Neue Grundsteuer: Neubewertung aller Grundstücke 2022!

Die neue Grundsteuer wird im Jahr 2022 ausnahmslos alle Grundstücks- und Immobilieneigentümer beschäftigen. Denn zum Stichtag 1. Januar 2022 ist jedes Grundstück in Deutschland für Zwecke der Grundsteuer neu zu bewerten. Aus diesem Grund muss für jeden Grundbesitz und jede Immobilie eine Feststellungserklärung elektronisch an die Finanzverwaltung übermittelt werden. Die Abgabefrist soll dem Vernehmen nach grundsätzlich am 31. Oktober 2022 enden. Mit einer entsprechenden Aufforderung seitens der Finanzverwaltung dürfte bis Ende März durch eine öffentliche Bekanntgabe zu rechnen sein.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschied mit Urteil vom 10. April 2018 (1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12), dass die bisherige Einheitsbewertung von Grundvermögen als Basis für die Ermittlung der Grundsteuer verfassungswidrig ist. Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, eine Neuregelung zu treffen. Grundlage für die Neuregelung sollte eine Neubewertung aller inländischen Grundstücke auf den 1. Januar 2022 sein. Ab dem 1. Januar 2025 darf die Grundsteuer von den Gemeinden nur noch unter Anwendung dieser neuen Grundsteuerwerte festgesetzt werden.

Reaktion des Gesetzgebers

Ende 2019 kam der Gesetzgeber der Aufforderung des BVerfG nach und machte neue bewertungsrechtliche Vorgaben. Demnach sind neue Grundsteuerwerte zu ermitteln, auf deren Basis dann ab 2025 nach einem − wie bislang − zweistufigen Verfahren die Grundsteuer zu berechnen ist.

Da das Grundsteueraufkommen den Gemeinden zusteht, sieht die auf Bundesebene getroffene Regelung jedoch die Möglichkeit vor, dass die Bundesländer davon abweichende Vorgaben treffen können. Hiervon haben einige Bundesländer in unterschiedlicher Weise Gebrauch gemacht. Damit können nun je nach Lage des Grundstücks verschiedene Bewertungsregeln und/oder Regeln zur Ermittlung der Grundsteuer zur Anwendung kommen − was das Prozedere erheblich verkompliziert.

Wer ist betroffen?

Von der erforderlichen Neubewertung der Grundstücke ist jeder betroffen, dem ein inländisches Grundstück, ein Erbbaurecht, ein Wohnungserbbaurecht oder ein Teilerbbaurecht zuzurechnen ist – unabhängig davon, ob es sich um eine Privatperson oder ein Unternehmen handelt. Für jedes dieser Grundstücke oder Rechte ist eine Erklärung zur Feststellung des neuen Grundsteuerwerts auf den 1. Januar 2022 elektronisch an die Finanzverwaltung zu übermitteln.

Wie erfolgt die Neubewertung?

Die Neubewertung von inländischen Grundstücken auf den 1. Januar 2022 nach den bundeseinheitlichen Bewertungsvorgaben erfolgt abhängig von der Nutzung des Grundstücks entweder nach dem sogenannten Ertragswertverfahren oder einem vereinfachten Sachwertverfahren. So sind Wohngrundstücke nach dem Ertragswertverfahren zu bewerten, wozu u.a. Nettokaltmieten und Bewirtschaftungskosten heranzuziehen sind. Erforderlich ist dazu aber nicht, die tatsächlichen Werte zu ermitteln, denn es werden gesetzlich pauschalierte Werte je nach Bundesland und Gebäudeart vorgegeben, die unter Berücksichtigung unterschiedlicher Mietniveaustufen erhöht oder verringert werden. Zudem ist der Wert des Grund und Bodens auf Basis der Bodenrichtwerte zu berücksichtigen. Bei Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstücken erfolgt die Bewertung nach einem vereinfachten Sachwertverfahren, das neben dem Bodenwert auf gesetzlich vorgegebenen Normalherstellungskosten in Abhängigkeit von der Gebäudeart und dem Baujahr des Gebäudes basiert.

Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen sowie Nordrhein-Westfalen verfahren bei der Neubewertung der Grundstücke nach dem Bundesmodell. Auch das Saarland und Sachsen ziehen zur Bewertung der Grundstücke das Bundesmodell heran, sehen aber zur Ermittlung des Grundsteuermessbetrags abweichende Steuermesszahlen vor.

Die übrigen Bundesländer sehen hingegen abweichende Bewertungsregeln vor, wobei sich die einzelnen Ländermodelle voneinander unterscheiden:

  • Baden-Württemberg (modifiziertes Bodenwertmodell),
  • Bayern (Flächenmodell),
  • Hamburg (Einfachmodell mit Wohnlagenfaktor),
  • Hessen (Flächenmodell mit einfachem Faktorverfahren) und
  • Niedersachsen (Flächen-Lage-Modell).

Bis wann müssen die neuen Grundsteuerwerte deklariert werden?

Grundsätzlich ist eine Feststellungserklärung zum neuen Grundsteuerwert erst nach Aufforderung durch das zuständige Finanzamt zu übermitteln. Allerdings kann diese Aufforderung auch durch eine öffentliche Bekanntgabe erfolgen, so dass das jeweilige Finanzamt kein individualisiertes Schreiben an jeden Steuerpflichtigen verschicken muss. Einige Bundesländer haben bereits vernehmen lassen, dass sie im März 2022 per öffentlicher Bekanntgabe zur Abgabe der Feststellungserklärung auffordern werden. Dabei soll grundsätzlich eine Frist zur Abgabe der Feststellungserklärung bis Ende Oktober 2022 vorgesehen werden. Das BMF hat bereits verlautbart, dass eine elektronische Übermittlung der Feststellungserklärungen ab Juli 2022 möglich sein soll.

Wie ist der enorme Deklarationsaufwand zu bewältigen?

Neben der Berücksichtigung der jeweils einschlägigen Bewertungsvorgaben, die zum einen zwischen dem Bundesmodell und den Ländermodellen sowie zum anderen zwischen den einzelnen Ländermodellen variieren, besteht die Herausforderung insb. in der Beschaffung und Aufbereitung der für die Deklaration erforderlichen Daten.

Zusätzlich zu allgemeinen Informationen zu den Grundstücken, wie z.B. Adresse und Grundbuchangaben, sind je nach anzuwendendem Modell zahlreiche weitere Informationen erforderlich. So wird z.B. bei einigen Modellen nach der Bruttogrundfläche, der Nutz- oder der Wohnfläche des Gebäudes gefragt. Diese Daten können eventuell bereits in Kauf- oder anderweitigen Nutzungsverträgen sowie Lageplänen oder Bauzeichnungen festgehalten worden sein. Unter Umständen sind diese aber auch eigenständig oder durch die Einschaltung eines Sachverständigen zu ermitteln.

Sind die Datenquellen und Informationen identifiziert, gilt es, diese Daten möglichst effizient für die Erstellung der Deklaration zu konsolidieren und verfügbar zu machen. Berücksichtigt man den Umfang und die Heterogenität der erforderlichen Informationen sowie auch die unterschiedlichen Datenquellen, wird schnell deutlich, dass diese Herausforderung ausschließlich durch den Einsatz einer durchdachten und funktionstüchtigen Grundsteuersoftware effizient bewältigt werden kann. Nur so ist es möglich, alle erforderlichen Daten strukturiert an einer Stelle zu aggregieren und medienbruchfrei für die elektronische Übermittlung an die Finanzverwaltung zu nutzen. Hierdurch ist auch für zukünftige Zwecke, wie beispielsweise den Abgleich der Bescheide oder die Erfüllung von neuen Anzeige- oder Erklärungspflichten, sichergestellt, dass die erforderlichen Informationen nachgehalten werden und direkt verfügbar sind.

