„Unangebrachte Risikoaversion hat Renditeeinbußen zur Folge“

Interview mit Felix Gode, Fonds-Advisor, Alpha Star Aktienfonds

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Das Jahr 2022 war herausfordernd für jeden institutionellen wie auch privaten Anleger. Kein Problem – wenn man sich an einen Plan und an seinen Kurs hält – meint  Fondsmanager Felix Gode

Unternehmeredition: Herr Gode, 2022 war ein gruseliges Jahr für praktisch sämtliche Anlageklassen. Hat es Aktien und hier Small und Mid Caps überproportional getroffen?

Felix Gode: Der Grund für die Unruhen an den Börsen 2022 sind die Zinserhöhungen gewesen, die über das Jahr von den Notenbanken rund um den Globus getätigt wurden. Mit den stark erhöhten Zinsen werden Bewertungen über alle Anlagenklassen hinweg neu gedacht. Daher haben wir Preisrückgänge bei Aktien, aber auch bei Anleihen und Immobilien gesehen. Es waren also nicht nur Aktien betroffen. Innerhalb der Anlageklasse Aktien trifft eine solche Neubewertung aufgrund von Zinserhöhungen vor allem zwei Kategorien. Erstens: Unternehmen, die erst in weiter Zukunft Aussicht auf Gewinne haben. Hier wirkt die erhöhte Diskontierung der fernen Cashflows besonders negativ. Zweitens sind paradoxerweise hochwertige Unternehmen betroffen; solche, in die wir auch in den Alpha-Star-Fonds investieren.

Genießen hochqualitative Unternehmen am Kapitalmarkt nicht einen gewissen Vertrauensvorschuss – oder ist doch alles in Sippenhaft?

Aufgrund der hervorragenden Positionierung dieser hochprofitablen Qualitätsunternehmen wird ihnen in der Regel ein etwas überdurchschnittliches Preisniveau zugestanden. Durch das erhöhte Preisniveau ist allerdings auch die Kurssensitivität auf Zinsveränderungen erhöht. Das kam 2022 zum Tragen. Die Größe des Unternehmens ist dabei aber nicht relevant, weshalb man nicht pauschal sagen kann, dass die Kursrückgänge Small Caps überproportional getroffen hätten. Es stimmt jedoch, dass Unternehmen aus beiden genannten Aktienkategorien häufiger im Small-Cap-Bereich zu finden sind. Aufgrund der Volatilität – die ins Verhältnis zur Performance gesetzt wird, man spricht hierbei vom „Sharpe-Ratio“ – könnte im Morningstar- Rating ein weiterer Stern abgezogen werden.

Die Kursgewinne seit dem ‚Corona-Tiefpunkt‘ Ende März 2020 – zeitweise +75% – sind beinahe dahingespült, der Kurs des Alpha Star Dividenden notierte Anfang 2020 schon genauso hoch. Bieten denn auch ausschüttungsstarke Titel über ihre Dividenden keine hinreichende Stabilität in den Kursen?
Angesichts der eben beschriebenen Bewertungseffekte im Zuge der deutlichen Zinserhöhungen über das Jahr 2022 geben auch Dividenden kurzfristig keinen Schutz gegen Kursrückgänge. Das wäre auch nicht zu erwarten. Langfristig sieht das jedoch ganz anders aus: Die erhöhten Zinsen sind vor allem Resultat der ausufernden Inflation und wahrscheinlich werden wir auf noch eine ganze Zeit erhöhte Inflationsraten sehen. In diesem Szenario sind Aktien die beste Wahl unter allen Assetklassen, da Aktien Anteile an produktiven Unternehmen sind und damit an realen Vermögenswerten, die mit dem allgemeinen Preisniveau steigen.

