„Der Zwang erhöht den Druck“  

„Die Pensionsrückstellungen in den Bilanzen der meisten Mittelständler sind wie tickende Zeitbomben“ – mit dieser Aussage sorgte Finanzanalyst Antonio Sommese für Aufsehen. Im Interview erklärt er, was das für den laufenden Betrieb von Unternehmen bedeutet und warum Verkaufsoptionen eingeschränkt werden. 

Welche Auswirkungen hat das auf die Beschäftigten?

Der Zwang, höhere Erträge aus dem laufenden Geschäftsbetrieb zu ziehen, erhöht den Druck auf alle Beteiligten, von den Führungskräften bis zur Belegschaft.

Sie geben auch Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern eine Mitschuld. Sie hätten Unternehmen das Modell vor Jahren empfohlen. Was bringt das dem Unternehmer jetzt?

Eine Schuld kann man den Steuerberatern nicht anlasten. Schließlich war diese Entwicklung damals kaum vorhersehbar. Vielmehr zeigt diese Entwicklung beispielhaft, dass heute mehr denn je agile Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gefragt sind, die sich nicht primär als Buchhalter, sondern als Unternehmensberater verstehen. Ein ständiges Nachjustieren ist unabdingbar.

Wie kommen Unternehmen aus der Bredouille?

Es gibt keine einfache Antwort auf diese Frage. Die Pensionszusagen der Firmen gegenüber ihren leitenden Angestellten gelten losgelöst von der aktuellen Zinslage. Die Unternehmen müssen also aus dem laufenden Betrieb heraus die erforderlichen Mittel erwirtschaften, um die Zusagen einhalten zu können. Es gelten also die klassischen Grundsätze zur Stärkung der Rendite: Umsätze hoch, Kosten runter. Wichtig ist, dass sich die Unternehmer dieser Problematik bewusst werden, um wenigstens die Möglichkeit zu erhalten, ihr entgegenzusteuern.

Sie sagen, dass ein geordneter Unternehmensübergang nicht mehr möglich ist, sobald die „Pensionsbombe“ platzt. Der Verkaufspreis eines Unternehmens hängt jedoch nicht ausschließlich von dieser Deckungslücke ab. Oder?

Natürlich gibt es noch zahlreiche weitere Aspekte bei der Bewertung eines Unternehmens. Ist eine Firma überplanmäßig erfolgreich und erwirtschaftet außergewöhnliche Erträge, kann die Pensionsproblematik ohne weiteres überwunden werden. Wenn das Unternehmen jedoch eher mäßige Wachstumsraten aufweist, die sich im Rahmen der Langfristplanung bei der Zusage der Pensionen bewegen, wird manch ein mittelständischer Unternehmer länger arbeiten müssen als geplant. Und es wird viele Fälle geben, in denen der Verkauf des Unternehmens an der Pensionsproblematik scheitern wird.


Zur Person

Antonio Sommese (© Finanzstrategie Sommese GmbH & Co. KG)
(© Finanzstrategie Sommese GmbH & Co. KG)

Antonio Sommese ist Geschäftsführer und Inhaber der Finanzstrategie Sommese GmbH & Co. KG. Als gelernter Bankkaufmann machte er sich 2003 selbstständig. Seitdem arbeitet er als Finanzexperte und ist Autor mehrerer Bücher zu Anlagestrategien. www.sommese.de

Autorenprofil

Tobias Schorr war von März 2013 bis Januar 2018 Chefredakteur der "Unternehmeredition". Davor war er für die Gruner + Jahr Wirtschaftsmedien im Ressort Geld als Redakteur tätig. Von 2003 bis 2007 arbeitete er zunächst als Redakteur, dann als Ressortleiter beim Mittelstandsmagazin "Markt und Mittelstand". Sein Handwerk lernte er an der Axel Springer Journalistenschule.

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