Rückzahlung von Coronahilfen: „Handeln – bevor es zu spät ist“

Interview mit Inga Homoth und Justus von Buchwaldt, BBL Brockdorff Rechtsanwaltsgesellschaft

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In der Zeit der Coronapandemie haben zahlreiche Unternehmen in Deutschland Hilfsprogramme genutzt oder vergünstigte Kredite aufgenommen. Nun stehen bei vielen Firmen die Rückzahlungen an. Was dabei zu beachten ist, besprechen wir im Interview mit Inga Homoth und Justus von Buchwaldt von BBL Brockdorff Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. 

Unternehmeredition: Viele Unternehmer stehen derzeit vor der Frage, wie sie mit ihren Coronakrediten umgehen sollen – Tilgungen werden fällig, Rückforderungen drohen. Wann ist der richtige Zeitpunkt, um professionelle Beratung einzuholen?

Justus von Buchwaldt: Die klare Antwort lautet: so früh wie möglich. Unternehmen sind nach §1 StaRUG sogar gesetzlich verpflichtet, ihre Zahlungsfähigkeit laufend zu überwachen. Wer feststellt, dass in den nächsten 24 Monaten eine Zahlungsunfähigkeit droht – etwa, weil ein Coronakredit nicht zurückgezahlt werden kann –, muss aktiv werden. Je früher die Weichen gestellt werden, desto mehr Handlungsspielraum bleibt.

Inga Homoth: Viele Unternehmer, auch im gehobenen Mittelstand, unterschätzen diese Pflicht oder wissen gar nicht, dass sie besteht. Dabei ist das Krisenfrüherkennungssystem inzwischen ein fester Bestandteil moderner Unternehmensführung. Es geht nicht nur um juristische Pflichten – sondern um den Erhalt des Unternehmens. Wer zu spät handelt, riskiert nicht nur den Verlust der Liquidität, sondern auch das Vertrauen seiner Stakeholder.

Welche typischen Fehler beobachten Sie bei Unternehmern, sollte die Rückzahlung von KfW- oder LfA-Krediten schwierig werden?

von Buchwaldt: Der häufigste Fehler ist ganz klar: zu langes Abwarten, wenn für den Unternehmer erkennbar ist, dass eine vertragsgemäße Rückzahlung schwierig wird. Viele Unternehmer hoffen, dass sich die Dinge „schon irgendwie regeln“. Das ist fatal – gerade wenn sich Zahlungsengpässe abzeichnen. Auch organisatorisch sehen wir Defizite: fehlende Liquiditätsplanungen, unvollständige Unterlagen oder fehlende Kommunikation mit Gläubigern. In einem unserer Fälle hatte das Unternehmen eine sechsstellige Rückforderung aus einer Überbrückungshilfe schlicht ignoriert – bis der Rückzahlungsbescheid ergangen war. Da war es für eine außergerichtliche Lösung, also eine Vereinbarung außerhalb eines Insolvenzverfahrens, bereits zu spät.

Homoth: Besonders problematisch ist es, wenn Unternehmen rein auf eine Best-Case-Planung setzen. Wer keine Worst-Case-Betrachtung einbezieht, gerät schnell in Schieflage, wenn sich typische Risiken im Unternehmensumfeld verwirklichen. Zudem herrscht oft Unklarheit über rechtliche Begriffe: Drohende Zahlungsunfähigkeit bedeutet nicht, dass ich heute kein Geld mehr habe – sondern dass ich innerhalb von 24 Monaten absehbar meine Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen kann.

Wie unterscheidet sich die Restrukturierung von Coronakrediten im Vergleich zu klassischen Bankverbindlichkeiten – etwa im Hinblick auf das Beihilferecht?

Homoth: Coronakredite, etwa von der KfW, unterliegen dem europäischen Beihilferecht. Das bedeutet: Förderbanken dürfen sich in Sanierungsverhandlungen nicht schlechterstellen lassen als private Gläubiger. Es greift der sogenannte Private Creditor Test – ein komplexes Instrument, das sicherstellt, dass keine verbotene Beihilfe entsteht. In der Praxis heißt das oft: Die Geschäftsbank, die den Coronakredit ausgibt, ist von der Entscheidung der rückbürgenden Förderbank abhängig und entscheidet nicht selbst. Die Praxis zeigt: Bei unklarer Positionierung der Förderbank lehnt die Geschäftsbank eine außergerichtliche Sanierung oder eine Sanierung nach dem StaRUG in der Regel ab, da sie nur beim Ausfall des Kreditnehmers die Rückbürgschaft ziehen kann.

