So geht „Family Philanthropy“

Immer mehr Unternehmerfamilien entdecken gemeinsames gesellschaftliches Engagement als Weg, ihre jüngere Generation an die Übernahme von Verantwortung heranzuführen, auf das Familienerbe vorzubereiten und zur Identifikation mit dem Unternehmen beizutragen. Diese sogenannte Family Philanthropy ermöglicht zudem die Entwicklung gemeinsamer Werte und die Einbindung der nicht im Betrieb aktiven Familienmitglieder. Wie bei allen Strategieprozessen empfiehlt sich auch hier die Hinzuziehung externer Kompetenz.
Eine Unternehmerfamilie identifiziert sich nicht nur durch die gemeinsame Abstammung, sondern ebenso durch das familieneigene Unternehmen. Dies ist Stärke und Schwäche zugleich, denn obwohl der Familienzusammenhalt eine wertvolle Ressource des Unternehmens darstellt, kann die mit jeder Generation wachsende Anzahl an Familienmitgliedern ebenso zu Entfremdung und damit Destabilisierung führen.
Der Zusammenhalt der Familie spielt eine bedeutende Rolle für erfolgreiche Unternehmerfamilien. Dieser kann durch Family Philanthropy gefördert werden, also über das familieneigene gesellschaftliche Engagement, in dessen Aktivitäten Kinder und Enkelkinder sowie auch die im Unternehmen nicht aktiven Familienmitglieder eingebunden werden. Family Philanthropy gibt es in unterschiedlichsten Ausgestaltungen: von der lokalen, einzelfallbezogenen Unterstützung von Projekten, wie z.B. des örtlichen Sportvereins, über regelmäßige Förderung gemeinnütziger Einrichtungen bis hin zu strategischem Spenden oder sogar der Königsdisziplin Stiften. Letzteres wird in der Regel mittels Gründung einer eigenen gemeinnützigen Stiftung, die dann den Namen der Familie oder des Unternehmens tragen kann, umgesetzt. Diese Art der Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung kann der Familie eine gemeinsame Plattform und Aufgabe bieten, die über die Tätigkeit im Unternehmen hinausgeht. So wird der Zusammenhalt gestärkt und Konflikten innerhalb der Familie vorgebeugt.
Darüber hinaus prägt ein solches Engagement das Bild der Familie und auch des Unternehmens in der Öffentlichkeit. Generationenübergreifende Strategien des Gebens ermöglichen und flankieren den erfolgreichen Übergang des Familienvermögens, des Familienunternehmens und der Familienwerte. Dem Nachwuchs werden Projekte übertragen, bei denen er sich aktiv einbringen und erste Gemeinsam zupacken: Über 70% der deutschen Unternehmerfamilien engagieren sich bereits in zweiter Generation. Bild: Panthermedia/Alis Gheorghe LeonteManagementerfahrungen sammeln kann, die später in verantwortlichen Positionen im Unternehmen benötigt werden.
Dies ist insbesondere dann nicht zu unterschätzen, wenn die Familienmitglieder noch zu jung sind, um im Unternehmen Verantwortung zu tragen oder die Verwaltung des Familienvermögens zu übernehmen. Neben der greifbaren Möglichkeit zur Identifikation mit der Familie und dem Unternehmen nennen Vermögensinhaber auch die Bedeutung eines weitaus höheren Ziels: mittels gesellschaftlichem Engagement dazu beizutragen, eine lebenswertere Welt anstatt nur Vermögen zu hinterlassen. Es empfiehlt sich ein offener und transparenter Umgang mit den zu beteiligenden Familienmitgliedern, um das philanthropische Engagement der Familie über Generationen erfolgreich zu gestalten.
