Eigenverwaltung oder StaRUG-Verfahren?

Die Restrukturierungsmethoden „Sanierung in Eigenverwaltung“ und „Sanierung via StaRUG“ anhand der Praxisbeispiele Gerry Weber und Eterna im Vergleich

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Der Mittelstand muss mehr denn je auf weitreichende technologische und ökonomische Veränderungen reagieren: Globale Handelskrisen, eine über zwei Jahre andauernde Pandemie in Verbindung mit Störungen der Lieferketten, auslaufende COVID-Finanzierungen sowie der Ukrainekrieg verstärken Unternehmenskrisen und damit den unmittelbaren Handlungsdruck, tiefgreifende Anpassungen im Unternehmen vorzunehmen zu müssen.

Die einvernehmliche Verständigung auf Restrukturierungsmaßnahmen und Anpassungen von langfristigen Verträgen, unter anderem zur Finanzierung des Unternehmens, sollte immer die favorisierte Lösungsmöglichkeit für eine Unternehmenssanierung sein und stellt nach wie vor den häufigsten Fall der Sanierung dar. Trotz vorausschauender Vorbereitung, objektiver Überprüfung und professioneller Begleitung durch Sanierungsexperten kann jedoch die Umsetzung entsprechender Maßnahmen an der Komplexität beziehungsweise Kleinteiligkeit des Geschäftsmodells, unvorhergesehenen Marktentwicklungen und einer damit einhergehenden Vielzahl an zu beteiligenden Dritten scheitern, zumal eine Lösung in der Regel auch unter einem gewissen Zeitdruck herbeigeführt werden muss.

Hier ist es nunmehr von Vorteil, dass der Gesetzgeber mit dem „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) und dem Gesetz über die Stabilisierung und Restrukturierung von Unternehmen (StaRUG) zwei Sanierungsverfahren zur Verfügung gestellt hat, die mittlerweile fester Bestandteil im Werkzeugkoffer der Sanierer sind.

Das ESUG trat bereits im März 2012 in Kraft und schaffte die Möglichkeiten der frühzeitigen Eigensanierung für Unternehmer. Im Zuge der Umsetzung einer Richtlinie der EU aus dem Jahr 2019 trat in Deutschland zum 1. Januar 2021 außerdem das StaRUG in Kraft, das gleichermaßen das Ziel verfolgt, Unternehmen die Sanierung zu ermöglichen. Für beide Methoden gilt in der Regel die Grundvoraussetzung, dass das Unternehmen weitergeführt werden soll.

Eigenverwaltung oder StaRUG-Verfahren – die wesentlichen Unterschiede

Beide Restrukturierungsmethoden haben grundsätzliche Gemeinsamkeiten, weisen aber auch substanzielle Unterschiede zueinander auf. Die Ziele beider Verfahren sind der Erhalt des Rechtsträgers sowie die Fortführung des Unternehmens.

Das StaRUG-Verfahren setzt vor der Eigenverwaltung an. So sind Voraussetzungen für ein StaRUG-Verfahren das Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit und das Nichtvorligen von Insolvenzantragspflichten. Dies ist der Fall, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Zahlungsunfähigkeit nicht in den nächsten zwölf, aber in den nächsten 24 Monaten eintritt, sofern nicht geeignete Sanierungsmaßnahmen eingeleitet werden.

Falls bereits Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung vorliegen und damit die Insolvenzreife beziehungsweise die Insolvenzantragspflicht besteht, bleibt als Sanierungsweg die Eigenverwaltung.

Darin besteht auch einer der wesentlichsten Unterschiede der beiden Restrukturierungsmethoden: Das Eigenverwaltungsverfahren ist ein förmliches Insolvenzverfahren, wohingegen das StaRUG-Verfahren ausdrücklich der Insolvenzvermeidung dient. Eingriffe in Arbeitnehmerrechte oder Pensionsverbindlichkeiten können nur im förmlichen Insolvenzverfahren (Eigenverwaltung) vorgenommen werden und nicht im StaRUG-Verfahren.

Das zuständige Insolvenzgericht stellt dem Unternehmer bei Eigenverwaltung verpflichtend einen unabhängigen Sachwalter an die Seite, damit die Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens ordnungsgemäß überwacht wird. Demgegenüber wird im StaRUG-Verfahren ein sogenannter Restrukturierungsbeauftragter vom Restrukturierungsgericht nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen berufen.

