Wachstumschancen auf neuen Märkten

Verschuldung der Industriestaaten als Bedrohung

Doch auch hier könnte Unheil drohen: Kann sich der wiedergewählte amerikanische Präsident im Kongress nicht mit den Republikanern einigen, könnte ein zum Jahresende drohendes „fiskal cliff“ das amerikanische BIP 2013 um bis zu 1,3% belasten; dann nämlich laufen Konjunkturprogramme und Steuererleichterungen in Höhe von insgesamt 665 Mrd. USD aus. Bereits heute liegt die Bruttoverschuldung der USA bei 105% des BIP. Die Sparmaßnahmen der Euro-Länder führen wiederum zu einer gezügelten Nachfrage in den Schwellenländern, weshalb der IWF auch hier seine Wachstumsaussichten von 6,2% 2011 auf 5,3% in diesem Jahr und auf 5,6% für 2013 gesenkt hat. Besonders betroffen sind Indien und Brasilien, aber auch der neue Riese China muss sich nach 9,2% Wachstum 2011 in diesem Jahr mit 7,8% begnügen, für 2013 geht der IWF von 8,2% aus. Auch wenn sich diese Wachstumsraten für europäische Ohren immer noch astronomisch anhören, dürfte es sich für Unternehmen lohnen, auch nach Wachstumsmärkten jenseits der BRICs Ausschau zu halten.

Grafik: DIHK/vorläufiges Länderranking 2011


Erschließen neuer Wachstumsmärkte

Als solche identifiziert der BDI – in Anlehnung an eine Liste der „Next 11“ der Investmentbank Goldman Sachs – Chile, Kolumbien, Peru, Vietnam, Indonesien, Malaysia, Ägypten, Tunesien, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Ukraine. Gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Prognos hat der Branchenverband diese Märkte gezielt unter die Lupe genommen, um über Eintrittsbarrieren zu informieren und gezielt Wachstumsperspektiven herauszustellen. Außerdem untersucht wurden die ostafrikanischen Länder Kenia, Uganda, Tansania und Ruanda. Ergebnis der Studie: Auch wenn sich die betrachteten Länder hinsichtlich ihres Entwicklungsstandes und ihrer politischen Rahmenbedingungen deutlich unterscheiden, bieten sie deutschen Unternehmen dennoch ein hohes Wachstumspotenzial und lukrative Geschäftschancen. Branchen wie der Maschinen- und Anlagebau, der 2012 bislang einen Rückgang des Inlandsgeschäfts von 10% hinnehmen musste, und besonders die Elektroindustrie können von der fortschreitenden Industrialisierung der Schwellen- und Entwicklungsländer profitieren. Vor allem Länder in Südostasien sind durch das ASEAN-Freihandelsabkommen bestens untereinander vernetzt. Durch bilaterale Freihandelsabkommen mit China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland bieten sie sich als ideale Hub-Standorte an und bilden einen der größten Wirtschaftsräume der Welt.

Newcomer jenseits der medialen Aufmerksamkeit

Asien und Lateinamerika sieht auch Treier als die vorrangigen neuen Absatzmärkte deutscher Unternehmen. „Die Schwellenländer in Asien, aber auch in Lateinamerika wachsen weiter – nur leicht gebremst. Die Importnachfrage dieser Länder verschiebt sich vielfach zugunsten deutscher Exporteure. Gefragt sind die Präzision, die Maßfertigung und die Kundenorientierung deutscher Anbieter“, so der Experte. Eine wachsende Mittelschicht interessiere sich zudem für qualitativ hochwertige Güter wie z.B. deutsche Autos. Dadurch, dass der Handel mit etablierteren Volkswirtschaften Südamerikas – Brasilien und Argentinien – durch Importlizenzen, -steuern oder einen örtlichen Produktionszwang erschwert werde, fällt laut DIHK der Blick auch auf andere aufsteigende Märkte der Region. „Chile, Peru und Kolumbien überzeugen in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung, gleichzeitig ist der Zugang zu diesen Märkten mit weniger Hemmnissen versehen. Zusätzlich zu den traditionell guten Geschäftsbeziehungen mit Lateinamerika gibt es also eine rege Handelsdynamik der deutschen Wirtschaft mit diesen Ländern“, so Treier weiter – ein Umstand, der vor allem wegen der rasanten Entwicklung in Asien oft nicht wahrgenommen werde.


Fazit

In der weltwirtschaftlich schwierigen Lage ist der Außenhandel momentan wichtigster Impulsgeber der deutschen Wirtschaft. Europa ist und bleibt wichtigster Markt; die hier sinkenden Konjunkturaussichten geben jedoch Anlass dazu, neue Wachstumsmärkte in Drittländern in den Blick zu nehmen. Dadurch konnte die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal 2012 beginnende rezessive Tendenzen auffangen. Um den deutschen Außenhandel jedoch weiterhin traditionell stark zu halten, wünscht sich Treier weitere Unterstützung der Politik: „Damit unsere Betriebe weiterhin im Ausland erfolgreich sind, benötigen Sie hierzulande gute Standortbedingungen. Derzeit verfestigt sich leider der Eindruck, dass überall in Europa reformiert wird, nur in Deutschland werden wir nachlässig“, mahnt er weitere Bemühungen z.B. in der Energiepolitik an. Was in jedem Fall Gift wäre, ist der Aufbau neuer Handelshemmnisse zum vermeintlichen Schutz von Unternehmen eines Wirtschaftsraums – womit er die zunehmende protektionistische Haltung einzelner Wirtschaftsräume kommentiert. Auch muss sich jedes Unternehmen darüber im Klaren sein, welche Herausforderungen mit einem Schritt ins (außer-)europäische Ausland verbunden sind.

Autorenprofil

Verena Wenzelis war bis Juli 2016 Redakteurin bei der Unternehmeredition.

1
2
Vorheriger ArtikelBACB zeichnet fiagon-Gründer aus
Nächster Artikel„Die EZB erkauft sich eine teure Ruhe“