Man sollte auch nicht vergessen an der Stelle, dass Dividenden, also Ausschüttungen, traditionell einen Gutteil der Gesamtrendite stellen, oder?
Richtig. Damit sind auch Dividendenrenditen langfristig inflationsadjustierte Renditen. Das ist vor allem deshalb wichtig, da Dividenden einen signifikanten Einfluss auf die langfristige Gesamtrendite einer Aktie haben. Wichtig ist im Zusammenhang mit Dividenden für mich viel mehr, dass die Unternehmen in der Lage dazu sind, ein etabliertes Ausschüttungsniveau mindestens zu halten, selbst wenn das Umfeld etwas rauer werden sollte. Steigende Dividenden sprechen insofern auch für die Robustheit eines Geschäftsmodells und damit dessen Stabilität. Langfristig sind Dividendenaktien daher seit jeher eine der renditestärken Kategorien innerhalb des Aktienspektrums.

Gibt es Börsen-Binsenweisheiten, von denen man sich nach diesem Jahr verabschieden muss?!
Die fundamentalen Funktionsweisen der Kapitalmärkte haben sich nicht verändert. Es ist nur so, dass wir ein derartiges Ausufern der Inflation und damit verbunden steigende Zinsen sehr lange nicht mehr erlebt haben. Die meisten von uns, inklusive mir selbst, sogar noch nie. Aber die Reaktion der Aktienmärkte ist angesichts der Umfeldbedingungen im Grunde nachvollziehbar. Ein Muster, dass seit jeher an den Börsen gilt, ließ sich hier jedoch beobachten: Die Märkte übertreiben gerne einmal. In dem Fall war der Rückgang der Kurse in den ersten neun Monaten 2022 vor allem bei qualitativ hochwertigen Unternehmen zu stark, da die Gewinne der Unternehmen im Jahresverlauf 2022 trotz aller Widrigkeiten weiter steigen.

Daher dann auch die sog. Bärenmarktrallye zuletzt? – also eine Gegenbewegung innerhalb eines deprimierten Marktes.
Es hat in der Folge die scharfe Gegenreaktion im Oktober und November nach oben bedingt. Die Börsenweisheit antizyklisch zu investieren, hat sich also einmal mehr bestätigt. Eine weitere wichtige Börsenweisheit, nämlich langfristig orientiert zu investieren, hat ebenfalls immer Bestand. Über Zeit sorgt der technologische Fortschritt für Produktivitätssteigerungen, was wiederum steigende Gewinne begünstigt. Steigende Gewinne sorgen für steigende Aktienkurse. Daher können wir auf Sicht immer davon ausgehen, dass Börsen steigen, auch wenn es zwischenzeitlich im Sinne von Schwankungen durchaus einmal ungemütlich werden kann.

Ist das Rating wichtig für den Fonds?

Das Sharpe-Ratio ist sicher eine der Fondskennzahlen, denen die meiste Beachtung geschenkt wird – nicht ganz zu Unrecht, denn Rendite sollte immer im Verhältnis zum Risiko gesehen werden. Von außen betrachtet ist es nicht leicht, Risiken zu quantifizieren. Daher beschränkt man sich schnell auf die Schwankungsfreudigkeit, also die Volatilität. Dabei muss man bedenken, dass Schwankung nur dann ein Risiko ist, wenn man seine Anlage in Aktien im Zweifel kurzfristig liquidieren muss. Wenn man einen langfristigen Anlagehorizont hat und nicht gezwungen sein könnte, kurzfristig zu verkaufen, sind Schwankungen nicht erheblich.

Volatilität so weit wie möglich zu vermeiden, hat eine Schattenseite, höre ich da heraus.
Vor diesem Hintergrund ist das viel erheblichere Risiko das eines nachhaltigen Kapitalverlustes – also dass ein Unternehmen, in das man investiert hat, insolvent geht oder sich das Geschäftsmodell als nicht belastbar herausstellt und die Chancen auf eine positive Wertschöpfung nachhaltig reduziert werden. Insofern denke ich, dass in vielen Fällen eine nicht optimale Risikobetrachtung erfolgt, mit der Folge von Renditeeinbußen.

