Wirtschaftsprognosen: Weitere Krisensignale

Foto: © Miha Creative_AdobeStock

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft bleibt düster. Der S&P Dienstleistungsindex ist im Oktober weiter gesunken. Seit vier Monaten verharrt der Wert unterhalb der Wachstumsgrenze. Mit dieser schlechten Nachricht beginnen wir die Übersicht über aktuelle Wirtschaftsprognosen.

Für die Anbieter von Dienstleistungen in Deutschland bleibt die Lage nach den aktuellen Untersuchungen der Wirtschaftsforscher von S&P Global weiter schwierig. Vor allem die explodierenden Kosten machen den Firmen zu schaffen. Die Umfrageteilnehmer führen die schwache Nachfrage auf die wirtschaftliche Unsicherheit unter den Kunden, die hohe Inflation, galoppierende Energiepreise und steigende Zinsen zurück. Viele Befragte rechnen laut S&P auch in den kommenden zwölf Monaten mit herausfordernden Rahmenbedingungen. In puncto Performance dürfte es eher bergab als bergauf gehen.

Nachdem die Aussichten im Vormonat bereits so pessimistisch ausgefallen waren, wie seit Ausbruch der Pandemie nicht mehr, blieben sie auch zu Beginn des vierten Quartals noch getrübt. Phil Smith, Economics Associate Director bei S&P Global Market Intelligence, kommentiert die aktuellen Umfrageergebnisse: „Dass die deutsche Wirtschaft im vierten Quartal schrumpfen wird, scheint mittlerweile unausweichlich. So signalisieren die Oktober-Daten, dass sich die branchenübergreifende Nachfrageflaute nach wie vor negativ sowohl auf die Industrieproduktion als auch auf die Servicesektor-Performance auswirkt. Die gefährliche Mischung aus hoher Inflation, haussierenden Energiepreisen, steigenden Zinsen und zunehmender Unsicherheit veranlasste Privathaushalte wie auch Unternehmen dazu, ihre Ausgaben zu kürzen.“

Abschwung in der Industrie beschleunigt

Die jüngsten Umfrageergebnisse zum S&P Einkaufsmanagerindex signalisieren einen kräftigeren Rückgang im verarbeitenden Gewerbe zu Beginn des vierten Quartals. Demnach schrumpfte die Produktion so deutlich wie seit Mai 2020 nicht mehr und auch die Neuaufträge gingen abermals stärker zurück. Angesichts der zunehmenden Sorgen über die weitere wirtschaftliche Entwicklung sowie der hohen Energiekosten verschlechterten sich die Geschäftsbedingungen laut den Experten von S&P einmal mehr. Das erneute Absacken habe  vor allem an den kräftigeren Einbußen sowohl bei der Produktion als auch bei den Auftragseingängen gelegen. Die Auftragsbestände der Hersteller gingen gemäß der aktuellen Befragung im Oktober so deutlich zurück wie seit Mai 2020 nicht mehr. Mit Blick auf die Zukunft zeigten sich die meisten Hersteller noch pessimistischer als im Vormonat hinsichtlich ihrer Produktionsniveaus. Demnach sackte der entsprechende Index auf den tiefsten Stand seit Ausbruch der Pandemie ab.

Weniger Firmen wollen Preise erhöhen

Weniger Unternehmen planen demnächst, ihre Preise zu erhöhen. Das geht aus der aktuellen Umfrage des ifo Instituts hervor. Die ifo Preiserwartungen für die kommenden Monate sanken für die Gesamtwirtschaft im Oktober leicht ab. Vor allem der Handel und das Verarbeitende Gewerbe planen demnach weniger Anhebungen, während die Preiserwartungen bei den Dienstleistern und im Baugewerbe steigen. „Die Inflationswelle ist noch nicht gebrochen“, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. „Vor allem die hohen Energiekosten sind noch nicht vollständig auf die Verbraucher überwälzt.“ Lebensmitteleinzelhändler würden weiterhin kräftige Preiserhöhungen planen. Das gelte auch für die Verkäufer von Heimtextilien, Schreibwaren, Heimwerkermärkten und Unterhaltungselektronik. Auch die Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe wollen laut ifo mehrheitlich ihre Preise anheben.