Auch im Hinblick auf die Zustimmung zum Restrukturierungsplan im StaRUG-Verfahren ist in den Gläubigergruppen eine Summenmehrheit von 75% aller Planbetroffenen notwendig, wohingegen im Eigenverwaltungsverfahren die einfache Mehrheit der abstimmenden Gläubiger genügt – in diesem Fall ist allerdings die Summen- und Kopfmehrheit insgesamt erforderlich.

Vergleich der Verfahren bei Gerry Weber und Eterna

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Bei Gerry Weber bestanden Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber mehr als 100 Schuldscheingläubigern. Zusätzlich bestand operativer Sanierungsbedarf. Im Rahmen des außergerichtlichen Sanierungsversuchs gelang es trotz großer Anstrengungen letztlich nicht, alle Beteiligten zu einer einheitlichen Vorgehensweise in der Sanierung des Unternehmens zu bewegen, so dass schließlich ein Eigenverwaltungsverfahren notwendig war. Im Rahmen dieses Verfahrens konnte dann doch noch das ursprünglich geplante Sanierungskonzept (IDW S6) umgesetzt werden. Im Rahmen des durchgeführten Insolvenzplans war es schließlich möglich, Mehrheitsentscheidungen zu treffen und langfristige Verträge vorzeitig zu kündigen.

Bei der Restrukturierung von Eterna war kein Eigenverwaltungsverfahren notwendig. Im Sommer 2021 konnte bereits auf das neue StaRUG-Verfahren zurückgegriffen werden. Bei Eterna war eine Restrukturierung der Anleihefinanzierung erforderlich, um dem Unternehmen Luft für eine Transformation zu geben. Dieses Ziel konnte mit den üblichen Regelungen des Anleihegesetzes trotz mehrfacher Anleihegläubigerversammlungen nicht erreicht werden. Das StaRUG-Verfahren konnte auf die Anleihegläubiger und wenige sonstige Lieferanten begrenzt werden. Dadurch wurde das operative Geschäft nicht beeinflusst. Die Stimmverhältnisse im StaRUG-Verfahren ermöglichten auf Basis eines Sanierungskonzeptes sodann die Herbeiführung einer Sanierungslösung unter Einbeziehung des eingegrenzten Gläubigerkreises.

In beiden Fällen konnte eine einvernehmliche Sanierung aufgrund der Komplexität durch die Vielzahl der Beteiligten auf der Finanzierungsseite nicht erreicht werden. Hätte das StaRUG bereits im Jahr 2019 zur Verfügung gestanden, hätte Gerry Weber sicherlich auch ohne Eigenverwaltungsverfahren saniert werden können. Zwar hätte im StaRUG-Verfahren eine erleichterte Beendigung von Verträgen nicht zur Verfügung gestanden, jedoch wäre die Sanierung dann wahrscheinlich geräuschloser verlaufen.

FAZIT

Abhängig von der Ausgangssituation können beide Sanierungsmethoden zum avisierten Ziel führen, dies setzt allerdings einen gut organisierten Prozess und vor allem die Begleitung von erfahrenen Sanierern voraus. Abschließend lässt sich festhalten, dass in Deutschland mittlerweile ausreichend Werkzeuge und Verfahren zur Verfügung stehen, um eine Restrukturierung, die durch die finanzielle Restrukturierung dominiert wird, in einem überschaubaren und kalkulierbaren Rahmen durchzuführen. Das StaRUG ergänzt die Werkzeuge zur Restrukturierung eines Unternehmens und erhöht die Wahrscheinlichkeit von (teil-)konsensualen Lösungen. Es muss nicht in jedem Fall der als Hürde empfundene Schritt in ein Eigenverwaltungsverfahren genommen werden.

Dieser Beitrag erscheint in der Unternehmeredition 2/2022.

Autorenprofil
Christoph Elzer

Christoph Elzer ist Rechtsanwalt und Partner der Unternehmensberatung von Ebner Stolz. Den Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildet die Sanierungsberatung von Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens aber auch im Rahmen der hier dargestellten Verfahrensarten.

 

Autorenprofil
Sebastian Müller

Sebastian Müller ist Senior Manager bei den Management Consultants, der Unternehmensberatung von Ebner Stolz. Den Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildet die Sanierungsberatung von Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens aber auch im Rahmen der hier dargestellten Verfahrensarten.

 

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