von Buchwaldt: Genau das macht die Restrukturierung dieser Kredite so herausfordernd: Denn wenn eine Förderbank passiv bleibt, kann das ein ganzes Verfahren blockieren – gerade im Rahmen eines StaRUG-Verfahrens, das 75% Zustimmung aller von der Maßnahme betroffenen Gläubiger verlangt. In solchen Fällen droht das Abgleiten in ein Insolvenzverfahren. Dabei geht es nicht um den bösen Willen der betroffenen Banken, sondern oft um die beihilferechtliche Einbindung der Förderbanken. Wir haben erlebt, dass selbst bei klarer wirtschaftlicher Vernunft eine Zustimmung verweigert wurde – weil keine beihilfekonforme Vergleichsrechnung vorgelegt werden konnte, anhand derer die Förderbanken eine Schlechterstellung ausschließen konnten.

Was genau ist der Private Creditor Test – und welche Bedeutung hat er in der Praxis?

Homoth: Der Test verlangt, dass sich öffentliche Gläubiger wie die KfW im Vergleich zu privaten Banken oder Gläubigern nicht schlechterstellen dürfen. In einem Restrukturierungsplan müssen Unternehmen den Vergleich ziehen: Was passiert bei Eintritt des naheliegendsten Alternativszenarios, zum Beispiel einer Liquidation in einer Insolvenz? Nur wenn die Förderbank durch die Sanierung bessergestellt wird als durch eine Liquidation, darf sie – wird sie – dem Vorhaben zustimmen.

von Buchwaldt: Wir hatten etwa einen Fall, in dem eine Hausbank bereit war, auf Forderungen zu verzichten – die KfW jedoch blockierte, weil sie beihilferechtlich nicht zustimmen durfte. Erst als wir mit belastbaren Zahlen nachweisen konnten, dass im Insolvenzfall ein Totalausfall droht, wurde die Position revidiert. Das zeigt: Der Private Creditor Test ist nicht nur ein theoretisches Konstrukt – er ist das zentrale Nadelöhr für jede Restrukturierung öffentlich verbürgter Kredite.

Was müssen Unternehmen beachten, wenn sie eine Tilgungsaussetzung oder Laufzeitverlängerung anstreben?

Homoth: Für Coronakredite sind nach unserer Erfahrung Tilgungsaussetzungen oder Zinsstundungen einfach zu beantragen – zumindest im Vergleich zu klassischen Bankkrediten. Der Gesetzgeber wollte mit der vereinfachten Möglichkeit zur Tilgungsaussetzung und Zinsstundung den betroffenen Unternehmen gezielt mehr Zeit verschaffen. Trotzdem gilt auch hier: Der Antrag muss sauber vorbereitet sein. Ohne tragfähiges Sanierungskonzept – idealerweise nach IDW S6 oder S11 – geht es nicht.

von Buchwaldt: Wir beobachten aber, dass die Hausbanken zunehmend kritischer Sanierungsvorhaben außerhalb eines Insolvenzverfahrens begleiten. Sie prüfen genauer, ob eine Sanierungsfähigkeit des Kunden gegeben ist – auch, weil sie regulatorisch dazu verpflichtet sind. Bei kleineren Krediten sehen wir zunehmend, dass Banken sich gar nicht erst engagieren. Wenn ein Unternehmen keine tragfähige Perspektive aufzeigen kann, wird eine Laufzeitverlängerung oft abgelehnt.

Und wie verhält es sich bei Rückforderungen aus Schlussabrechnungen – etwa bei den Überbrückungshilfen?

Homoth: In der Regel wissen Unternehmen bereits, ob Rückforderungen drohen. Es gibt offizielle Bescheide, gegen die Widerspruch eingelegt werden kann. Wer aber keine Rücklagen gebildet hat oder den Bescheid ignoriert, riskiert die Insolvenz. Denn solche Forderungen sind sofort fällig – und vergleichbar mit Steuerschulden.

von Buchwaldt: Auch hier gilt: Wer frühzeitig reagiert, kann unter Umständen Stundungen oder Ratenzahlungen vereinbaren. Das ist aber das Feld des Steuerberaters – und keine Frage der Unternehmenssanierung im engeren Sinn.