Mit einer Grundsteuersoftware kann also idealerweise der gesamte Grundsteuerprozess vollständig digital abgebildet werden. Hierbei werden alle Arbeitsschritte von der Datenerhebung über die Erstellung der Erklärung, deren Freizeichnung und Übermittlung an die Finanzverwaltung bis hin zur Prüfung des Bescheides in einem einzigen System erfasst und abgebildet. Zudem sollte die Möglichkeit bestehen, erklärungsrelevante Informationen, wie z.B. Bodenrichtwerte, über entsprechende Schnittstellen zu den Ämtern abzufragen.

Über eine Grundsteuersoftware wird jederzeit Zugriff auf die Grundstücksinformationen gewährt und der gesamte Erklärungsprozess kann workflowbasiert gesteuert werden. Mit einer solchen kollaborativen Plattform steht auch ein Single Point of Truth für sämtliche Grundsteuerdaten für den Steuerberater zur Verfügung, wodurch Medienbrüche und Informationsverluste im Deklarationsprozess vermieden werden können.

FAZIT

Die Grundsteuerreform beschert Grundstücks- und Immobilieneigentümern direkt zum Jahresbeginn viele Neuregelungen. Zudem erfordert sie ein aktives Handeln aufgrund der anstehenden Aufforderungen zur Abgabe der Feststellungserklärungen. Auch wenn die voraussichtliche Frist bis zum 31. Oktober 2022 noch in weiter Ferne scheint, sollte der mit der Beschaffung erforderlicher Informationen und dem Gesamtprozess einhergehende Aufwand nicht unterschätzt werden. Zudem ist es essenziell, frühzeitig zu definieren, wie diese Herausforderung im Unternehmen selbst oder gemeinsam mit dem Steuerberater angegangen werden soll. Eine Grundsteuersoftware bietet hier im Gesamtprozess und auch im Zusammenspiel mit dem Steuerberater die technologische Basis für eine effiziente und medienbruchfreie Bewältigung dieser neuen Deklarationsanforderungen. Hierdurch wird der Grundstein für einen aufwandsarmen und automatisierten Grundsteuerprozess der nächsten Jahre gelegt.

Autorenprofil
Daniel Spieker

Daniel Spieker ist Head of Tax Technology, Director bei Ebner Stolz. Er berät Unternehmen bei Fragen zu Steuertechnologien (Tax Technology) und der digitalen Transformation im Bereich Steuern. Dies umfasst die De­fi­ni­tion und Um­set­zung ei­ner Di­gi­ta­li­sie­rungs­stra­te­gie für die Steu­er­funk­tion sowie die Unterstützung bei der allgemeinen steu­er­li­chen Pro­zes­sop­ti­mie­rung und Au­to­ma­ti­sie­rung unter Berücksichtig der Tax Compliance spezifischen Anforderungen.

Autorenprofil
Andreas Backes

Andreas Backes ist Steuerberater und Manager bei Ebner Stolz in Köln. Er berät Unternehmen bei Fragen zu Steuertechnologien (Tax Technology) und der Digitalen Transformation im Bereich Steuern. Dies umfasst die De­fi­ni­tion und Um­set­zung ei­ner Di­gi­ta­li­sie­rungs­stra­te­gie für die Steu­er­funk­tion sowie die Unterstützung bei der allgemeinen steu­er­li­chen Pro­zes­sop­ti­mie­rung und Au­to­ma­ti­sie­rung. Darüber hinaus unterstützt er bei der steuerfach­li­chen Kon­zep­tion und Ent­wick­lung oder Auswahl von Steu­er­soft­ware sowie deren Integration in die Prozesslandschaft, u. a. auch für die im Jahr 2022 erforderliche Neubewertung des Grundbesitzes.

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