Imagewandel bei Private Equity: “Wir stehen an der Spitze dieser Entwicklung”

Interview mit Tom Alzin, Vorstand der Deutschen Beteiligungs AG, über den Wandel der Einstellung gegenüber Private Equity

Die freiheit.com technologies GmbH ist ein Software-Engineering-Unternehmen, das Softwareplattformen entwickelt. Foto: © DBAG

Der Markt für Management-Buy-outs ist weiter in Bewegung, die sprichwörtliche Scheu
von Firmeninhabern gegenüber Private-Equity-Investoren nimmt ab. Wir sprachen mit
Tom Alzin, Vorstand der Deutschen Beteiligungs AG, über die neue Generation von Unternehmensverkäufern.

Unternehmeredition: Übernahmen von Unternehmen aus dem deutschen Mittelstand nehmen weiter zu. Teilen Sie diese Beobachtung?

Tom Alzin: Wir sehen weiterhin einen wachsenden Dealflow bei mittelständischen Firmen. Immer öfter entscheiden sich Familiengesellschafter oder Unternehmensgründer für einen Verkauf. Im vergangenen Jahr gab es einen neuen Höchststand bei den Management-­Buy-outs (MBOs) mittelständischer Unterneh­men. Wir haben 62 Transaktionen in dem betrachteten Marktsegment registriert, also MBOs mit einem Unternehmenswert zwischen 50 Millionen und 250 Millionen Euro. Damit wurde der bisherige Höchstwert aus dem Jahr 2019, dem Jahr vor dem Ausbruch der Coronapandemie, noch einmal deutlich übertroffen. Der Rekord gilt auch für das Gesamtvolumen der Transaktio­nen, das sich gegenüber 2019 um mehr als 50 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro erhöhte.

Ist das vielleicht ein Eimaleffekt nach dem Ausnahmejahr 2020 mit den negativen Auswirkungen der ­Coronapandemie?

Nein – das ist ganz sicher kein Nachhol­effekt. Wir beobachten eine kontinu­ierliche Aufwärtsentwicklung und ein nachhaltiges Wachstum. Dieser Markt für Investitionen in mittelständische Unternehmen ist in den vergangenen Jahren durchschnittlich um 13 Prozent gewachsen – das ist also ein nachhal­tiger Trend. Auch der Anteil der Verkäufe aus Gründer- oder Familienhand an einen Finanzinvestor unter den MBOs nimmt kontinuierlich zu. Wir können daher feststellen, dass Private Equity endgültig im deutschen Mittelstand angekommen ist.

Wie sehen Sie die Rolle der DBAG bei dieser Entwicklung?

Wir sind die Lokomotive und stehen an der Spitze dieser Entwicklung. In den vergangenen zehn Jahren lag der DBAG-Anteil der Transaktionen mit Fami­lienunternehmen bei rund 60 ­Prozent – unter den insgesamt 376 Mittelstands-Buy-outs der Jahre 2012 bis 2021 in Deutschland fielen hingegen nur 40 Prozent in diese Kategorie. Wir haben allein in den vergangenen fünf Jahren 20 Transaktionen mit Familienunternehmen abgeschlossen. Die DBAG hat einen erheblichen Anteil an diesem Markt, und diese Stellung wollen wir auch halten.

Wie erklären Sie sich die Position der DBAG?

Die DBAG hat bei Gesellschaftern von Familienunternehmern seit Jahren einen guten Ruf. Wir übernehmen nach einem Investment die Rolle eines Partners, der sich über den Beirat in die Weiterentwicklung der Unternehmen einbringt. Es geht um strategische Veränderungen und um bessere Prozesse. So erreichen wir einen Wertzuwachs beim investierten Unternehmen. Dies funktioniert nur mit einem nachhaltigen Ansatz. Kurzfristige Ertragsoptimierung oder Kosten­senkungsprogramme mit dem Rasenmäher schaffen keine Werte und damit auch kein nachhaltiges Wachstum. Wir sind es gewohnt, die Interessen aller Stakeholder in den Blick zu nehmen. Das hat sich herumgesprochen und festigt unser gutes Standing in der Branche wie auch unter den Entscheidern.

Sie selbst sind jetzt seit 20 Jahren in der Private-Equity-Branche aktiv. Welche Änderungen haben Sie festgestellt?

Es gibt eine neue Generation von Firmen­inhabern und Gründern, mit denen wir inzwischen Gespräche über Nachfolgelösungen führen. Die Inhaber, die sich mit einer Nachfolgelösung auseinander­setzen, sind jünger als früher. Entsprechend stehen sie dann noch nicht vor dem Ende ihres Berufslebens. Vielmehr erleben wir, dass ein Gründer seinem Unternehmen ein schnelleres Wachstum ermöglichen will − eine Dynamik, die er selbst nicht finanzieren kann. An­dere wollen noch einmal etwas Neues anfangen, vielleicht sogar ein neues Unternehmen gründen. Das alles kam nicht von einem Jahr auf das andere, sondern das ist eine Entwicklung der vergangenen zehn Jahre.

Wie reagieren Sie auf diese Einstellungsänderung unter den Inhabern?

