Unternehmensnachfolge: „Es gibt keinen ‚Tag X‘ für den Start

Interview mit Georg Nikolaus von Verschuer, Partner, Falkensteg

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Foto:© Robert Kneschke_AdobeStock

Für eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge kommt es auf den richtigen Zeitpunkt und eine sorgfältige Vorbereitung an. Wie sich ein Firmeninhaber am besten auf eine Übertragung vorbereitet, erläutert Georg von Verschuer, Partner bei Falkensteg, im Gespräch mit der Unternehmeredition.

Unternehmeredition: Ab wann sollte man sich Gedanken über eine Unternehmensnachfolge machen? Gibt es einen „Tag X“?

Georg Nikolaus von Verschuer: Einen perfekten „Tag X“ gibt es vermutlich
nicht – dafür sind die Rahmenbedingungen zu individuell. Grundsätzlich erleichtert es den Prozess, wenn das Unternehmen gute wirtschaftliche Zahlen aufweist, ansonsten müssen die Probleme plausibel erklärt werden. Ein weiterer wichtiger Schritt ist der Entschluss der Inhaber an sich, einen Verkauf in die Wege zu leiten. Hier braucht es eine gemeinsame Entscheidung der Gesellschafter, um einen reibungslosen Ablauf der Transaktion zu ermöglichen. Auch wenn die Familie nicht Gesellschafter ist, sollte sie hinter einer externen Lösung stehen. Eine Uneinigkeit im Kreis der Inhaber kann für große Probleme sorgen, erhebliche Kosten auslösen oder sogar die Nachfolge verhindern. Daher sollte auf die Vorbereitung dieser gemeinsamen Entscheidung ausreichend Zeit verwendet und die einmal getroffene Entscheidung beibehalten werden. Grundsätzlich ist es hilfreich, die Übergabe frühzeitig vorzubereiten.

Wie lange dauert ein Verkaufsprozess normalerweise?
Meiner Erfahrung nach sollte der Unternehmer einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten einplanen. Dieser Zeitraum bezieht sich jedoch nur auf den reinen M&A-Prozess und hängt davon ab, wie gut das Unternehmen vorbereitet ist. Wie sieht das Zahlenwerk aus? Wie stellt sich die Marktsituation dar? Welche Mitbewerber spielen eine Rolle?
Diese und andere Faktoren können den Ablauf beeinflussen.

Welche Formen der Unternehmensnachfolge gibt es?
Wir unterscheiden zwei Formen der Unternehmensnachfolge: die interne Unternehmensnachfolge innerhalb des Familienkreises und die externe Nachfolge durch einen Investor. Bei einer externen Unternehmensnachfolge sprechen wir von einem M&A-Prozess.

Ist erkennbar, dass die Unternehmensverkäufer immer jünger werden?
Woran liegt das aus Ihrer Sicht? Verkaufswillige Inhaber werden in der Tat jünger. Der  Verkauf fällt ihnen offensichtlich leichter. Das gilt nach meiner Erfahrung ebenso für Nachfolgegenerationen bei Unternehmen, die schon länger in Hand der Familie sind. Hinzu
kommt, dass es mehr und mehr jüngere Unternehmensgründer gibt. Einen Grund für die erhöhte Bereitschaft zum Verkauf sehe ich darin, dass die Wirtschaft immer schnelllebiger geworden ist. Es kann daher deutlich schneller passieren, dass externe Hilfe für eine
Weiterentwicklung des Unternehmens gebraucht wird. Dies kann den Gedanken
beschleunigen, das Unternehmen oder Teile davon abzugeben.

Überträgt man am besten das ganze Unternehmen?
Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Grundsätzlich ist es möglich, nur Teile
des Unternehmens, vielleicht auch nur eine Minderheitsbeteiligung abzugeben.
Die Erfahrung zeigt, dass ein Private-Equity-Investor es vorzieht, die Mehrheit
an einem Unternehmen zu übernehmen.Die Übernahme einer Minoritätsbeteiligung
stellt für diese Käufer lediglich die zweitbeste Option dar. Allerdings beobachte ich bei den Finanzinvestoren ein Umdenken, denn sie brauchen jemanden vor Ort, der das Unternehmen führt und incentiviert ist. Seit einigen Jahren kommt es daher immer
häufiger zu einer Rückbeteiligung des Alteigentümers am verkauften Unternehmen.

Brauche ich zur Vorbereitung eines Verkaufs externe Hilfe?
Wenn man in eigener Sache handelt – und darum geht es im Kern bei einem
Unternehmensverkauf –, kann niemand vollkommen losgelöst und emotionslos
handeln. Es geht um das eigene Unternehmen und Lebenswerk. Deshalb bietet
es sich an, dass ein Dritter mit an Bord kommt. So würde ich bei meinem
Unternehmen vorgehen. Bei der Auswahl eines geeigneten M&A-Beraters ist
es essenziell, dass Vertrauen zwischen den Beteiligten besteht und der Unternehmer
bei der Beraterentscheidung ein gutes Bauchgefühl hat. Immerhin vertraut er dieser Person oder diesem Beratungsunternehmen sein eigenes Lebenswerk an. Wichtig sind gute, einschlägige Referenzen des Beraters und die Anzahl der betreuten Mandate. Weiterhin spielt die Teamgröße eine wichtige Rolle, da der Prozess sehr arbeitsintensiv ist. Durchschnittlich haben M&A-Teams eine Größe von drei bis vier Beratern – manchmal auch mehr. Diese Projektgruppen bestehen aus einem Partner, einem Projektleiter und mehreren Analysten. Wichtig ist aus meiner Sicht auch eine internationale Ausrichtung.
Internationale Strategen haben Deutschland verstärkt im Blick. Deshalb sollte der Berater sich mit internationalen Verkaufsprozessen auskennen und diese entsprechend verhandeln können.

