„Das Alter für den Renteneintritt könnte man streichen“

Auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren Sie gerade in Baden-Württemberg allerdings mit vielen Unternehmen um die High-Potentials.

Das ist richtig. In der Regel kennen uns Studienabgänger nicht. Sie machen bei den namhaften Unternehmen Praktika und bleiben häufig auch dort hängen. Es wäre vermessen zu glauben, dass wir diese Leute rekrutieren können. Sie bekommen Lockangebote, mit denen wir gar nicht konkurrieren können.

Wie verhält es sich bei den Älteren?

Da ist es etwas anders. Häufig neigen die namhaften Großbetriebe dazu, immer mal wieder, in regelmäßigen Abständen, Freisetzungswellen zu starten. Unsere Chance liegt darin, diese Leute anzuwerben.

Diese sind aber teuer.

Wir haben in Deutschland immer noch ein Senioritätsprinzip. Je älter die Mitarbeiter werden, desto teurer werden sie. Für uns ist allerdings der Betriebswert einer Person entscheidend. Da wir diese Menschen für Projekte einsetzen, rechnen wir das gegen. Die entscheidende Frage ist, wie rentabel ihr Einsatz für uns ist.

Wie rekrutieren Sie diese älteren Fachkräfte?

Die Quellen sind recht unterschiedlich. Mittlerweile haben einige auch aufgrund unserer Öffentlichkeitsarbeit erfahren, dass wir gerne 50-Plus-Leute einstellen, und wir erhalten deshalb regelmäßig Initiativbewerbungen. Bekannt geworden sind wir durch eine relativ reißerische Anzeige, in der wir ausdrücklich nach älteren Mitarbeitern Ausschau hielten. Diese schalteten wir völlig anachronistisch in einer Phase, in der Konzerne viele Mitarbeiter freisetzten.

Ihr Unternehmen ist mit dieser Strategie sicherlich ein Ausnahmefall – oder?

Überall dort, wo Menschen körperliche Tätigkeiten verrichten, sind dem Alter natürlich Grenzen gesetzt. Allerdings gibt es auch Firmen, die einen Jugendkult betreiben, etwa in der IT-Branche. Ab 40 Jahren gehört man teilweise schon zum alten Eisen und erhält meist Absagen auf Bewerbungen.

Ist das Modell Generation Y das Gegenmodell zu Ihrem?

In gewisser Weise ist dies ein Gegenentwurf, der aber auf viele Fragen keine Lösung findet. Im Gegensatz zu unserem Modell.

Warum?

Weil wir die komplette Erwerbsbiografie eines Mitarbeiters abbilden können. Dort wo Jugendkult herrscht, ist dies nicht der Fall. Denn es kann gesellschaftlich nicht wünschenswert sein, dass wir die Leute ab 40 in Rente schicken. Bei uns hat jedes Alter seine Berechtigung. Wir finden Ansätze und Möglichkeiten zur Beschäftigung für jede Altersklasse.

Wie ist denn die Altersstruktur im Unternehmen?

Wir haben etwa 70 Mitarbeiter. 20 Prozent sind zwischen 30 und 40 Jahre alt. Mehr als die Hälfte zwischen 40 und 60. Der Rest ist älter als 60 Jahre. Das Durchschnittsalter liegt bei 53 Jahren. Damit liegen wir weit über dem Schnitt in Deutschland, was natürlich mit dem Unternehmensgegenstand zusammen hängt. Damit ein Studienabgänger, der bei uns anfängt, ein Projekt selbstständig leiten kann, muss er 15 Jahre Berufserfahrung haben.

Jüngere Mitarbeiter binden sich immer weniger über lange Zeiträume an ein Unternehmen. Erfahrung spielt bei Ihnen jedoch eine große Rolle.

Das ist richtig. Meist gehen sie diesen Weg von 15 Jahren Beschäftigung bis hin zum Projektleiterstatus gar nicht mit uns mit. Es ist ja auch verständlich, dass sich ein junger Mitarbeiter eine interessante Vita aufbauen möchte. Bei einem älteren Mitarbeiter ist das nicht der Fall. Dessen Einsatz war für uns immer sehr gut planbar. Wir wussten, dass er keine Karriereambitionen mehr hat.

Ihr Vater ist 74 Jahre alt. Ist er noch im Unternehmen aktiv?

Er steht noch voll im Berufsleben und lebt vor, dass man mit 65 nicht zwingend in Rente gehen muss. Mit 63 schon gleich gar nicht.


Zur Person

Jens FahrionNach Abschluss des Studiums der Geographie, des Städtebaus und der Abfallwirtschaft stieg Jens Fahrion 1998 in den Familienbetrieb Fahrion Engineering GmbH & Co. KG ein. Neben dem eigentlichen, operativen Geschäft der Fabrikplanung durchlief er verschiedene innerbetriebliche Stationen vom Technischen Zeichnen über EDV-Leitung und Qualitätsmanagement bis hin zum Projektmanagement für das Industrial Engineering. Im Jahre 2011 übernahm er zusammen mit seinem Bruder Eric Fahrion die Geschäftsleitung. www. fahrion-engineering.de 

Autorenprofil

Tobias Schorr war von März 2013 bis Januar 2018 Chefredakteur der "Unternehmeredition". Davor war er für die Gruner + Jahr Wirtschaftsmedien im Ressort Geld als Redakteur tätig. Von 2003 bis 2007 arbeitete er zunächst als Redakteur, dann als Ressortleiter beim Mittelstandsmagazin "Markt und Mittelstand". Sein Handwerk lernte er an der Axel Springer Journalistenschule.

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