Bei den ersten Gesprächen ist es uns wichtig, auf unsere langfristig angelegte Vorgehensweise hinzuweisen. Wie schon ausgeführt, wollen wir ein nachhaltiges Wachstum erreichen und den Wert des Unternehmens steigern. An dieser Wert­steigerung lassen wir die Inhaber auch gerne teilhaben, zumal sie nach einem Verkauf oftmals auch weiter mit ihrem Unternehmen verbunden bleiben wollen. Aus diesem Grund haben wir bereits in der Vergangenheit verschiedene Modelle für eine Rückbeteiligung der früheren Inhaber entwickelt. Und diese Modelle finden Akzeptanz: So haben sich die Grün­der unserer beiden jüngsten Beteili­gungen, freiheit.com und in-tech, mit Anteilen zwischen 15 und 30 Prozent rückbeteiligt.

Worin liegt der Vorteil einer Rückbeteiligung?

Die Rückbeteiligung am eigenen Unternehmen im Zuge eines Verkaufs ist keinesfalls ein Ausdruck des Misstrauens gegenüber dem bisherigen Inhaber und der in Aussicht gestellten Entwicklung von Umsatz und Gewinn. Vielmehr kann auf diese Weise die Bindung zu dem in den vergangenen Jahren aufge­bau­ten Unternehmen beibehalten werden – das ist ein nicht zu unterschätzender emotionaler Faktor. Außerdem bietet das Vehikel der Rückbeteiligung die Möglichkeit zu einem flexiblen Ausgleich der Interessen auf der Verkäufer- und der Käuferseite. Wenn die beiderseitigen Hoffnungen und Anstrengungen bei der weiteren Entwicklung und dem Wachstum des Unternehmens Früchte tragen, kommt das allen Gesellschaftern zugute – auch den jetzigen Verkäufern.

Wie sehen die Modelle der DBAG für eine Rückbeteiligung aus?

Es gibt mehrere Möglichkeiten: Sie reichen von der Gewährung eines – möglicherweise besonders verzinsten – Verkäuferdarlehens über eine Eigenkapitalbeteiligung bis zu einer Beteiligung zu Vorzugskonditionen, zum Beispiel dann, wenn der Verkäufer weiterhin als Geschäftsführer mit einer Rückbetei­ligung an dem vormals eigenen Unternehmen beteiligt bleibt. Es kommt ­sicher immer auf den Einzelfall an, welche Lösung hier die beste ist. Dabei spielen auch steuerliche Aspekte und gesetzliche Haltefristen eine Rolle.

Worauf muss sich ein Unternehmer beim Einstieg eines privaten Investors einstellen?

Ein Aspekt ist die Steigerung der Transparenz. Das kann zu einem höheren Aufwand für das Reporting führen. Aber dieser Aufwand lohnt sich langfristig: Er schafft in vielen Bereichen die notwendige Klarheit für Entscheidungen. In steigendem Maße sind darüber hinaus die ESG-Kriterien bei der Entwicklung eines Unternehmens wich­tig. Die Faktoren Umwelt und Nachhaltigkeit, Soziales und Unternehmensführung spielen eine wachsende Rolle für den Erfolg einer Beteiligung, und dem tragen wir selbstverständlich Rechnung.

Zum Abschluss noch einmal zur DBAG: Wie hat sie sich im vergangenen Jahr entwickelt?

Ich denke, wir haben ein Ausnahmejahr erlebt. Mit einem Zuwachs des Netto­vermögenswerts der Private-Equity-­Investments um 40 Prozent, einem Ergeb­nis aus der Fondsberatung von 18 Millionen Euro und einem Konzern­ergebnis von gut 185 Millionen Euro ist das Geschäftsjahr 2020/2021 das erfolgreichste seit Einführung der IFRS-Bilan­zierung vor fast zwei Jahrzehnten. Ebenso wichtig ist aber, dass wir unseren Wachstumskurs auch in den kommenden Jahren fortsetzen wollen. In den kommenden drei Jahren planen wir Beteiligungen von mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr allein aus der Bilanz der DBAG – das ist eine deutliche Steigerung gegenüber der Vergangenheit. Insgesamt stehen mehr als 800 Millionen Euro für Eigenkapitalbeteiligungen im Mittelstand bereit – wir sind offen für neue Investments.

Herr Alzin, wir bedanken uns für das informative Gespräch.

redaktion@unternehmeredition.de


ZUR PERSON

Tom Alzin

Tom Alzin ist seit 2021 Mitglied im Vorstand der Deutschen Beteiligungs AG (DBAG). Seit 2004 ist er bereits für die börsennotierte Private-Equity-Gesellschaft tätig. Die DBAG initiiert geschlos­sene Private-Equity-Fonds und investiert in mittelständische Unter­nehmen. Ein zunehmender Anteil der Eigenkapitalbeteiligungen entfällt auf Unternehmen in Technologiesektoren. Das vom Konzern verwaltete oder beratene Vermögen beträgt 2,3 Milliarden Euro.

www.dbag.de

Das Interview ist in der Unternehmeredition 1/2022 erschienen.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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