Die Macht der integrierten Due Diligence im Verkaufsprozess

Die Verzahnung unterschiedlicher Ansätze gewinnt an Bedeutung

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In einem anspruchsvolleren Finanzierungsumfeld haben sich auch die Dynamiken von Verkaufsprozessen spürbar verändert. Während die Due Diligence vor Kurzem noch sehr fokussiert auf für die Herleitung des Kaufpreises relevante Aspekte war (sogenannte Equity-Bridge), verlangen die Entscheidungsträger heutzutage mehr Einblicke. Das Geschäftsmodell wird einer deutlich intensiveren Prüfung unterzogen. Der Fokus liegt auf dem Unternehmenswachstum und der Margenentwicklung. 

Die längeren und umfangreicheren Prüfungen beeinflussen den Prozess auf allen Seiten nachhaltig. Auf Verkäuferseite bedarf der Prozess einer erheblich besseren Vorbereitung, um auf kritische Fragen umfassend, souverän und überzeugend zu antworten. Häufig werden sie nun auch im mittelständischen Bereich durch Aufbereitung des Zahlenwerks des Unternehmens in Form einer Vendor Financial Due Diligence (VFDD) oder eines Financial Fact Book (FFB) adressiert. Insbesondere das Financial Fact Book erfreut sich dabei einer immer stärkeren Verbreitung. Aufgrund der fehlenden Haftung seitens des Aufbereiters ersetzt dieses zwar nicht die Due Diligence seitens des Käufers, verkürzt den Prozess aber erheblich.

Weniger gängig ist die Aufbereitung der Daten und Fakten des zu verkaufenden Unternehmens im Hinblick auf kommerzielle, operative und ökologische Aspekte. Seitens der Beteiligten wird die Notwendigkeit dieser Analysen häufig infrage gestellt und auf Investmentdokumente verwiesen (Teaser, vertrauliches Investment-/Informationsmemorandum, Managementpräsentation). Dort werden zwar im Regelfall Marktzahlen, Kundenlisten und Wettbewerberbenchmarks präsentiert. Was hingegen nicht erfolgt, sind detaillierte und aussagekräftige Analysen zu diesen Daten. Selten werden externe Dokumente und Expertenmeinungen berücksichtigt, die die Managementperspektive und die Investmenthypothesen stützen. Die Folgen sind Due-Diligence-Handlungen auf Käuferseite, die erhebliche Risiken bergen:

  • Unruhe im Mitarbeiter- und Kundenumfeld

Die Durchführung der Due Diligence im Kundenumfeld wird von den Kunden als störend empfunden, insbesondere wenn diese Anfragen oder Audits ihre Beziehung zum Unternehmen beeinträchtigt. Ein gut vorbereiteter und strukturierter Prozess gepaart mit der entsprechenden Erfahrung bei Kundeninterviews ist für die Informationsbeschaffung ausschlaggebend. Bei unzureichender Koordination zwischen verschiedenen Prüferteams besteht die Möglichkeit, dass sensible Unternehmensinformationen unbeabsichtigt offengelegt werden. Dies könnte zu rechtlichen oder wettbewerbsbezogenen Herausforderungen führen.

  • Fehlender Kontextbezug der Ergebnisse

Unterschiedliche Prüferteams könnten verschiedene Ansätze verwenden, um Informationen zu sammeln. Dies könnte zu Inkonsistenzen und Widersprüchen in den bereitgestellten Informationen führen, was die Glaubwürdigkeit der gesammelten Daten beeinträchtigen könnte. Durch die potenziell fragmentierte Sicht auf die Unternehmenslage könnte der Kontext nicht adäquat widergespiegelt und somit die Entscheidungsfindung seitens der Käufer erschwert werden.

  • Reibungsverluste im Verkaufsprozess

Eine gemeinsame Nutzung von Ressourcen, Daten und Fachwissen über verschiedene Funktionsbereiche hinweg kann dies verhindern und zu Kosten- und Zeiteinsparungen sowie zu weniger Doppelarbeit führen.

Auf integrierte Due Diligence setzen

Um diese Risiken zu reduzieren oder sogar gänzlich zu umgehen, ist es ratsam, im Rahmen der verkäuferseitigen (Vendor) Due Diligence oder beim Fact Book auf einen integrierten Ansatz zu setzen. Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass sämtliche Unterlagen auf derselben stabilen Ausgangsbasis beruhen, welche als der „Steady State“ bezeichnet wird. Konkret bedeutet dies, dass die Dokumentationen (Fact Books, Teaser, Informationsmemoranden) sich auf identische Zeitspannen und auf vergleichbare Kundensegmente, geografische Regionen, Produktkategorien und weitere relevante Parameter beziehen. Diese Unterlagen ergänzen sich in einer Weise, die Redundanzen vermeidet und somit ein ganzheitliches Bild des Unternehmens zeichnet.

