Wurstwelt im Wandel

Findiger Geschäftsmann

Auch deswegen reagierte er. Jedoch weniger aus ethischen Gründen. Vielmehr sind es die Zahlen, die ihn zum Umdenken verleiteten. Er erkannte die Marktlücke auf der Suche nach einem zusätzlichen Standbein neben dem schwierigen Wurstgeschäft. „Wir haben leckere Wurst, gut verpackt, gute Preise, gute Kommunikation, trotzdem läuft es nicht richtig. Wir kommen nicht vom Fleck“, zitiert Rauffus seinen Marketingchef Röben aus dem Jahr 2012. „Christian, wir müssen in einen anderen Markt.“

Der deutsche Vegetarierbund bezifferte die Zahl der sich fleischlos ernährenden Deutschen Anfang des Jahres 2015 auf etwa 7,8 Mio. Menschen. Die Gruppe der sogenannten Flexitarier, die sich kritisch mit Fleischkonsum beschäftigen und an weniger als drei Tagen in der Woche fleischhaltige Produkte essen, ist mit über 42 Mio. Menschen deutlich größer und wächst. Da war der gesuchte Markt. „Wir leben davon, dass wir den Menschen Produkte anbieten, die sie bereit sind zu kaufen.“ Ob das klassische Wurst oder eben vegetarische Alternativen sind. Vor dem Veggie-Projekt gab es bereits andere Versuche, diese Zielgruppe als Kunden zu gewinnen. „Wir haben versuchsweise auch mal Bio hergestellt, aber das funktioniert nicht – alle reden davon, aber keiner kauft’s.“ Für die Rügenwalder Mühle waren die Mehrkosten zu hoch. Bei Pflanzen koste Bio zehn bis 20 Prozent mehr, bei Fleischwaren seien es 350 Prozent, so der Unternehmer.

Veggie-Boom befeuert auch die Wurst

Neben dem Erfolg der vegetarischen Produkte verzeichnet die Rügenwalder Mühle in diesem Jahr auch wieder steigende Zahlen im Wurstgeschäft. „Drei bis vier Prozent sind zwar nicht dramatisch viel, aber es ist besser, als wir befürchtet haben“, sagt Rauffus und führt den Erfolg auf den Dachmarkeneffekt zurück. Wurst soll auch weiterhin eine Rolle spielen, die Veggie-Sparte wird parallel ausgebaut. Eine neue Halle mit neuen Maschinen für 100 neue Mitarbeiter ist schon in Arbeit.

Rügenwalder Mühle Temperaturkontrolle
Temperaturkontrolle: Ein Muss bei Würsten.

Sinnbildlich für den Wandel, der sich bei einem der bekanntesten Wurst- und Schinkenhersteller Deutschlands vollzogen hat, steht in gewisser Weise auch Sohn Gunnar, der seit einem Jahr im Familienbetrieb arbeitet. Anders als sein Vater hat er keine Fleischerlehre absolviert. Als gelernter Banker und promovierter Jurist soll er trotzdem die Nachfolge seines Vaters antreten, wenn dieser abtritt. „Das ist ein Privileg für mich, dass mein Sohn das hier fortführen will.“ Natürlich habe er sich gefragt, wie er ihn dazu bewegen könne, und mit seiner Frau Heidi darüber diskutiert. „Das kriegen wir hin, mit ganz viel Liebe, hat sie gesagt und das war die beste Antwort, die man geben kann“, erzählt er.

Mit seiner Frau möchte er reisen, wenn er mal nicht mehr Chef des Unternehmens ist. Wann das ist, weiß er aber noch nicht. Vermutlich machen ihm die ganzen Veränderungen im Moment einfach zu viel Spaß.

KURZPROFIL

Carl Müller GmbH & Co. KG
Gründungsjahr:
1834
Branche: Wurst- und Fleischwaren
Unternehmenssitz: Bad Zwischenahn (Niedersachsen)
Umsatz 2014: ca. 175 Mio. Euro
Mitarbeiter: ca. 500
www.ruegenwalder.de

Autorenprofil

Korbinian Vielmeier verstärkt im Sommer 2015 als Praktikant das Team der Unternehmeredition. Er studierte Business Administration and Economics sowie Medien und Kommunikation in Passau, bevor er sich im Herbst auf zu seinem Masterstudiengang macht.

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