„Wir wollen das Wachstum der letzten dreieinhalb Jahre fortsetzen“

Interview mit Johannes Laumann, CIO bei Mutares SE & Co. KGaA

© Adobe Stock - denphumi

Mutares setzt ihren Wachstumspfad trotz Krisen fort. Mit einer Transaktion pro Monat zählt die Beteiligungsgesellschaft zu den transaktionsstärksten Finanzinvestoren in Europa. Wir trafen den CIO Johannes Laumann Ende November auf dem Eigenkapitalforum in Frankfurt und sprachen mit ihm über aktuelle Entwicklungen. 

Unternehmeredition: Herr Laumann, Mutares hat sich ehrgeizige Ziele bis 2025 gesetzt: ca. 7 Mrd. EUR Umsatz und 125-150 Mio. EUR Ergebnis. Was ist notwendig, um diese Ziele erreichen?

Johannes Laumann: Im Grunde wollen wir unser Vorgehen der letzten dreieinhalb Jahre weiter fortführen. Wir glauben daran, dass wir mit der DNA und der Marschrichtung, die wir ausgegeben haben, diese Ziele auch erreichen können. Wir kaufen Firmen in Umbruchsituationen und entwickeln diese weiter. Als ich im August 2019 Vorstand wurde, lagen wir in der Holding bei ungefähr 1 Mrd. EUR Umsatz und etwa 20 Mio. EUR Ergebnis. In den letzten drei Jahren sind wir konstant um etwas mehr als diese Milliarde gewachsen und im Ergebnis auch immer um rund 50% mitgewachsen. 2022 haben wir rund 4 Mrd. EUR Umsatz und ein Ergebnis von 72 Mio. EUR erzielt, und dieses Wachstum wollen wir nun gerne weiterführen.

Wir machen eine Transaktion pro Monat und sind damit in Europa einer der transaktionsstärksten Finanzinvestoren. Gerade haben wir uns auch hinsichtlich unserer geografischen Aufstellung erweitert. Als ich 2019 bei Mutares eingestiegen bin, gab es nur drei Büros. Inzwischen haben wir zehn Büros, zwei davon in Deutschland (München und Frankfurt), die anderen in Mailand, Madrid, Wien, Paris, London, Stockholm und Helsinki, und gerade haben wir noch ein Büro in Warschau aufgemacht.

Warum fiel die Entscheidung zuletzt für Polen?

Wir sehen den osteuropäischen Markt als sehr spannend an. Wir operieren ja in drei verschiedenen Segmenten, im Automobilbereich, Anlagenbau und im Bereich Goods und Services (Fenster und Türen, Rasenmäher, Logistikunternehmen, Plastikboxen etc.). Der osteuropäische Markt ist relativ interessant sowohl hinsichtlich seiner Dichte an Werken und Zulieferern als auch hinsichtlich seiner Kaufkraft. Polen ist der fünftgrößte Markt in unserem Portfolio.

Ab und zu verkaufen Sie ihre Beteiligungen auch wieder. Zuletzt haben Sie mit Royal de Boer den vierten Verkauf im laufenden Jahr (2022) bekanntgegeben. Dabei wurde das Ziel eines ROIC von 7-10x übertroffen. Auch beim Verkauf der Nordec Group Oyj an zwei finnische Family Offices hat Mutares sein Ziel eines ROIC von 7-10x übertroffen. Welche Strategie verfolgen Sie mit ihren Exits und wie zufrieden sind Sie damit?

Die Exits sind ein elementarer Bestandteil unserer Strategie. Wenn Sie unser Ergebnis anschauen, dann sind 40% davon abhängig von Exits. Das ist eine von drei Einkommenssäulen. Die zweite Einkommenssäule sind Dividenden. Die stehen für etwa 20%. Und die dritte Säule sind Management Fees, die 40% unseres Ergebnisses ausmachen.

Royal de Boer geht an einen Strategen, die Turntite Technologies Group. Turntite stellt CO2-neutrale Motoren her, ist gut positioniert im Bereich Farm Technology und will sich hier zum europäischen Hub entwickeln. Turntite ist zwar noch ein relativ kleines Unternehmen, hat aber auf Investorenseite das nötige Backing, um zu wachsen. Hauptinvestoren sind die Bill & Melinda Gates Foundation, Amazon Venture Capital und BMW i3. Diese verfolgen das Ziel, die Umsätze zu verdrei- oder zu vervierfachen. Das war also ein superstrategischer Exit.