Wie sieht eine optimale Vorbereitung für einen Unternehmensverkauf aus?
Zunächst beginnen wir mit einem Workshop, um die genauen Arbeitspakete zu definieren. Nehmen wir zum Beispiel die Finanzkennzahlen: Da stellen wir bereits in der Vorbereitung vertiefende Fragen, die der Investor später vermutlich stellen wird. Wichtig ist aus meiner
Sicht der Prozess, ab wann welche Daten aus dem Unternehmen für die potenziellen
Investoren zugänglich sind. Dabei geht es beispielsweise um Kunden-, Finanz-
oder Produktionsdaten. Gelangen diese an den Wettbewerb, kann großer Schaden für das Unternehmen entstehen. Ich halte es für entscheidend, nicht zu früh zu viel preiszugeben. Es kann passieren, dass Wettbewerber im Rahmen eines Verkaufsprozesses an interne
Informationen gelangen wollen. Hier muss der M&A-Berater die Spreu vom Weizen trennen.

Wie ermittelt man eigentlich einen Kaufpreis?
Die gängigsten Methoden der Unternehmensbewertung sind das Ertragswert-, Discounted-Cashflow-(DCF-), Multiplikator- und Substanzwertverfahren. Welche Bewertungsmethode oder Kombination zur Anwendung kommt, ist unternehmens- und einzelfallabhängig. Insbesondere das Ertragswert- und DCF-Verfahren sind durch die Unternehmensplanung getrieben. Im Ergebnis kann die Unternehmensbewertung nur eine Indikation für einen möglichen Kaufpreis geben, da dieser von vielen weiteren Faktoren abhängt. Schlussendlich
definieren auch beim Unternehmensverkauf Angebot und Nachfrage den Kaufpreis.

Was zeichnet einen guten Berater besonders aus?
Ein guter Berater ist immer Sparringspartner für den Unternehmer. Viele Unternehmer
kennen jedoch die englischen Fachbegriffe aus der M&A-Branche nicht. Deshalb müssen die Entscheidungsträger zunächst den Verkaufsprozess verstehen, damit sie wissen, was sie
mit dem Verkauf erreichen können, aber auch, wo die Grenzen liegen. Erst dann können sie eine fundierte Entscheidung treffen. Gerade wenn das Unternehmen über mehrere Generationen in Familienhand war, besteht eine hohe emotionale Hürde. Deshalb besteht eine wichtige Aufgabe des M&A-Beraters darin, die Erwartungen des Unternehmers
an den Kaufpreis mit der Realität in Einklang zu bringen. Dabei gilt es, die möglichen
Schwächen eines Unternehmens aufzudecken. Neben dem bestmöglichen
Kaufpreis ist es ein Ziel der Nachfolgelösung, dass der neue Investor ein nachhaltiges und tragfähiges Geschäftskonzept verfolgt. Schließlich erwarten die Mitarbeitenden, dass das Unternehmennach einer Übertragung erfolgreich weitergeführt wird.

Welche Fehler sollte man unbedingt vermeiden?
Ein möglicher Fehler liegt darin, dass der Unternehmer keine klare Entscheidung
für den Verkauf getroffen hat oder dass der erwartete Verkaufspreis unrealistisch ist. Weiterhin bemerken wir, dass sich der Unternehmer zu stark auf den M&A-Prozess konzentriert und dabei das Tagesgeschäft vernachlässigt. Wenn das Tagesgeschäft leidet, leidet mittelfristig auch das Unternehmen, was sich wiederum negativ auf den Kaufpreis auswirkt. Diesen Part muss der Berater für den Unternehmer übernehmen.

Herr von Verschuer, wir danken Ihnen für diesen interessanten Einblick!


ZUR PERSON

© Falkensteg

Georg Nikolaus von Verschuer ist Partner bei Falkensteg und im Bereich Corporate Finance tätig. Vor seiner Zeit bei Falkensteg sammelte er M&A-Erfahrungen bei der Rechtsabteilung M&A der Aurelius Group, der auf M&A spezialisierten Anwaltskanzlei Lachner Westphalen Spamer sowie bei Alpina Partners. Neben seiner Tätigkeit bei Falkensteg ist er als Dozent für Krisen- und Sanierungsmanagement an der International School of Management (ISM) bestellt.

Dieses Interview erscheint in der nächsten Magazinausgabe 1/2023 der Unternehmeredition mit Themenschwerpunkt “Unternehmensnachfolge”.

Autorenprofil
Alexander Görbing

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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