Inwiefern und was haben Sie im noch laufenden Jahr anzupassen versucht? – ohne natürlich das grundsätzliche Setup umzukrempeln.
Wir haben nicht versucht etwas anzupassen, sondern unseren Strategieansatz konsequent weiterverfolgt. Wir haben vor diesem Hintergrund auch im ersten Halbjahr 2022 einige Titel neu in das Portfolio aufgenommen, von denen wir langfristig überzeugt sind, dass sie eine gute operative Entwicklung vollziehen werden. Im zweiten Halbjahr haben wir den Fokus dann vor allem auf das bestehende Portfolio gelenkt und uns von drei Titeln getrennt, die aus unserer Sicht das niedrigste Renditepotenzial von allen Depotunternehmen aufwiesen. Diese Mittel haben wir wiederum zur Aufstockung anderer Depotunternehmen genutzt, die zuvor deutlich unter Druck geraten waren. Wir gehen aber davon aus, dass sie in einiger Zeit wesentlich höher notieren werden. Wir haben also antizyklisch investiert, insbesondere in der Nähe der Tiefpunkte im September. Ungeachtet dessen haben wir noch immer eine Cashquote von deutlich über 10% und Platz für weitere Depotpositionen. Angesichts der derzeit unsicheren Rahmenbedingungen halten wir es für sinnvoll, jederzeit reagieren zu können, wenn der Markt uns Opportunitäten bieten sollte. Wir haben noch einige Top-Unternehmen auf der Beobachtungsliste, die bislang nicht ins Portfolio gekommen sind.

Mit Blick auf 2023: mehr Licht oder mehr Tunnel?!
Ob man mehr Licht oder mehr Tunnel sieht, hängt an der Börse sehr stark von der strategischen Ausrichtung ab. Wenn man beispielsweise in zyklischen Unternehmen mit schlechten Bilanzen investiert ist, schläft man wahrscheinlich derzeit etwas unruhig. Bei Alpha Star sind wir überwiegend in marktführenden Unternehmen investiert, die eine geringe zyklische Abhängigkeit und starke Bilanzen aufweisen. Im Durchschnitt sind unsere Unternehmen nicht verschuldet. Auch für den Fall, dass eine Rezession kommt, ist uns daher nicht bange um diese Unternehmen. Im Gegenteil, so ein Szenario würde deren Marktposition sogar verbessern, wenn Wettbewerber aufgeben müssten.

An der Börse läuft man aber auch schon mal mehrere Quartale voraus, wie eben auch Sippenhaft gang und gebe ist.
Was die Börsen machen werden, ist in der Tat eine komplett andere Geschichte und lässt sich nicht vorhersagen. In der Regel laufen Realwirtschaft und Börse nicht parallel. Vielmehr antizipieren die Börsen und fallen daher meist vor einer Rezession und steigen bereits wieder, bevor sie endet. Diese Zeitpunkte zu erwischen ist reines Glücksspiel. Daher ist es das Schlauste, Kurs zu halten und einen Plan zu haben für den Fall, dass die Märkte fallen. In unserem Fall lautet der Plan, dass wir dann weitere Anteile unserer Unternehmen hinzukaufen.

Lieber Herr Gode, besten Dank für das Update!


ZUR PERSON

Felix Gode ist Fonds-Advisor der Alpha-Star-Aktienfonds. Er ist außerdem Gründer und Geschäftsführer der Alpha Star Capital GmbH.

www.alpha-star-capital.de

Autorenprofil

Falko Bozicevic ist Chefredakteur des GoingPublic Magazins sowie des Anleihe-Portals BondGuide. Seine Schwerpunkte liegen vor allem auf makroökonomischen Themen sowie Investment-Fragen rund um IPOs, Anleihen und Fonds.

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