Konkret bietet der integrierte Ansatz bei professioneller Ausführung folgende Vorteile:

  • Höhere Entscheidungsqualität
    Intransparenz ist insbesondere bei kleinen Unternehmen der größte Wertevernichter im Verkaufsprozess. Unsicherheit bezüglich der Ertragsaussichten resultiert in aller Regel in Abschlägen beim Verkaufspreis. Auf Basis gründlicher Analysen können die Entscheidungsträger fundiertere und datengestützte Entscheidungen treffen. Sie können die potenziellen Vor- und Nachteile der Transaktion bewerten und so bessere Bedingungen aushandeln.
  • Korrekte Einordnung und Präsentation des Geschäftsmodells
    Den zweiten großen Wertevernichter bildet die Einordnung des Geschäftsmodells. Die Art und Weise, wie ein Unternehmen präsentiert wird, sei es als Druckerei mit integrierter Redaktion oder als Content-Provider, kann einen erheblichen Unterschied in der Bewertung bewirken. Dies wiederum beeinflusst das Spektrum potenzieller Bieter und kann zu erheblichen Abweichungen in den angewendeten Ergebnismultiplikatoren führen. Hierbei kommt der Equity Story eine essenzielle Rolle zu, indem sie das zu veräußernde Unternehmen ins beste Licht rückt. Kommerzielle Analysen helfen dabei, diese Einordnung zu untermauern. Unabhängige Kundeneinschätzungen sind häufig überzeugender als zielgerichtete Darstellungen in Investmentmemoranden.
  • Ausschöpfung der Potenziale
    In einem Umfeld von Fusionen und Übernahmen erweisen sich kommerzielle Analysen als wertvolles Werkzeug, um potenzielle Synergien zwischen dem akquirierenden Unternehmen und der Zielgesellschaft aufzudecken – insbesondere bei Buy-and-Build-Strategien. Diese Erkenntnisse ermöglichen eine tiefgreifende Einsicht in die wechselseitigen Ergänzungspotenziale beider Unternehmen. Durch diese wertvolle Perspektive lassen sich optimierte Integrationsstrategien entwickeln, die wiederum dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit nach dem Abschluss der Übernahme zu steigern.

FAZIT

Der integrierte Ansatz, in dem möglichst alle für den Käufer relevanten Fragen im Geschäftsumfeld gezielt angesprochen und gegebenenfalls auch begleitende Lösungsvorschläge präsentiert werden, bietet für alle Beteiligten Vorteile. Auf diese Weise entsteht eine vertrauensvolle Bindung zum Erwerber oder Investor, die ihm nicht nur Zuversicht hinsichtlich der Stabilität des Zielunternehmens vermittelt, sondern auch in Bezug auf seine Marktposition, die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen sowie seine operativen Fähigkeiten. Dies erhöht die Stabilität im Due-Diligence-Prozess. Die Kosten der Erstellung werden in der Regel durch geringeren Aufwand seitens des Managements und durch einen höheren Kaufpreis mehrfach übertroffen.



Die Komplexität heutiger Verkaufsprozesse erfordert einen strategischen Ansatz. Für eine integrierte Darstellung sind folgende Erfolgsfaktoren kritisch:

  1. Datenintegration und -analyse

Die Einrichtung eines robusten Datenverwaltungssystems und der Einsatz geeigneter Analysetools und -techniken ermöglichen umfassende Einblicke und fundierte Entscheidungen.

  1. Erfahrenes und vielseitiges Team

Die Zusammenstellung eines Teams mit Fachkenntnissen in verschiedenen Funktionsbereichen ist für eine erfolgreiche integrierte Due Diligence entscheidend. Das Team sollte über Erfahrungen in den Bereichen M&A, Finanzanalyse, Rechtsfragen, Betrieb und anderen relevanten Bereichen verfügen.

  1. Klare Ziele und Umfang

Die Festlegung klarer Ziele und des Umfangs der integrierten Due Diligence ist wichtig, um sicherzustellen, dass alle kritischen Aspekte des Zielunternehmens angemessen bewertet werden.

  1. Umfassende Planung

Die Entwicklung eines gut strukturierten und detaillierten Plans für die integrierte Due Diligence trägt dazu bei, dass alle erforderlichen Aspekte abgedeckt, die Ressourcen effektiv zugewiesen und die Zeitpläne festgelegt werden.

  1. Funktionsübergreifende Kommunikation und Einbindung von Interessenvertretern

Die Einbeziehung relevanter Interessengruppen aus verschiedenen Funktionsbereichen und Ebenen der Organisation fördert die Zusammenarbeit, die Abstimmung und ein umfassendes Verständnis des Zielunternehmens oder der Investition.

  1. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit

Die integrierte Due Diligence kann Anpassungen erfordern, wenn neue Informationen ans Licht kommen. Ein flexibler Ansatz und die Anpassungsfähigkeit an Veränderungen können die Gesamtqualität des Due-Diligence-Prozesses verbessern.



Dieser Beitrag erscheint in der nächsten Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2023 (Erscheinungstermin: 22.09.).

Autorenprofil
Dr. Stephane Müller

Dr. Stephane Müller ist Deal Advisory Partner bei Grant Thornton in Frankfurt. Er ist auf kommerzielle und strategische Analysen im M&A-Umfeld spezialisiert und hat über 20 Jahre Transaktionserfahrung im Small- und Mid-Cap-Bereich. Während dieser Zeit beriet er Hunderte Unternehmen aus verschiedenen Industrien in Verkaufs- und Refinanzierungsprozessen.

 

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