Unternehmeredition: Herr Prof. Hennerkes, welche aktuellen Trends gibt es bei der Nachfolge in Familienunternehmen?
Hennerkes: Hier vollzieht sich gerade ein erheblicher kultureller Wandel. Zum einen nimmt die Zahl der Gesellschafter in Familienunternehmen immer mehr zu. Wo mehr Menschen etwas zu sagen haben, gibt es auch mehr Auseinandersetzungen – das muss gut geregelt werden. Zum anderen verliert die Institution der Familie zunehmend an Bedeutung. Anstelle der klassischen Ehe von Mann und Frau treten immer mehr Lebensabschnittspartnerschaften, auch gleichgeschlechtliche Verbindungen nehmen zu. Zudem ändern sich Lebensgewohnheiten und Werte. Standen bei den Senioren Ordnung und Pünktlichkeit an erster Stelle, so zeichnen sich die Junioren heute mehr durch Veränderungsbereitschaft sowie Kreativität aus und bevorzugen Teamarbeit statt eines autokratischen Führungsstils. Darauf muss sich die Familie einstellen, wenn sie die Nachfolge erfolgreich regeln will.
Von welchen Familienunternehmen sprechen Sie?
Man darf nicht alle Familienunternehmen über einen Kamm scheren. Die große Vielzahl unserer Mittelständler ist auf eine Unternehmensnachfolge aus der Familie angewiesen. Für die Überbrückung einer Generationenlücke durch einen fremden Geschäftsführer sind sie zu klein. Wenn ich nachfolgend von Familienunternehmen spreche, so meine ich die größeren, die globalisiert tätig sind, die nicht nur die Hausbank, sondern auch andere Finanzierungsquellen nutzen, und solche, die auch von fremden Dritten geführt werden können. Eine reine Definition nach Umsatz, wie sie etwa die KMU-Definition der EU vorsieht, wird dem Thema nicht gerecht. So ist etwa ein Jahresumsatz von 50 Mio. EUR für eine Handelsfirma relativ niedrig, für einen Dienstleister dagegen relativ hoch. Einem typischen Mittelständler in unserem Sinne entspräche ein Produktionsunternehmen mit einem Umsatz von 50 Mio. EUR.
Wie beliebt ist der Stabwechsel innerhalb der Familie heutzutage noch?
Eine qualifizierte Nachfolge aus der Familie ist zu Recht immer noch die beliebteste Form des Generationswechsels – auch bei der Belegschaft. Ich habe in solchen Fällen häufig den offenen Applaus der Mitarbeiter erlebt. Die fachliche und menschliche Qualität des Nachfolgers ist aber stets oberstes Gebot. Im Falle eines Fremdgeschäftsführers kommt es darauf an, die Gesellschafter im richtigen Umgang mit dem neuen Firmenlenker zu schulen. Schließlich hat die Eigentümerfamilie die wichtige Aufgabe der Kontrolle und der Sinngebung. Ist eine Familie nicht mehr willens oder dazu in der Lage, den Betrieb fortzuführen, so ist es heute keine Schande mehr, das Unternehmen zu verkaufen. Dann gilt der Erhalt des Vermögens als höchster Wert.