Der Schlüssel für eine generationenübergreifende erfolgreiche Family-Philanthropy-Strategie liegt darin, die Aktivitäten auf die Erfahrungen, Fähigkeiten, Interessen und die jeweilige Persönlichkeit der Familienmitglieder maßzuschneidern. Bei erstmaliger Entwicklung einer Family-Philanthropy-Strategie empfehlen sich die folgenden fünf Schritte: 1. Gemeinsame Bestimmung der Familienwerte und der daraus abzuleitenden Förderziele und -schwerpunkte 2. Klärung des Ressourceneinsatzes: Geld, Know-how, Zeit und/oder Netzwerk 3. Identifikation möglicher Förderprojekte, bereits existierender Programme und geeigneter Vehikel des Engagements 4. Kennenlernen ähnlicher Projekte und Aufbau eines Netzwerks, z.B. durch Vor-Ort-Besuche und Stifterreisen 5. Einbindung von Beratern und Austausch mit erfahrenen Philanthropen Alle Familienmitglieder sollten so früh wie möglich in die Überlegungen eingebunden werden, die Ziele mit allen ganz konkret abgestimmt und immer wieder überprüft werden.
Über 70% der deutschen Unternehmerfamilien engagieren sich bereits mindestens in der zweiten Generation. Existiert beispielsweise eine familieneigene Stiftung, können unterschiedliche Familienmitglieder, junge wie auch im Unternehmen inaktive Mitglieder, mit der Erfüllung einzelner Zwecke betraut werden. Das jährliche Budget kann aufgeteilt werden, um eigene Projekte zu entwickeln und zu verwirklichen. Die Übernahme von formaler Verantwortung für die Stiftung kann durch die Berufung in Stiftungsgremien erfolgen. Ähnlich wie bei der Nachfolge ins Unternehmen sollte auch die Nachfolge in die Family-Philanthropy-Aktivitäten strukturiert werden. Dazu können Kriterien festgelegt werden, wie beispielsweise Ausbildung, Erfahrung und/oder inhaltliches Know-how über den Stiftungszweck. Diese wären dann Voraussetzung für die Übernahme einer Leitungsfunktion in der Stiftung. Wird über die Aktivitäten innerhalb der Familie ausführlich und offen kommuniziert, kann eine Familientradition aufgebaut werden, die flexibel genug ist, um gleichzeitig den Interessen der jungen Generation sowie den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen gerecht zu werden. Family Philanthropy ist niemals eine Einzelfallentscheidung, es handelt sich immer um einen Prozess, der optimalerweise die Generationen stärker aneinander bindet.
Fazit: Gemeinsames philanthropisches Engagement kann Generationen und Familienstämme durch die Möglichkeit verbinden, das Werteverständnis der Unternehmerfamilie zu artikulieren und aktiv zu leben. Es stärkt das Verantwortungsgefühl der heranwachsenden Generationen, dient der Konfliktvermeidung und der langfristigen Identifikation mit dem Unternehmen. Es empfiehlt sich genauso wie bei Strategieprozessen im Unternehmen, entsprechende externe Beratung in Anspruch zu nehmen. Egal in welcher Form philanthropisches Engagement ausgeübt wird, verdient es eine professionelle Herangehensweise, um die volle Wirkungskraft in allen Facetten zu entfalten. Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der Sonderausgabe “Familienunternehmen & Stiftung” des Magazins Die Stiftung, einer Schwesterpublikation der Unternehmeredition.

Autorenprofil

Martina Erlwein ist Diplom-Kauffrau sowie zertifizierte Stiftungsberaterin (DSA) und Philanthropy Advisor (FA). Als Abteilungsdirektorin verantwortet sie die strategische Stiftungsberatung bei Berenberg und betreut in dieser Funktion gemeinnützige Organisationen ebenso wie Stifter und Investoren bei ihrem philanthropischen Engagement. Weiter ist sie Vorstandsmitglied unter anderem der Berenberg Kids Stiftung. Friederike Hagenbeck ist studierte Betriebswirtin (B.Sc) und gehört zum Team des Stiftungs-Office der Hamburger Privatbank. Ihre Spezialgebiete sind das konzeptionelle Stiftungsmanagement sowie Vermögenscontrolling und -consulting für Stiftungen.

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