Mit festem Zeitplan aus der Insolvenz

Gelungenes Zusammenspiel von Partnern für die Rettung des Automobilzulieferers Heinrich Huhn.

In der Automobilzulieferbranche häufen sich bereits seit einiger Zeit die Krisenfälle. Doch mit dem richtigen Konzept für die Zukunft kann es wieder nach oben gehen. Die Berylls Group GmbH mit Hauptsitz in München hat über ihren Beteiligungsarm Berylls Equity Partners den insolventen Automobilzulieferer Heinrich Huhn übernommen – unterstützt durch eine Fremdkapitallösung von creditshelf.

Vor zwei Jahren kam die schlechte Nachricht: Die Heinrich Huhn Gruppe musste Insolvenz anmelden. Im Verlauf des Insolvenzverfahrens konnte mit der Berylls Group GmbH ein strategischer Investor gefunden werden, der über eine umfangreiche Erfahrung in der Mobilitäts- und Zulieferbranche verfügt. Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens müssen alle Beteiligten eng zusammenarbeiten – und das unter hohem Zeitdruck. Wenn hier die Zahnräder nicht reibungslos ineinandergreifen, dann kann die geplante Unternehmensrettung auch noch an Kleinigkeiten scheitern. Wie das Zusammenspiel der einzelnen Parteien idealerweise funktioniert, zeigte sich beim Automobilzulieferer Huhn aus Drolshagen in der Nähe von Siegen in Nordrhein-Westfalen.

Informationsfluss und Zeitplan bedeutend

Stefan Hnida, Leiter Partnermanagement bei der creditshelf AG

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„Es ist immer sehr wichtig, dass alle Player im Prozess sehr gut informiert sind, dass es einen Zeitplan gibt und dass dieser dann auch eingehalten wird. In einem Insolvenzverfahren bauen viele Entscheidungen aufeinander auf und es gilt, Fristen einzuhalten, um zu vermeiden, dass zeitkritische Folgeprobleme entstehen können“, erklärt Stefan Hnida, Leiter Partnermanagement bei der creditshelf AG. Seit über zwei Jahren setzen sich Teams bei creditshelf auch mit Finanzierungen im Bereich von Distressed M&A auseinander. Bislang wurde bereits ein gutes Dutzend Fälle mit Fremdkapitallösungen ermöglicht. „Ermöglichen ist genau das richtige Stichwort, denn wir verstehen uns bei diesen Transaktionen als eine Art ‚Deal-Enabler‘ für einen strukturierten Verkauf“, fährt Hnida fort. Angesichts der Vielzahl an Herausforderungen weltweit rechnet er für die kommenden Monate mit mehr Geschäft in diesem Bereich. Das liege nicht nur an den Nachwirkungen der Coronapandemie und der aktuellen Kosten- und Lieferkettenkrise, sondern auch an der zunehmenden Zurückhaltung von klassischen Banken. „Wir agieren sicher etwas risikofreudiger als traditionelle Geldgeber – aber wir lassen uns das auch entsprechend bezahlen“, so Hnida weiter.

Im Kern grundsolide Unternehmen

Im Fall der Heinrich Huhn Gruppe ging das Team von creditshelf ähnlich vor wie bei vergleichbaren Finanzierungsentscheidungen im Bereich Automotive. Ein Kriterium bei der Entscheidung ist der Umfang der Wertschöpfungskette. Weiterhin werden auch die Marktchancen im Bereich der Elektromobilität überprüft, während die Lieferung von Komponenten für den konventionellen Antriebsstrang eher negativ bewertet wird. „Die Unternehmen, die wir uns ansehen, sind oftmals im Kern grundsolide und haben ein tragfähiges Geschäftsmodell. Trotzdem können sie durch unerwartete Entwicklungen in eine Liquiditätskrise geraten“, so Hnida. Insgesamt sei die gesamte Branche sehr finanzierungsintensiv, durch hohe Aufwendungen im Bereich Investitionen, Lagerhaltung sowie Forschung und Entwicklung. Bei der Frage einer Finanzierungsbeteiligung sei es aber ebenso wichtig, zu erfahren, welche Pläne der neue Investor mit dem Unternehmen verfolgt und welche Wachstumsstory er anstrebt.

