„Es ist wichtig, dass man zu Geld eine Erzählung hat“

Der Kabarettist Till Reiners ist für seine böse Zunge gegenüber sozialer Ungleichheit bekannt. Im Gespräch erklärt er seine Positionen zur Vermögensverteilung und was für ihn einen guten Unternehmer ausmacht.

Unternehmeredition: Herr Reiners, in Ihrem Bühnenprogramm finden Sie es toll, reich zu sein, auch wenn das ironisch gemeint ist. Welchen Wert messen Sie Vermögen bei?

Till Reiners: In Deutschland besteht ein sehr verzerrtes Bild von Reichtum. Viele Bürger wohnen nicht in direkter Nachbarschaft zu jemandem, der eine Villa hat. Sie können nicht einschätzen, wie viele Millionäre es in Deutschland gibt. Könnten Sie das? Weit über eine Million! Es wird zu wenig darüber gesprochen. Ich glaube, es ist wichtig, dass man zu Geld auch eine Erzählung hat, sonst sind das nur abstrakte Zahlen.

Sie und auch viele andere Kabarettisten sind der Wirtschaft gegenüber kritisch eingestellt. Was genau stört Sie an den wirtschaftlichen Entwicklungen?

Natürlich bin ich nicht gegen Wirtschaft per se. Dass es Wirtschaft geben muss, ist ja klar. Die spannende Frage ist, bis zu welchem Grad das in privater Hand sein muss. Das klingt immer sehr weltfremd: Du bist gegen Wirtschaft. Nein! Das ist genau so, wie zu sagen, dass du gegen Strom bist – das stimmt ja nicht. Ich bin dagegen, dass Strom vier Konzernen in Deutschland gehört.

Welche positiven Akzente könnte man unternehmerisch setzen?

Ein Unternehmen führen, das im Sinne des Gemeinwohls wirtschaftet. Einer Studie zufolge glaubt ein Drittel der Menschen in Deutschland und England, dass ihr Job nicht sinnvoll ist. Wenn das passiert, dann hat man verloren. Man muss es schaffen, die Mitarbeiter einzuschwören und mitzunehmen.

Soweit das Ideal. Wie setzt man sowas in der alltäglichen Arbeit um?

Die Mitarbeiter sind Teil des Unternehmens und nicht nur Werkzeuge. Ich glaube, Konflikte resultieren überhaupt daraus, dass Menschen nicht genug gelobt werden. Wir denken immer, viel erwachsener und autarker zu sein, als wir das eigentlich sind. Ich glaube, wir sind eigentlich Kinder in Anzügen.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, wie man als sehr Vermögender sozialgerecht handeln kann?

Neben Spenden und sozialem Engagement kann man natürlich auch selbst etwas Sinnvolles auf die Beine stellen. Das muss nicht klassischerweise ein Wohlfahrtsverband sein, das kann vieles Andere sein – beispielsweise ein Verein, der sich für Pressefreiheit einsetzt. Oder man behandelt Themen, die im öffentlichen Diskurs hinten runterfallen. Ein Think Tank fürs Gute!

Auf einem Facebookpost posieren Sie ironisch vor einem teuren Sportwagen, den Sie aufgrund Ihres Erfolges „gekauft“ haben. Wie stehen Sie zu solchen Statussymbolen?

Ich finde diese Angeberhaltung interessant, weil sie zeigt, wie egal dem Kapitalismus Widersprüche sind: Man kauft sich einen drei Meter hohen Geländewagen, um zu sagen, dass man es nach oben geschafft hat, findet „oben“ aber irgendwie auch doof, weil man von unten kommt. Man spürt, dass man seinen Reichtum nicht verdient hat, und denkt im nächsten Moment: Aber die goldenen Felgen sind schon geil.

Häufig prangern Kabarettisten soziale Ungleichheit an. Gleichwohl sind Sie und andere Kabarettisten sehr erfolgreich und wohlhabend. Wie gehen Sie mit dieser vermeintlichen Diskrepanz um?

Ich habe mich mal mit einem sehr erfolgreichen Kabarettisten auf ein Bier unterhalten. Er meinte, wir müssen uns immer klarmachen, dass wir mehr verdienen als die Leute, die wir kritisieren, zum Beispiel als die Bundeskanzlerin. Daraus erwächst die Verantwortung, dass ich mich immer viel mehr für die einsetze, die viel weniger Geld haben als ich, und ich muss das in einem größeren Umfang tun, als die Bundeskanzlerin das könnte. Sonst habe ich keine Berechtigung, über sie Witze zu machen.


Kurzprofil Till Reiners

Geboren: 1985

Beruf: Comedian / Kabarettist

Hobbys: Eislaufen, Zweifeln

Größte Erfolge: Gewann 2017 eine Facebook-Diskussion, bescheidenster Mann des Jahres 2018

tillreiners.de

 

Autorenprofil
Vorheriger ArtikelÜber die Börse in den Mittelstand
Nächster ArtikelEin Job im Familienunternehmen?