Krisen kosten 420 Mrd. EUR

Seit fast drei Jahren befindet sich die deutsche Wirtschaft im Krisenmodus. Ohne Pandemie und Krieg wäre nach einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) die Wertschöpfung in Deutschland in den Jahren 2020 bis 2022 um insgesamt 420 Mrd. EUR höher ausgefallen. Zuerst verhinderten Lockdowns den Konsum, anschließend kamen weltweit Lieferketten ins Wanken und seit einigen Monaten kämpfen Haushalte und Unternehmen mit horrenden Energiepreisen: Mittlerweile haben sich hohe wirtschaftliche Kosten in Deutschland nach Berechnungen der IW-Experten aufgetürmt. Um den Verlust zu beziffern wurde die tatsächliche  Wirtschaftsentwicklung einem Konjunkturverlauf ohne Krisen gegenübergestellt. Das heißt: Es wird von einer Welt ohne die Krisen der vergangenen drei Jahre ausgegangen, der erwartete Konjunkturverlauf der IW-Prognose vom Winter 2019 wird fortgeschrieben. Für Deutschland ergibt sich so ein Verlust des preisbereinigten BIP von 420 Mrd. EUR.

Einbußen sind 2020 am höchsten

Allein auf das erste Krisenjahr 2020 entfällt laut IW ein Verlust von 175 Mrd. EUR. Während der ersten Lockdowns wurde der Einzelhandel geschlossen, Restaurants und Cafés mussten dicht machen und die große Unsicherheit – ein Impfstoff lag noch in weiter Ferne – belasteten die deutsche Wirtschaft in hohem Ausmaß. 2021 setzen weltweite Lieferengpässe den Haushalten und Unternehmen, insbesondere der Industrie, stark zu, sodass hier Verluste in Höhe von 125 Mrd. EUR entstanden. Mit der fortschreitenden Impfkampagne kam es im ersten Quartal 2022 zu einer wirtschaftlichen Belebung, die jedoch schlagartig mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine endete. Hohe Energiepreise und die weiterhin gestörten Lieferketten sorgten für Kaufkraftverluste. Insgesamt belaufen sich die Kosten von Pandemie und Krieg im Jahr 2022 nach Schätzungen des IW voraussichtlich auf 120 Milliarden Euro.

ifo Beschäftigungsbarometer sinkt

Die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen in Deutschland nimmt laut dem neuesten ifo-Beschäftigungsbarometer weiter ab. Es sei der niedrigste Wert seit April 2021 zu verzeichnen – es kehre Vorsicht auf dem Arbeitsmarkt ein.  In der Industrie ist das Beschäftigungsbarometer erneut gesunken. Ein Anstieg der Beschäftigung sei dort gegenwärtig nicht zu erwarten. Auch bei den Dienstleistern erhielt die Bereitschaft, neues Personal einzustellen, einen Dämpfer. Da die Kaufzurückhaltung der Menschen dem Handel derzeit zu schaffen mache, hätten die Unternehmen der Branche ihre Personalpläne revidiert: Im Einzelhandel ist laut ifo-Experten mit Entlassungen zu rechnen.

Auftragseingang geht stark zurück

Der Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe ist nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im September 2022 gegenüber dem Vormonat um 4,0% gesunken. Im Vergleich zum Vorjahresmonat lag der Wert sogar 10,8% niedriger. Allerdings war das Auftragseingangsvolumen im September 2021 laut Destatis durch Corona-Nachholeffekte bei gleichzeitig starker Knappheit an Vorprodukten außergewöhnlich hoch. Während die Aufträge aus dem Inland im September 2022 im Vergleich zum Vormonat leicht um 0,5% stiegen, verringerten sich die Auslandsaufträge um 7,0%. Dabei sanken die Auslandsauftragseingänge aus der Eurozone um 8,0% und aus dem restlichen Ausland um 6,3%. Erstmals seit dem Beginn der Corona-Pandemie war im September 2022 die Summe der nominalen Umsätze laut Destatis höher als die Summe der nominalen Auftragseingänge, es wurden also mehr Aufträge abgearbeitet als neue hinzugekommen sind.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

Vorheriger ArtikelXolution  GmbH ist gerettet
Nächster ArtikelKapitalmarkt: Da steppt der Bär