Raus aus der engen Heimat

Konsequente Internationalisierung hat die beiden Elektrotechnik-Anbieter Berker und Hager Group zu beträchtlichen Erfolgen geführt. Inzwischen sind sie verbunden – und einer, der Berker internationalisiert hat, hilft nun mit der Lehel Gruppe anderen Unternehmen auf dem Weg ins Ausland. 

Fast 100 Jahre war das Unternehmen Berker im Sauerland in Familieneigentum – ein angesehener Spezialist für hochwertige Schalter und Systeme, mit knapp einem Fünftel des Umsatzes Auslandsanteil. Innerhalb weniger Jahre wurden daraus mehr als 50%. Die Erlöse kletterten von 40 auf 130 Mio. EUR. Diese kräftige Expansion trug die Handschrift von Dr. Thomas Kuhmann. Er stammt aus dieser Unternehmerfamilie und hat vor zehn Jahren die Beteiligungsgesellschaft Lehel Gruppe in München gegründet, um das Auslandswachstum mittelständischer Unternehmen zu fördern. Wegen abnehmender Bautätigkeit im Inland zwang die Marktentwicklung damals bei Berker nach seiner Überzeugung zur Internationalisierung: „Wir mussten raus.“ Er machte das „intensiv nebenberuflich“, wie er sich erinnert, während er weltweit in der Industrie, bei Beratungsgesellschaften, Private-Equity- und Venture-Capital-Fonds tätig war. Das gelang ohne fremde Hilfe – bis zu einem bestimmten Punkt, an dem eine weitere Expansion zu riskant erschien. Da kam das – Jahre zuvor schon einmal geäußerte – Übernahmeinteresse durch einen deutlich größeren Branchenkollegen gerade recht: die deutsch-französische Hager Group, einen der führenden Anbieter von Lösungen und Dienstleistungen für elektrotechnische Installationen in Immobilien. Alles passte perfekt. „Wir haben die gleichen Kunden, die gleichen Partner, ähnliche Technologien und vor allen Dingen als Familienunternehmen gemeinsame Werte“, sagt Hager-CEO Daniel Hager.

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Die Hager Group ist Spezialist für elektrotechnische Lösungen.

Megatrends treiben das Auslandsgeschäft an

Hager seinerseits hatte seit seiner Gründung 1955 auffallend schnell eine Auslandsstrategie betrieben. Das ergab sich durch die Gründung im damals eigenständigen, aber wirtschaftlich an Frankreich angebundenen Saarlandes. Noch vor dessen Beitritt zu Deutschland 1959 gründete Hager in der elsässischen Stadt Obernai seinen ersten Standort im „Ausland“. Eine konsequente Expansion folgte, in den 80er Jahren mit der europäischen Einigung, in den 90er Jahren nach Übersee, begleitet durch etliche Akquisitionen. Für 2014 rechnet Daniel Hager zwar global mit einem flachen Umsatzverlauf. Doch auch für die Zukunft schließt er weitere Zukäufe explizit nicht aus. „Dies ergibt sich schon allein durch die Megatrends, die das Thema Energie mit sich bringt“, sagt er.

Beteiligungsgesellschaft springt in Finanzierungslücke

Von der globalen Dynamik zeigt sich auch Kuhmann fasziniert. Die Märkte in Deutschland und Europa seien weitgehend gesättigt, ihre Wachstumsmöglichkeiten hielten in keiner Weise mit denen vieler anderer Regionen stand. Mit Bedenken verfolgt er, wie die junge Generation in vielen mittelständischen Unternehmen die Chancen im Ausland erkennt, von der älteren Generation aber gebremst wird. Auch bei Banken und vielen Private-Equity-Fonds vermisst er die Bereitschaft, die Internationalisierung zu unterstützen. Selbst gute Unternehmen erhielten leichter Geld für ihre inländischen, meist begrenzt wachstumsträchtigen Aktivitäten. Die von der Lehel Gruppe in diesem Jahr gegründete Lehel Invest Bayern kann in dieser Situation nach seiner Auffassung als Eigenkapitalgeber förmlich wie ein Sprungbrett wirken: Mit Beteiligungskapital von der Gesellschaft werde ein Unternehmen belastbarer. Derzeit ist ein Fondsvolumen von 75 Mio. EUR geplant. Investoren sind zum einen Family Offices, zum anderen Dachfonds, in denen Versicherungsgesellschaften, Pensionskassen, sogar Stiftungen von Universitäten größere Beträge anlegen.

Der Schlüssel liegt im gegenseitigen Vertrauen

Gute Planung ist beim Weg ins Ausland der halbe Erfolg, mahnt Kuhmann. Eine exakte Analyse hält er für unumgänglich, um eine sinnvolle Strategie einleiten zu können. Lehel Invest Bayern geht nicht in die Geschäftsführung, begleitet aber die Finanzierung intensiv über die jeweilige Gesellschafterversammlung, Beiräte und Arbeitsgruppen. „Wir nehmen die Unternehmen an der Hand“, sagt Kuhmann. Nicht jeder Unternehmer will das akzeptieren, und so manches Engagement scheitert an diesem Punkt. „Der Schlüssel liegt im Vertrauen”, sagt Kuhmann dazu. Letztlich, glaubt er, ist es auch eine Altersfrage: „Wir sind alle nicht mehr 35 und mit unseren Minderheitsbeteiligungen sicher nicht in der Heuschrecken-Verdachtsecke.“

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