Hans Jürgen Kagerer, Inhaber, JKL Kunststoff Lackierung GmbH: Situativ reagieren (Ausgabe 1/2009)

Mehr Augenmaß bei Gesetzen und Verordnungen

Die Bemühungen der Bundesregierung zur Stabilisierung der Wirtschaft erscheinen mir durchaus sinnvoll. Inwieweit mittelständische Unternehmer, speziell die unserer Branche, davon profitieren, bleibt abzuwarten. Wir spüren als Automobilzulieferer jede Bewegung am Automarkt und rechnen im 1. Halbjahr dieses Jahres mit einem Umsatzrückgang.

Die Bemühungen der Bundesregierung zur Stabilisierung der Wirtschaft erscheinen mir durchaus sinnvoll. Inwieweit mittelständische Unternehmer, speziell die unserer Branche, davon profitieren, bleibt abzuwarten. Wir spüren als Automobilzulieferer jede Bewegung am Automarkt und rechnen im 1. Halbjahr dieses Jahres mit einem Umsatzrückgang. Darauf müssen wir flexibel reagieren. Da wir bei bestimmten Aufträgen nahezu Just-in-Time liefern, muss unser Personalbestand permanent angepasst werden. In erster Linie wollen wir vermeiden, dass wir unsere Fachkräfte in dieser schwierigen Phase durch Personalabbau verlieren. Auftragsspitzen begegnen wir deshalb mit dem Einsatz von Zeitarbeitern, Aushilfskräften und Arbeitslosen. Das handhaben zahlreiche Zulieferbetriebe ebenso. Bekanntermaßen ist eine große Lagerhaltung oder Bevorratung von Teilen heute nicht mehr möglich, da dies zu kapital- und kostenintensiv wäre.

Politiker in die Produktion
Ich stelle teilweise eine tiefe Kluft zwischen unternehmerischen Erfordernissen und bürokratischen Anforderungen fest. Ein Beispiel: Laut Gesetz darf eine Aushilfskraft nur 14,5 Stunden pro Woche arbeiten, eine Arbeitsschicht dauert aber im Normalfall acht Stunden. Arbeitslose können sich als Teilzeitkraft ohne Kürzung der Bezüge nur bis zu 165 EUR pro Monat dazuverdienen. Durch diese Beschränkung werden wir als Arbeitgeber einer Möglichkeit beraubt, flexibler mit dem Arbeitsmarkt zu kooperieren, und Arbeitslosen wird eine sinnvolle Gelegenheit verwehrt, sich über diesen Weg umfangreicher zu qualifizieren. Auch die Diskussion, ob nun Mindestlohn oder Kombilohn die besseren Alternativen sind, ist müßig. Hier sollten je nach Bedarf und Unternehmen beide Varianten genutzt werden können. Wichtig ist, dass wir zu allererst jedem Menschen ermöglichen, mit seiner Hände Arbeit selbst das Geld für ein vernünftiges Leben zu verdienen. Um dieses Ziel herum sollten die Rahmenbedingungen durch den Staat gestaltet werden. Verantwortliche in der Politik und in den Ministerien, die diese Rahmenbedingungen festlegen, sollten sich durchaus einmal direkt in Industrieunternehmen informieren, um die praktischen Anforderungen und Auswirkungen unmittelbar kennen zu lernen. Oder nehmen wir einen anderen Bereich. Als seinerzeit die Abführung der Sozialabgaben um einen Monat vorgezogen wurde, um die Liquidität der Sozialkassen zu verbessern, wurde eine Zentralstelle geschaffen, die zwischen den Krankenkassen und Arbeitgebern koordinierend wirken soll. Diese funktioniert bis heute noch nicht richtig. Da werden zum Beispiel Mahnschreiben an Arbeitgeber trotz pünktlicher Zahlung versandt. Der Aufwand für Korrekturen von Schätzungen und konkreten Abrechnungen, die Auseinandersetzung mit verspäteter Weiterleitung durch die Zentralstelle und Einsprüchen zu unberechtigten Mahnungen verursachen einen enormen und sinnlosen Verwaltungsaufwand im Unternehmen.