Die Nordec Group Oyj geht an zwei alteingesessene finnische Family Offices mit 140-jähriger Tradition in der Baubranche. Denen gehören bedeutende finnische Baufirmen, hauptsächlich im Beton- und Straßenbau. Und mit Nordec haben sie ihrem Portfolio jetzt noch den Stahlbau hinzugefügt. Man geht davon aus, dass der Wert bei ungefähr 50 Mio. EUR lag. Das war der zweitgrößte Exit der Mutares-Geschichte!

Warum fand der im Frühjahr geplante Börsengang nicht statt?

Wir haben hier einen Dual Track verfolgt. Ich bin allerdings ein Fan von einem kompletten Verkauf. Die Strategie der Mutares ist es ja nicht, Teile zu verkaufen und irgendwann mal keinen Controlling Share mehr zu haben. Ein Börsengang ist ja immer nur ein erster Schritt, um irgendwann ganz rauszugehen. Deshalb bevorzuge ich immer den kompletten Exit anstelle eines Börsengangs. Zudem gab es einen Zeitpunkt, an dem die Valuation des Börsengangs sich entgegen der Erwartungen nicht mehr signifikant vom Trade Sell unterschied.

Viele Firmen sind derzeit unterbewertet. Dazu zählt Mutares aber wohl nicht.

Wir haben Nettoumsätze von 72 Mio. EUR, und unsere Marktkapitalisierung beläuft sich auf 400 Mio. EUR. Wir liegen mit unserer Market Cap also beim 5,5-fachen Wert der Nettoumsätze. Ich glaube, es gibt wenige Firmen, die einen solchen Marktwert haben. Aber das Management besitzt 37% der Anteile und ist nicht an einem Verkauf interessiert. Es wurde vielmehr schon damit angefangen, Aktien an die eigenen Kinder zu übertragen.

Ist es derzeit leichter zu kaufen als zu verkaufen?

Das kommt auf den Bereich an. Ich würde im Autosegment aktuell nichts verkaufen. Allerdings gibt es hier auf der Kaufseite einige spannende Fälle. Wir haben beispielsweise vor Kurzem ein Geschäft von Mann+Hummel im Plastik-Spritzguss gekauft. Zuletzt haben wir 80% der Anteile an Peugeout Motoroller erworben, eine Transaktion, die wir ohne Covid, Krieg und Energiekrise vermutlich nicht zu dem Preis bekommen hätten. Für den Automobilbereich wird 2023 weiterhin ein schwieriges Jahr werden, ich glaube aber, dass er sich 2024 wieder auf ungefähr dem Niveau von 2019 stabilisiert.

Der Anlagenbau läuft und ist relativ stabil, da verkaufen wir aktuell eher, denn hier sind die Chancen am Verkäufermarkt größer. Somit haben wir im Portfolio eine gewisse Risiko-Balance drin.

Der Bereich Goods and Services ist ein bisschen zwiegespalten. Während Covid lief es relativ gut, weil die Leute zuhause waren und verstärkt Geräte zur Verschönerung ihres Heims wie beispielsweise Rasenmäher gekauft haben. Inzwischen sind wir hier wieder auf dem Niveau von 2019. Ich glaube, dass dieser Bereich aus dem gleichen Grund wie die Autobranche, nur etwas früher als diese, Schwierigkeiten bekommen wird. Die aktuelle Krise trifft erstmalig den Konsumenten und folglich geht der Konsum zurück. Und das wird sich meines Erachtens bei Goods and Services bereits in Q1, beim Auto hingegen erst in Q2 und Q3, zeigen, denn zwischen April und September 2022 hat wohl niemand ein Auto bestellt.

Wie sieht Ihre Dividendenpolitik aus?

Wir werden unsere Aktionäre nach wie vor am Erfolg teilhaben lassen. Mit Blick auf die Zeiten, in denen wir uns befinden, haben wir den Begriff „Dividende mit Bedacht“ eingeführt. 2021 haben wir 1,50 EUR ausgeschüttet und hatten damals 50 Mio. EUR Ergebnis. Inzwischen sind wir weiter gewachsen, sodass Rückschritte für uns nicht in Frage kommen.

Herr Laumann, wir danken Ihnen für das Gespräch!


ZUR PERSON

Johannes Laumann; Foto: © Mutares

Johannes Laumann ist seit 2016 bei der Mutares. Im Mai 2019 wurde er zum Mitglied des Vorstands ernannt. Als Chief Investment Officer verantwortet er die Bereiche M&A und Investor Relations. Vor seinem Eintritt in die Mutares SE & Co. KGaA hatte er verschiedene Managementpositionen bei der Ernst & Young GmbH, der Porsche Consulting GmbH und in der Oil & Gas Division von Atlas Copco inne.

https://mutares.de

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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