Welche Rolle spielt die Fortbestehensprognose – und wie grenzt sie sich von der Zahlungsfähigkeitsprognose ab?

von Buchwaldt: Die Fortbestehensprognose betrifft einen Zeitraum von zwölf Monaten und ist im Kontext der Überschuldungsprüfung entscheidend. Liegt keine positive Fortbestehensprognose vor, folgt hieraus, dass ein Unternehmen möglicherweise antragspflichtig wird, also die Geschäftsführung einen Insolvenzantrag stellen muss. Die Zahlungsfähigkeitsprognose bei drohender Zahlungsunfähigkeit hingegen umfasst 24 Monate und ist nach dem StaRUG zentral – sie zeigt, ob eine drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Beide Prognosen sollten sauber dokumentiert werden – insbesondere wenn man mit Gläubigern oder Förderbanken verhandelt.

Homoth: Beides muss sauber voneinander getrennt und dokumentiert werden. Wir empfehlen zwei separate Dokumente – einmal zur Durchfinanzierung (24 Monate) und einmal zur Fortbestehensprognose (zwölf Monate). Gerade in komplexeren Fällen ist das unerlässlich.

Welche Rolle spielen Restrukturierungsinstrumente wie StaRUG oder Insolvenzplanverfahren zur Neuordnung von Coronakrediten?

Homoth: Beide Verfahren bieten Möglichkeiten – StaRUG präventiv, Insolvenzplanverfahren bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit. Wichtig ist: Je tiefer ein Unternehmen in der Krise steckt, desto weniger Spielraum besteht für die Sanierung. Und: Eine Eigenverwaltung kann für Unternehmer strategisch vorteilhaft sein – auch wenn sie unpopulär klingt, weil die Voraussetzungen für eine Zustimmung im Insolvenzverfahren ungleich leichter zu erreichen sind als im StaRuG-Verfahren.

von Buchwaldt: Für Hausbanken kann ein Insolvenzplanverfahren sogar attraktiver sein – etwa, wenn die Rückbürgschaft der KfW greift. Häufig sind die Bürgschaften an den Forderungsausfall der Hausbank geknüpft. Einen Ausfall wird man – anders als in einem StaRuG-Verfahren – im Insolvenzverfahren regelmäßig annehmen können. Wenn im StaRUG-Verfahren der Forderungsausfall der Hausbank anzunehmen ist, kann die Hausbank die Bürgschaft nicht ziehen. Deswegen muss genau hingeschaut werden, ob es für eine Hausbank nicht besser ist, den Ausfall zu akzeptieren, um die Bürgschaft des staatlichen Bürgens zu ziehen.

Gibt es Branchen oder Unternehmenssituationen, bei denen aktuell besonderer Handlungsbedarf besteht?

von Buchwaldt: Besonders betroffen sind Branchen mit strukturellen Problemen: Gastronomie, Tourismus, stationärer Einzelhandel – aber auch Automobilzulieferer oder Bauunternehmen mit rückläufiger Auftragslage. Wer hier hohe Coronakredite aufgenommen hat, sollte dringend prüfen, wie es weitergeht.

Homoth: Unser Appell: Reden Sie rechtzeitig mit Ihren Beratern, Ihrer Hausbank – und lassen Sie sich professionell begleiten. In vielen Fällen ist noch nicht alles verloren – aber das Zeitfenster für sinnvolle Lösungen schließt sich schnell.

Wir danken Ihnen für das aufschlussreiche Gespräch!

Das Interview führte Alexander Görbing.


ZU DEN INTERVIEWPARTNERN

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Inga Homoth, LL.M. oec. ist seit 2009 als Rechtsanwältin zugelassen und seit 2015 im Bereich Insolvenz- und Sanierungsrecht tätig. Seit 2021 ist sie bei BBL Brockdorff beschäftigt. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in der Beratung von Unternehmen und Konzernen bei Sanierungs- und Restrukturierungsvorhaben. Sie berät Unternehmen in Krisensituationen und begleitet sie in Eigenverwaltungsverfahren und bei Verfahren nach dem StaRUG.

 

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Justus von Buchwaldt, LL.M. wird seit dem Jahr 2004 an zahlreichen norddeutschen Insolvenz- und Restrukturierungsgerichten als Restrukturierungsbeauftragter, Sachwalter und Insolvenzverwalter bestellt. Seit 2009 ist er Partner bei BBL Brockdorff. Er berät Unternehmer und Unternehmen bei der Krisenvermeidung und begleitet diese in beratender Funktion als Sanierungsberater in Eigenverwaltungsverfahren.

 

👉 Dieser Beitrag erscheint auch in unserer Unternehmeredition-Magazinausgabe 2/2025.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen und Tech-Start-ups.

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