt. Viele Unternehmer fragen sich angesichts der sich abwechselnden Krisen, ob sie nicht lieber früher als später an die nächste Generation abgeben. Hinzu kommt, dass es immer schwieriger wird, Nachfolger zu finden. Die Lust, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen, sinkt. Deshalb entschließen sich manche Unternehmer, die vielleicht erst in fünf oder zehn Jahren aufhören wollten, die Nachfolgesuche jetzt schon anzugehen, bevor es noch schwieriger wird. Je kleiner die Einheiten sind, desto schwieriger wird es, geeignete Nachfolger zu finden.

Wie entwickeln sich die Finanzierungskonditionen?

Die Zinsen sind gesunken – das ist zunächst einmal gut bei Fremdfinanzierungen. Ob die Zinsen weiter sinken werden oder sogar wieder steigen, hängt stark von politischen Investitions- und Budgetentscheidungen dies- und jenseits des Atlantiks ab. Deswegen sehe ich keinen Automatismus für signifikant weiter sinkende Zinsen. Andererseits haben höhere Zinsen auch einen preisdämpfenden Einfluss auf die Unternehmenswerte. Die Multiples sind schon zurückgegangen. Das heißt, wir können im aktuellen Finanzierungsumfeld gut Neugeschäft auch mit Finanzierungen darstellen. Richtig ist: Wir haben kein so komfortables Umfeld wie in früheren, entspannteren Phasen. Die Risikoaversion ist deutlich gestiegen.

Wie sieht es auf der Exitseite aus?

Nach der ausgezeichneten Phase in der Coronazeit ist wieder Realismus eingezogen, vor allem bei den Bewertungen. Auffällig ist eine klare Segmentierung nach Branchen. Technologie- oder Energieunternehmen sind gut platzierbar, Unternehmen aus zyklischen Branchen wie der Autoindustrie trotz attraktiver Bewertungen zum Teil gar nicht.

Wie bewerten Sie die Aussichten für das nächste Jahr?

Auch wenn wir mittel- und langfristig für den deutschen Mittelstand unverändert optimistisch sind, ist das mit Blick auf das erste Halbjahr schwer zu sagen. Vermutlich werden wir auch in der ersten Jahreshälfte kein überbordendes Wachstum sehen. Trotzdem besteht die Möglichkeit, dass seitens der Politik die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in den Fokus gestellt wird, was grundsätzlich das Potenzial für einen Stimmungsumschwung birgt. Unabhängig davon gibt es viele erfolgreiche Unternehmen im deutschen Mittelstand, die sich stark in ihrer Branche differenzieren und die laufenden technischen Entwicklungen aktiv nutzen können. Entscheidend sind die Menschen dahinter, denn eine gute Mannschaft kann mit Unwägbarkeiten umgehen. Diese Unternehmen gilt es zu finden und zu unterstützen. Davon gibt es glücklicherweise genug im deutschen Mittelstand.

Das Interview führte Bärbel Brockmann.

👉 Dieser Beitrag erscheint auch im November-Update des Spezials “Investoren im Mittelstand”.


ZUR PERSON                                           

Christian Futterlieb,

Geschäftsführer,

VR Equitypartner

christian.futterlieb@vrep.de

Autorenprofil
Bärbel Brockmann

Bärbel Brockmann ist eine freie Wirtschaftsjournalistin, die schwerpunktmäßig über Finanz-, Energie- und Immobilienthemen schreibt. Die frühere Leiterin des Düsseldorfer Korrenspondentenbüros der Nachrichtenagentur Reuters begann ihre berufliche Karriere bei einer großen Regionalzeitung.

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