Nicht um jeden Preis

In der Wirtschaftspolitik wird derzeit nichts so kontrovers diskutiert wie Freihandelsabkommen. Die Frontlinie verläuft quer durch die Gesellschaft und politische Lager. Allein die großen Wirtschaftsverbände sprechen sich uneingeschränkt für TTIP und Co. aus. Doch die, die davon betroffen sind, denken in Alternativen.

Eigene Wege finden

Ist also der Freihandel gar kein entscheidendes Kriterium für Marktzugänge? Auch Aluplast-Geschäftsführer Seitz behauptet, dass es auch so gehe, sein Unternehmen sei etwa in Indien ohne Freihandelsabkommen aktiv. Die 2007 begonnenen Verhandlungen mit dem asiatischen Land sind laut Bundeswirtschaftsministerium seit 2012 wegen der „stark divergierenden Ansichten auf beiden Seiten“ unterbrochen. Seitz geht mit dem Dämpfer pragmatisch um: „Wenn das lukrative Märkte sind, muss man sich eben entscheiden, wie man sich den Gegebenheiten anpasst“. Um vor Ort Geschäfte zu machen, reiche es aus, eine Gesellschaft zu gründen und ein Lager vor Ort vorzuhalten, um lokale Kunden zu bedienen. Oder man starte gleich einen neuen Produktionsstandort in solchen Ländern, um somit Zölle und Handelshindernisse zu umgehen. „Genau das haben wir in der Vergangenheit oft getan“, sagt Seitz.

Auch die Online-Händler von Windeln.de beliefern ihre rund 400.000 chinesischen Kunden, obwohl mit der Volksrepublik zurzeit keine Verhandlungen geführt werden. „Ein Freihandelsabkommen mit China würde bei uns natürlich einiges einfacher machen“, sagt Gründer Alexander Brand. Doch die Chinesen sind auch ohne Abkommen die wichtigsten Partner für Windeln.de auf dem asiatischen Kontinent.

Europäische Standards beibehalten

Freier Handel ist anscheinend nicht so stark an Abkommen gekoppelt, wie es Politiker und Lobbyisten gerne verkünden. Erfolgreiche Unternehmer suchen sich Nischen, um ihre Produkte im Ausland absetzen zu können. Das scheint in manchen Fällen die bessere Alternative gegenüber internationalen Handelsverträgen zu sein. Gerade auf dem heimischen Markt wollen Unternehmer keine Neuregulierung. Europäische Standards sind ihnen wichtiger als Kompromiss-Verträge. „Ja, aber“ bedeutet in anderen Worten eben auch „Nicht um jeden Preis“.

Autorenprofil

Katharina Kutsche ist Absolventin der Deutschen Journalistenschule und frei Autorin.

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