Neue Player verändern Finanzierung

Die zunehmende Digitalisierung der Kreditvergabe setzt klassische Banken unter Druck

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Die Zeit, als die KfW wegen der Coronakrise die deutsche Wirtschaft mit einer Geldschwemme flutete, ist vorbei; ebenso die Niedrigzinsphase. Deutschlands Geldhäuser müssen sich neuen Herausforderungen stellen. Kreditplattformen könnten eine Lösung sein.

Wer mit offenen Augen durch die Lande fährt, kann es in beinahe jeder größeren Ortschaft sehen: keine Bankfiliale weit und breit, allenfalls Geldautomaten garantieren noch die Bargeldversorgung der Bevölkerung. Und selbst die wird angesichts steigender Akzeptanz von bargeldlosem Bezahlen mehr und mehr zum ungeliebten Kostenfaktor. Die Commerzbank beispielsweise will ihr Filialnetz mehr als halbieren, nur mehr 400 sollen es schließlich sein; auch die Sparkasse mit derzeit noch rund 12.000 Filialen bundesweit zieht sich mehr und mehr aus der Fläche zurück.

Was ist passiert? Zum einen mussten sich die Geldhäuser in den vergangenen Jahren des Niedrigzinsumfelds mit immer geringeren Margen und sinkenden Erträgen aus dem Firmenkundengeschäft zufriedengeben. Zum anderen verschärften sich die regulatorischen Anforderungen immer mehr und warfen den Banken Knüppel zwischen die Beine. Die Folge: Um Kosten zu senken, sparen die Geldhäuser an ihrem Filialnetz und reduzieren gleichermaßen Beratungskapazitäten. Neben dem Ergebnisdruck setzen aber auch veränderte Kundenerwartungen die Banken bei der KMU-Finanzierung unter Druck.

Filialsterben beendet klassische Bindung an die Hausbank

Neue Player haben das Spielfeld betreten und erhöhen den Wettbewerbsdruck. Neobanken, Finanzierungsplattformen und Kreditvermittler agieren zunehmend erfolgreich am Markt, denn sie sind dort gut aufgestellt, wo sich Kreditvergabeprozesse standardisieren beziehungsweise digitalisieren, sprich vereinfachen und kostengünstiger darstellen lassen. Ihnen ist es gelungen, die digitale Schnittstelle zum Kunden zu besetzen.

Diese Unternehmen bieten einfache und schnelle Lösungen sowie Prozesse und stoßen damit insbesondere bei jüngeren Unternehmern auf große Zustimmung. Für diese steht eine einfache und schnelle Umsetzung bei der Finanzierung im Vordergrund. Den Weg in eine Bankfiliale suchen sie längst nicht mehr. Solche Kunden sind digitalaffin und wollen schnelle und flexible Lösungen. Diese bieten ihnen vermehrt alternative Finanzierungsdienstleister mit ihren Plattformen.

Für die Kunden ergeben sich mehrere Vorteile. Ihnen präsentiert sich die Plattform als eine Art digitaler Marktplatz oder auch „One-Stop-Shop“.  Unterschiedliche Angebote lassen sich leicht prüfen und vergleichen. Dabei steht jedoch, betont Joachim Haedke, CEO beim Münchner Unternehmensfinanzierer Finanzierung.com, der hybride Charakter im Vordergrund. Das bedeutet, dass der Kunde bei größeren Finanzierungssummen von einem Berater aktiv begleitet wird. Kleinere Kredite dagegen werden oft komplett digital abgewickelt. Wer will, kann also durchaus noch mit „echten“ Menschen agieren und deren Betreuung oft über den eigentlichen Finanzierungsprozess hinaus in Anspruch nehmen.

Digitale Kreditvermittler finanzieren in Echtzeit

Ein weiterer Vorteil ergibt sich aus dem einfachen digitalen Antragsprozess sowie der im Vergleich zum herkömmlichen Weg schnellen Finanzierungsentscheidung oft schon innerhalb von 48 Stunden. Gerade hier liegt auch ein Vorteil für die Banken in der Kooperation mit einer Finanzierungsplattform bei der Betreuung von KMU: Denn zweifelsohne hat im Geschäftsleben ein Wandel eingesetzt. Geschäftsführer oder Gewerbetreibende haben heutzutage oft schlichtweg zu wenig Zeit für einen persönlichen Banktermin oder schätzen grundsätzlich die Anonymität und Neutralität einer Plattform.

