„Ich wünsche mir eine egalitärere Gesellschaft“

Ise Bosch ist Enkelin von Robert Bosch und wurde vermögend geboren. Heute ist sie Bürgerrechtlerin und in verschiedenen Stiftungen und Netzwerken aktiv. Im Gespräch erklärt sie, warum der Sozialstaat mehr engagierte Bürger braucht.

Unternehmeredition: Als Mitglied der Familie Bosch und Bürgerrechtlerin wäre es naheliegend gewesen, für die große Robert Bosch Stiftung zu arbeiten. Warum haben Sie sich dagegen entschieden?

Ise Bosch: Die Robert Stiftung ist keine Familienstiftung, auch wenn zwei Familienmitglieder im Kuratorium sitzen, unter anderem mein Bruder als Vorsitzender. Ich wollte aber bewusst eine eigene Stiftung haben, um Geschlechterdiversität zu unterstützen. Das Thema ist relativ neu, deswegen war es mir wichtig, das unabhängig zu steuern.

Seit elf Jahren gibt es nun die Dreilinden gGmbH. Haben sich Ihre Erwartungen an eine eigene Stiftung erfüllt?

Durchaus, sogar übererfüllt. Wir haben mit einem Spendenprogramm angefangen, um Schwule, Lesben, Transsexuelle und Intersexuelle zu unterstützen. Dann haben wir es erweitert und Lobbyarbeit bei Institutionen gemacht. Heute ist das Thema kein Tabu mehr oder wird belächelt. Selbst der UN ist jetzt bewusst, dass es sich bei diesen Menschen um besonders gefährdete Randgruppen handelt.

Sie haben vor Jahren ein Buch geschrieben mit dem Titel „Besser spenden!“. Wie sieht denn eine gute Spende aus?

In dem Buch plädiere ich dafür, dass es für spendenfreudige Menschen besser ist, einen Wandel konkret mit zu verfolgen. Dabei ist es hilfreich, sich einen eher unbekannten Verein auszusuchen, für den die Spende wirklich den Unterschied macht. Es sei denn, man hat viel Geld.

Als vermögende Erbin setzen Sie sich für Umverteilung ein und appellieren an andere Reiche, mehr für wohltätige Zwecke zu spenden. Wo liegt für Sie das optimale Gleichgewicht zwischen Vermögen und Gleichheit?

Ich wünsche mir eine egalitärere Gesellschaft. Eine völlige Gleichverteilung finde ich kaum denkbar. Seit den 00er-Jahren wird das Geld immer stärker von unten nach oben verteilt. Das erträgt unsere Demokratie nicht mehr so gut. Jeder sollte ein auskömmliches Einkommen haben, um ein sicheres und freies Leben zu führen.

Was heißt das für den einzelnen Gutverdiener oder Vermögenden?

Meine Ideen sind relativ einfach gestrickt. Unser Steuersystem funktioniert in puncto Gemeinnützigkeit ganz gut, da gibt es wesentlich schlechtere. Es gibt genügend Möglichkeiten, Spenden steuerlich abzusetzen. Ich kenne jedoch kaum jemanden, der das in Gänze ausschöpft. Dabei ist das doch ein angenehmes Hobby.

Sie sind auch in der internationalen Spendenszene unterwegs. Wie ausgeprägt ist die Wohltätigkeit hierzulande im Vergleich zu anderen Staaten?

Wir spenden mehr als unsere Nachbarländer, aber weniger als im angloamerikanischen Raum. Da ist die Tradition des Gebens ausgeprägter als hier. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass es in Deutschland kaum Beratungsstellen für Philanthropie gibt. Hier fehlt die Selbstverständlichkeit, sich sozial zu engagieren. Von den 60er-, 70er-Jahren sind wir daran gewöhnt, dass sich der Staat um das Soziale kümmert.

Wenn Sie selbst einmal vererben – wie viel überlassen Sie dem Einzelnen, wie viel der Gemeinschaft?

Ich selbst habe keine Kinder, aber selbst wenn ich welche hätte, würden die sicherlich nicht alles bekommen. Mein Appell an Vererbende ist, dass sie an die Gemeinnützigkeit denken. Es spielt echt eine Rolle für die Erben, wenn sie wissen, welche Werte die Eltern vertreten haben.

 


© Andrea Katheder
Foto: © Andrea Katheder

Kurzprofil: Ise Bosch

Geboren: 1964

Beruf: Bürgerrechtlerin, Spendenaktivistin

Größte Erfolge: 20 wichtige Organisationen verdanken Dreilinden ihr Fortbestehen

Hobbys: Kontrabass, Meditation

www.dreilinden.org

 

 

 

 

Autorenprofil

Als Redakteur bei der Unternehmeredition leitet Volker Haaß die Online-Aktivitäten sowie die Sonderpublikationen der Plattform. Dazu gehört unter anderem die FuS – Zeitschrift für Familienunternehmen und Strategie.

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