Schnelle und effektive Lösung

Andreas Rauh, Geschäftsführer bei Berylls Equity Partners GmbH

Die Heinrich Huhn Gruppe beschäftigt rund 500 Mitarbeiter an ihren Standorten in Drolshagen sowie bei der Tochtergesellschaft in Vráble (Slowakei). Die Unternehmensgruppe, die auf eine über 100-jährige Geschichte zurückblicken kann, beliefert weltweit Abnehmer aus der Automobilbranche mit Metallumformteilen für Bremskraftverstärker, Lenksäulen, Getriebe, Lager sowie mit weiteren Baugruppen im Automobilbereich. 1912 gegründet, war die damalige Heinrich Huhn GmbH + Co. KG ein Familienunternehmen, das bis in die vierte Generation in der Hand der Gründerfamilie blieb. Aufgrund der Herausforderungen durch die Dieselkrise und die weltweite Coronapandemie geriet die damalige GmbH + Co. KG in eine existenzbedrohende finanzielle Schieflage, die letztlich zur Insolvenz führte. „Als wir auf die Heinrich Huhn Gruppe aufmerksam wurden, waren wir schnell der Ansicht, dass wir für die herausfordernde Situation des Unternehmens eine schnelle und effektive Lösung finden können. Das war für uns dann der Auslöser, um uns intensiver mit einer möglichen Übernahme zu beschäftigen“, erklärt Andreas Rauh, Geschäftsführer bei Berylls Equity Partners GmbH. Der sofort eingeleitete Transformationsprozess wurde allerdings im vergangenen Jahr durch die Halbleiterkrise und den militärischen Konflikt in der Ukraine empfindlich gestört. „Es hat sich im Nachhinein als sehr gut erwiesen, dass wir bei unserem Übernahmekonzept ein paar Sicherheitspolster vorgesehen hatten“, fährt Rauh fort. Trotz aller Widrigkeiten befinde man sich aber auf einem guten Weg – denn, so fügt er an: „Sicherheitsrelevante Teile in den Bereichen Lenkung und Fahrwerk im Auto werden immer gebraucht, selbstverständlich auch beim E-Auto.“

Gute Vernetzung in der Automobilbranche

Die Berylls Group GmbH hat neben dem Hauptgeschäft der Top-Level-Management-Beratung 2020 ihren Beteiligungsarm Berylls Equity Partners gegründet, um mit eigenem Kapital in kriselnde Unternehmen der Mobilitätsindustrie zu investieren. „Wir haben auf der Beraterseite so viele erfolgreiche Unternehmenstransaktionen begleitet, dass wir uns das auch selbst zugetraut haben“, sagt Rauh. Inzwischen gab es in jedem Jahr eine Übernahme und das Team hält weiter die Augen offen. Durch die gute Vernetzung in der Automobilbranche bekomme man frühzeitig Hinweise sowie schnelle Einschätzungen über die Krisenursachen und Marktchancen möglicher Übernahmekandidaten. „Wir wissen relativ schnell, ob es sich bei einem Unternehmen lohnt, tiefer in die Zahlen einzusteigen. Entscheidend ist für uns an erster Stelle immer unsere Bewertung der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells. Nur wenn wir bei Berylls Equity Partners von ihr überzeugt sind, prüfen wir detaillierter, ob sich ein Investment lohnen kann“, erklärt Rauh weiter. Im Mittelpunkt stehe immer, die Firmen im Portfolio langfristig erfolgreich zu entwickeln.

Erschließung neuer Kundengruppen

Jens Lange, Geschäftsführer bei Heinrich Huhn Gruppe

Bei der Heinrich Huhn Gruppe läuft derzeit nach der überstandenen Insolvenz die Aufbauarbeit weiter. „Aktuell haben wir mit den Unsicherheiten durch die Entwicklung bei den Energiekosten zu kämpfen“, erklärt Jens Lange, seit 1. Juli 2022 Geschäftsführer der Heinrich Huhn Gruppe. Die hohen Tarifabschlüsse in der Metallbranche seien auch nicht hilfreich. Beide Faktoren – zusammen mit einem unverändert unsicheren Abrufverhalten der Hersteller – könnten nach seiner Ansicht besonders im Jahr 2023 zu weiteren Krisen in der Branche führen. Bei der Heinrich Huhn Gruppe setzt man langfristig darauf, neue Geschäftsfelder zu erschließen. „Wir sehen Energiespeichersysteme, die in Zukunft verstärkt im Stromnetz eingesetzt werden, als eine Technologie mit viel Potenzial. Da wollen wir ganz vorne mit dabei sein“, so Lange. Aktuell sei das Unternehmen noch „100% Automotive“ – aber man wolle sich beim Know-how breiter aufstellen. Geplant ist außerdem die Erschließung neuer Kundengruppen. Parallel sollen die Aktivitäten am zweiten Standort des Unternehmens in der Slowakei wie auch außerhalb Europas auf- beziehungsweise ausgebaut werden. Denn auch bei der Heinrich Huhn Gruppe kann man sich einem generellen Trend in der Industrie nicht verschließen: Die aktuellen Rahmenbedingungen insbesondere bei den Energiekosten führen branchenweit zu einem erhöhten Verlagerungsdruck.


KURZPROFIL

Heinrich Huhn Gruppe

Gründungsjahr: 1912

Branche: Automobilzulieferer

Unternehmenssitz: Droishagen

Umsatz 2021: ca. 100 Mio. EUR

Mitarbeiterzahl: rund 500

www.heinrich-huhn.de

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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