Auch die Frage der Rentabilität kann überaus häufig positiv beantwortet werden, denn die digitalen, standardisierten Prozesse einer Plattform ermöglichen es, auch Finanzierungen von kleineren Volumina profitabel zu realisieren.

„Corporate-Finance-Boutiquen“ wie Finanzierung.com wirken dabei wie ein vorgeschalteter Filter. Sie beurteilen bereits im Vorfeld, ob eine Finanzierung Chancen hat, realisiert zu werden, ob Kreditnehmer und Bank zusammenpassen, und liefern im Kreditantrag alle wichtigen Kennzahlen inklusive Risikoanalyse. Für die Banken bedeutet dies nicht nur eine erhebliche Zeitersparnis, sondern auch deutlich geringeren Aufwand für Vertrieb und Akquise. Der Kreditnehmer wiederum kann sich darauf verlassen, in kürzester Zeit die bestmögliche Strukturierung seiner Finanzierung zu erhalten. Eine Win-win-Situation.

Plattformberater agieren als Interessenvertreter

Entscheidend für den Erfolg einer digitalen Finanzierungsplattform ist allerdings das Produkt, das sich aus der angebotenen Finanzierungslösung ergibt. Finanzierung.com etwa hat dafür seit der Gründung 2011 ein Netz aus mehr als 400 Partnern aufgebaut, die auch aus dem Bankensektor stammen, aber ebenso Stiftungen, Versicherungen oder Fondsgesellschaften sind darunter. Die frühe Spezialisierung auf automatisierte und einfache Lösungen für Geschäfts- und Gewerbekunden macht darüber hinaus schnelle Entscheidungen und kurze Bearbeitungszeiten möglich.

Längst sind vielerlei Finanzierungsplattformen den Start-up-Schuhen entwachsen und haben ihr Portfolio über die reine Unternehmens- und Immobilienfinanzierung hinaus erweitert. Ob Factoring, Sale-and-Lease-Back oder Lagerfinanzierung: Der Warenkorb, den viele Onlineplattformen vorhalten, ist groß. Und Finanzierungen in diesen Bereichen sind gefragt.

Alternative Finanzierungsformen auf dem Vormarsch

Was bedeutet das für die Banken? Sie müssen sich zweifelsfrei von ihren Geschäftsmodellen und überkommenen Verhaltensmustern ein Stück weit lösen. Um den wichtigen Vertriebskanal über Plattformen für sich nutzen zu können, bedarf es eines Blicks über den eigenen Gartenzaun. Banken und Sparkassen sollten nicht mehr nur lokal und regional handeln, sondern auch dort, wo Kunden interagieren. Das bedeutet aber auch, die Wertschöpfungskette nicht mehr für sich allein zu beanspruchen, sondern mit den neuen Playern im Finanzierungsgeschäft − beispielsweise Finanzierungsplattformen – in guter Zusammenarbeit aufzuteilen.

Die Chancen, die daraus erwachsen, sind groß. Statt auf den Kunden zu warten, etablieren sich Banken dort, wo der Kundenbedarf zutage tritt, nämlich auf einer Onlineplattform als Partner, und erschließen sich so weitere Ertragspotenziale.

Fazit

Um weiterhin relevant zu bleiben, müssen sich Banken dem veränderten Nutzungsverhalten von Kreditsuchenden anpassen und sich dort integrieren, wo ihre Kunden aus dem KMU-Bereich nach Lösungen suchen – also nicht mehr allein in der Filiale, sondern auch an digitalen Kundenkontaktpunkten. Wo es sinnvoll ist, sollten sie Kooperationen mit Onlineplattformen eingehen. Darüber lassen sich auch Produkte anbieten, die über das reine Banking hinausgehen. Eine Eigenentwicklung digitaler Prozesse ist dann gar nicht mehr nötig.

Dieser Beitrag erscheint in der nächsten Unternehmeredition-Magazinausgabe 2/2023.

Autorenprofil
Tobias Binder

Tobias Binder ist seit sechs Jahren bei Finanzierung.com in München beschäftigt und verantwortet dort die Abteilung Corporate Finance. Die Finanzierungsplattform gehört zu Deutschlands wichtigsten Finanzierungsberatern für den Mittelstand. Das in München ansässige Unternehmen vermittelt innovative Mittelstands- und Immobilienfinanzierungen im gesamten DACH-Raum.

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