Wartezeiten auf Förderbescheide zu lang
Was den produzierenden Unternehmen, die Forschung und Entwicklung betreiben wollen, große Sorge bereitet, sind die Regularien bei der Vergabe von Fördermitteln. Die Region Dresden, in der sich unser Unternehmen befindet, ist mit ihrer vorbildlichen Hochschul- und Forschungslandschaft ganz besonders gut geeignet, Innovationen konkret zu entwickeln und in Wertschöpfung zu überführen. Das größte Potenzial liegt hier bei kleinen und mittelständischen Unternehmen zwischen 20 und 100 Beschäftigten, die über geförderte Verbundprojekte zu einer größeren Wettbewerbsfähigkeit kommen könnten. Auch unser Unternehmen mit rund 100 Mitarbeitern könnte damit noch schneller auf die Anforderungen des Marktes reagieren. Enorme Flexibilität fordern unsere Kunden, die Automobilproduzenten und vor allem die Autokäufer. Wir brauchen aber auch Flexibilität vom Staat. Wenn wir als Unternehmen beispielsweise übliche Produkte wie Türgriffe veredeln, muss dies immer nach exakten Vorgaben des Endkunden geschehen. Als wir vor acht Jahren anfingen, lagen die durchschnittlichen Stückzahlen pro Variante bei rund 30.000 bis 60.000 Stück je Serie. Jetzt – wir lackieren über 10 Mio. Teile pro Jahr – kommt der Variantenvielfalt eine besondere Bedeutung zu. Es kommt immer öfter vor, dass eine Teileart nur in einer Stückzahl von 500 bis 1.000 je Variante lackiert wird. Dies erfordert eine ständige Anpassung durch uns. Als wertvolle Unterstützung sehen wir in jedem Fall die staatliche Forschungs- und Entwicklungsförderung, die den kleinen und mittleren Unternehmen ungemein hilft. Aber Genehmigungszeiträume bei diesen Förderprojekten von zum Teil über einem Jahr führen zu unmöglichen zeitlichen Fesseln, die in unserer schnelllebigen Zeit sehr nachteilig sind.

Fazit:
Ich wünsche mir vom Staat ein ganzheitliches Fördersystem, bei dem man gezielt anstrebt, neue Ansätze in Unternehmensverbünden zur Wertschöpfung zu realisieren. Der Bundesverband Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA) unterstützt verschiedenste Gremien und Ausschüsse der Regierung durch die fachliche Mitarbeit seiner Mitgliedsunternehmen, damit Arbeitsplätze auch in der Zuliefererindustrie in Deutschland erhalten werden können. Meine Empfehlung ist: Man sollte nur im Ausnahmefall pauschal, ansonsten verstärkt situativ bei Gesetzen und Verordnungen vorgehen. Das erfordert zu Beginn mehr Aufwand, ist letztendlich aber effektiver und sorgt für eine bessere Balance.

 

Autorenprofil

Hans Jürgen Kagerer gründete 2001 im sächsischen Ottendorf - Okrilla das Unternehmen JKL Kunststoff Lackierung GmbH. Das Unternehmen veredelt vollautomatisch Kunststoffteile, unter anderem für die Automobilindustrie. Mit rund 100 Mitarbeitern erwirtschaftete das Unternehmen im Jahr 2008 einen Umsatz von rd. 5,3 Mio. Euro. Hans Jürgen Kagerer ist Vizepräsident im Landessenat Sachsen des BWA Bundesverband für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft mit Sitz in Berlin. Der Verband hat bundesweit 1.500 Mitglieder
www.bwa-deutschland.de www.jkl-kunststofflackierung.de

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