„Die EZB erkauft sich eine teure Ruhe“

Unternehmeredition: Sie fordern also eine breite Diskussion, die auch die Bevölkerung Europas miteinbeziehen würde?

Ostermann:
Richtig. Schließlich haften statt privater Gläubiger nun immer mehr die Steuerzahler. Somit ist die gesamte Bevölkerung betroffen. Wir sind der Meinung, dass Griechenland nur außerhalb des Euros eine Chance hat, wieder wettbewerbsfähig zu werden. Eine Umschuldung ist parallel von Nöten, weil Griechenlands Schulden einfach zu hoch sind. Auch Deutschland wird aufgrund der immer stärkeren Schuldenvergemeinschaftung viele Milliarden Euro effektiv bezahlen müssen. Die deutsche Bevölkerung wird dann realisieren, dass ihre Steuergelder wirklich verloren sind und sie nicht nur mit eventuellen Risiken konfrontiert ist. Momentan ist die Problematik viel zu abstrakt und zu weit weg von den Bürgern. Zweifelsohne wäre ein Austritt vorerst sehr teuer, die Frage ist jedoch, was die Alternative wäre: Bleibt Griechenland im Euro-Raum, müsste es immer mehr an Hilfsgeldern zurückzahlen, ohne dass die bisher eingeleiteten Reformen greifen. Der Reformwille ist eben noch nicht ausreichend vorhanden und auch Innerhalb der Bevölkerung sozial schwer durchsetzbar, was man an den vielen Demonstrationen und Protesten ablesen kann.

Unternehmeredition: Das Szenario eines Griechenland-Austrittes ist jedoch stark umstritten, eben wegen der hohen und unvorhersehbaren Kosten, die damit für die restliche Euro-Zone entstehen würden. Was versprechen Sie sich davon?


Ostermann:
Ich glaube, nur durch einen Austritt aus der Euro-Zone hätte Griechenland eine Chance, wieder auf die Beine zu kommen, ansonsten müssten intern Preise und Löhne um 30 bis 50% gesenkt werden – ein Ding der Unmöglichkeit. Bei einem Austritt könnte die Währung abgewertet und Wettbewerbsfähigkeit wieder hergestellt werden. Die Angst der deutschen Regierung und der gesamten EU ist jedoch, dass es dann Domino-Effekte für andere bedrohte Staaten wie Spanien oder Italien geben könnte. Ich glaube jedoch, wenn wir so weitermachen wie bisher, stehen wir in ein bis zwei Jahren immer noch vor dem gleichen Problem, aber die Rettung wird dann noch teurer sein. Die Haftungsübernahme hemmt den Reformwillen, so dass sich die wirtschaftliche Situation in den Schuldenländern nicht verbessern wird. Irgendwann wird dann auch die deutsche Wirtschaft nicht mehr für die immer größer werdenden Schulden haften können und überfordert sein.
Unternehmeredition: Wie beurteilen Sie die Situation für andere Wackelkandidaten innerhalb der Euro-Zone: Spanien, Irland, Italien?

Ostermann:
Im Fall Irland beurteile ich die Situation durchaus positiv, da dort wirklicher Wille zu strukturellen Reformen erkennbar ist. Im Vergleich zu Griechenland hatte Irland jedoch von vornherein ein gut funktionierendes und feststehendes Geschäftsmodell. Italien sehe ich kritisch, da hier aufgrund des bald anstehenden Regierungswechsels viel Unsicherheit vorherrscht; ich habe auch den Eindruck, dass Ministerpräsident Monti nicht mutig genug an Reformen z. B. des Arbeitsrechts herangeht. In Spanien gehen die Reformen noch nicht weit genug, jahrzehntelang gewährte Privilegien werden nicht abgeschafft, mit fatalen Folgen für die junge Generation. Positive Beispiele sehe ich in Estland oder Lettland, die sich beide durch sehr harte und unpopuläre Reformen wieder nach vorne gebracht haben – daran lässt sich sehen, dass bei ausgeprägtem Reformwillen Fortschritte durchaus möglich sind.

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