Pemacom 2025: Neue Perspektiven für Europa, Nachfolge und KI

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Am 23. September 2025 traf sich die internationale Private-Equity- und M&A-Community zur Pemacom im Münchner Hotel Bayerischer Hof. Unter dem Motto „Make it great again – aber wie?“ wurden die großen Themen der Branche diskutiert: die geopolitische Lage, Nachfolgefragen im Mittelstand, Chancen auf den europäischen Märkten und die wachsende Bedeutung von Künstlicher Intelligenz im Investmentgeschäft.

Konferenz-Chair Dr. Nikolaus von Jacobs (Reed Smith LLP) eröffnete die Veranstaltung mit dem Hinweis auf die Bedeutung persönlicher Kontakte: Über 70 % der Transaktionen entstünden aus Netzwerken – in volatilen Zeiten wichtiger denn je.

Europa im geopolitischen Sandwich

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Ein markanter Auftakt kam von Politologe Prof. Dr. Herfried Münkler. Er zeichnete ein düsteres Bild: Die regelbasierte Weltordnung sei zerbrochen, Machtpolitik dominiere, Europa gerate zwischen USA, Russland und China zunehmend unter Druck. Sein Appell: Deutschland müsse seine Zurückhaltung überwinden und gemeinsam mit Partnern eine strategisch geeinte Union aufbauen.

Markttrends zwischen Skepsis und Aufbruch

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Das Panel „Private Equity und M&A-Markt 2025“ schlug die Brücke von der Geopolitik zur Marktpraxis. Die Diskussion schwankte zwischen Vorsicht und Optimismus. Todd Albright (Datasite) berichtete von rund 55.000 Transaktionen weltweit, mit deutlichen Unterschieden zwischen den Regionen: Während die USA dynamisch wachsen, seien die Volumina in Europa um 19 % gefallen. Katja Schwarz (Verdane) betonte, dass Qualität des Managements in unsicheren Zeiten entscheidend sei. Kai Hesselmann (DealCircle) sah Chancen für Käufer durch weniger Wettbewerb, vor allem bei Add-on-Akquisitionen. Sven Oleownik (EMERAM) sprach von „ökonomischem Darwinismus“: Nur agile Unternehmen überlebten, Digitalisierung und Dekarbonisierung würden die Spreu vom Weizen trennen. Schahin Haghani (Gimv) ergänzte, dass viele Portfoliounternehmen exitbereit seien, Eigentümer jedoch aufgrund der schwachen Konjunktur länger warteten – Continuation Vehicles nähmen zu.

Cross-Border-Deals: Chancen trotz ESG und Regulierung

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Im transatlantischen Panel wurden Unterschiede zwischen den Märkten deutlich. Pierre Kiecolt-Wahl (Stifel) sah in SPACs eine effiziente Brücke an die NASDAQ. Andrea Foti (Aon) betonte, dass ESG-Faktoren in Europa längst Pflicht seien, während US-Unternehmen oft noch hinterherhinkten. Ross (Investor) verwies auf die Notwendigkeit, sich rechtzeitig auf europäische Standards vorzubereiten. Mark Quien (EPAM) hob die Folgen für die Praxis hervor: Längere Dealzeiten und differenzierte Risikoverteilungen seien die Regel. Gleichzeitig beschleunige KI die Due Diligence – von Vertragsanalysen bis hin zur Marktpsychologie. Trotz aller Hürden war der Ausblick optimistisch: Kapital übersteige das Dealangebot, und eine Zinswende könnte den nächsten Boom einleiten.

Mittelstand: Wertschöpfung im Zeichen der Nachfolge

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Ein zentrales Thema war der deutsche Mittelstand. Cornelius Oheimb (Biesse DACH) betonte, dass Resilienz nicht aus Strategiepapieren entstehe, sondern aus belastbaren Prozessen und den richtigen Menschen. Friedrich von Wallwitz (FTI) warnte vor zu hoher Verschuldung, die Flexibilität zerstöre. Nicolas Gutbrod (SGP) erinnerte daran, dass viele Unternehmer der Boomer-Generation nach Rückzugsszenarien suchten. Dieter Will (neomerge) unterstrich die Bedeutung externer Partner, um Familienunternehmen über den Generationswechsel hinaus tragfähig zu halten. Sascha Haggenmüller (Radial Consulting) ergänzte, dass Nachfolger nicht nur Zahlen lesen, sondern Unternehmenskultur tragen müssten.

Digitalisierung und KI: Substanz statt Hype

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Das Panel zu Künstlicher Intelligenz rückte die Praxis in den Mittelpunkt. Marcus Höfer (base camp) warnte vor Hype-Denken: Entscheidend sei, echte Geschäftsprobleme zu lösen – vor allem durch Automatisierung. Andrew Bocskocsky (Grata) schilderte, wie KI die Analyse unstrukturierter Daten beschleunige und den Dealflow im Tech-Sektor befeuere. Tim Cruttenden (Vencap) warnte, dass nur Anbieter mit realer Produktivität überleben würden. Gökce Akkahve (FTI) hob hervor, dass AI-Projekte meist nicht an der Technologie scheitern, sondern an Governance, Datenqualität und Change Management. Einigkeit bestand darin, dass KI längst Realität sei, aber nur mit klaren Anwendungsfällen und sauberer Struktur Wert schaffe.

Family Offices und Private Equity: Kooperation statt Konkurrenz

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Ein weiteres Panel zeigte, wie stark sich Family Offices und Private Equity annähern. Familienkapital agiert langfristig, opportunistisch und näher am Unternehmertum, während Fonds mit Struktur, Internationalisierung und Skalierung punkten. Besonders bei Nachfolgeregelungen im Mittelstand entstehe Vertrauen, wenn beide gemeinsam investieren. Fazit: Family Offices werden zunehmend zur Brücke zwischen Private Equity und dem Mittelstand.

Europa als Investitionsraum: Chancen unter der Oberfläche

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Das Abschluss-Panel richtete den Blick noch einmal Richtung Europa. Walter Mair (Marlin Equity) sprach von hohen Energiekosten und Bürokratie, sah aber enormes Tech-Talent und attraktive Bewertungen. Lukas Gleim (Ardent) hob die Heterogenität der Märkte hervor – Investoren müssten gezielt hinschauen. Stéphane Duhr (Alba Infra) sah enorme Chancen in Infrastrukturprojekten, von Energiewende bis Digitalisierung. Sebastian Klein (Metric) verwies auf Turnaround-Potenziale in klassischen Industrien, während Michael Drill (Lincoln International) die historisch günstigen Bewertungen betonte. Die Botschaft: Europa bleibt attraktiv, aber Investoren brauchen Marktkenntnis, kulturelles Verständnis und Selektivität.

Fazit: Realismus trifft Optimismus

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Die Pemacom 2025 zeigte eine Branche im Balanceakt. Geopolitische Unsicherheit trifft auf Kapitalüberfluss, Nachfolgefragen im Mittelstand auf Chancen durch Digitalisierung und KI. Entscheidend bleiben Managementqualität, Governance und die Fähigkeit, Netzwerke zu nutzen. Europa mag fragmentiert und herausfordernd sein, doch gerade hier eröffnen sich attraktive Gelegenheiten – für Investoren, die Geduld, Expertise und Anpassungsfähigkeit mitbringen.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen.

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