Suche nach Unternehmensnachfolger wird immer schwerer

Foto: © Thinkstock/iStock
Foto: © Thinkstock/iStock

Für Unternehmerinnen und Unternehmer war es noch nie schwieriger, eine geeignete Nachfolge zu finden. Besonders alarmierend: Ein Viertel erwägt sogar, den Betrieb vorzeitig zu schließen. Das geht aus dem aktuellen Report Unternehmensnachfolge 2023 hervor, den die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) jetzt vorgestellt hat. Der Report, für den rund 24.000 Kontakte von IHK-Beraterinnen und -Beratern mit Firmenvertretern im vergangenen Jahr ausgewertet wurden, stellt eine besorgniserregende Prognose auf: Hochgerechnet auf sämtliche Inhaberinnen und Inhaber ab 60 Jahren könnten in den kommenden fünf Jahren etwa eine Viertelmillion Unternehmen von vorzeitigen Schließungen betroffen sein.

“Das sind einschneidende Entwicklungen für den Standort Deutschland”, sagt DIHK-Präsident Peter Adrian. “Immer mehr Unternehmen – gerade kleine und mittlere – verschwinden so und hinterlassen Lücken in Wirtschaft und Gesellschaft.” Dem Report zufolge gibt es in der IHK-Nachfolgeberatung aktuell mehr als dreimal so viele Angebote wie Übernahmeinteressenten. Nicht einmal halb so viele potenzielle Nachfolger wie vor der Corona-Pandemie hätten sich bei ihrer IHK nach geeigneten Betrieben erkundigt. Das sei ein historisches Tief seit Beginn der Statistik im Jahr 2007.

Nicht nur eine Frage der Demografie

Als einen wichtigen Grund für das schwindende Interesse wertet die DIHK in ihrem Report die demografische Entwicklung, die die Generation potenzieller Nachfolger ausdünnt.  Insgesamt nennen 94% der IHKs Schwierigkeiten bei der Nachfolgesuche. Die gründungsstarken Altersjahrgängen zwischen 18 und 40 Jahren seien immer schwächer besetzt. Gleichzeitig erreichen immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer das Ruhestandsalter. Allein durch die Demografie sei der starke Rückgang in den letzten beiden Jahren aber nicht zu erklären. Die Unternehmen würden den IHKs von starker Verunsicherung über die wirtschaftliche Zukunft berichten. Verursacht würde das vor allem durch steigende Kosten für Energie, Fachkräftemangel sowie die enorme Regulierungsdichte. „Die Probleme in der deutschen Wirtschaft  sind zu einem großen Teil hausgemacht”, kritisiert der DIHK-Präsident. “Wir müssen agiler, effizienter und auch innovativer werden. Dazu brauchen wir eine bessere Infrastruktur, eine funktionierende Digitalisierung sowie eine zukunftsgewandte Standortpolitik, die die Transformation unserer Wirtschaft ermöglicht.“

Auch seien die Folgen der Corona-Pandemie oftmals betriebswirtschaftlich noch nicht ausgestanden. Die Einschränkungen der Geschäftstätigkeit habe für viele Branchen herbe Einbußen gebracht, die zu den „klassischen“ Branchen für Unternehmensgründungen und Unternehmensnachfolgen zählen. Hierzu gehören laut DIHK vor allem Handel, Gastronomie und viele Dienstleistungsbereiche wie etwa Reisewirtschaft und Veranstaltungswirtschaft. Laut IHKs legten gerade in diesen Branchen viele Senior-Unternehmerinnen/-Unternehmer die Übergabe ihres Betriebes „auf Eis“, um das Fortbestehen des Betriebes zu sichern.

Finanzierungen werden schwieriger

Ein Drittel der Nachfolgeinteressenten berichtet den IHKs von Finanzierungsproblemen. Denn mit dem restriktiveren Zins- und Finanzierungsumfeld sind den IHKs zufolge die relevanten Finanzierungskanäle für die potenziellen Nachfolger deutlich enger geworden. Infolgedessen dürfte sich die Finanzierung des Kaufpreises für viele Nachfolgeinteressenten merklich erschweren.

Die gestiegenen Zinsen schlagen deutlich auf die Fremdfinanzierung bei der Unternehmensnachfolge durch. Für die klassische Finanzierungssäule, den Bankkredit, berichten die IHKs nämlich bereits von deutlichen finanziellen Einschränkungen. 49 Prozent der IHKs sehen Verschlechterungen, nur vier Prozent Verbesserungen. Auch bei Bürgschaften und bei der Nachfolgefinanzierung via Beteiligungskapital sehen die IHKs mittlerweile ein engeres Finanzierungsumfeld. Das Ende der Niedrigzinsphase begünstige Investments in sichere Anlagen und mache viele Engagements in Startup-Projekte oder Unternehmensnachfolgen weniger attraktiv.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

Vorheriger ArtikelCoworking-Anbieter WorkRepublic ist insolvent
Nächster Artikel“Wir kümmern uns um Themen, die Unternehmern den Schlaf rauben”